Agrobakterien: Natürlicher Austausch von Genen

„Ein wichtiger Motor für die Evolution“

Das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens kann Abschnitte seiner Plasmid-DNA, die so genannte Transfer-DNA (T-DNA), in das Genom von Pflanzen übertragen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln und der Universität Bielefeld haben nun bei ihren Arbeiten an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) herausgefunden, dass bei einer von 250 Pflanzen neben der T-DNA auch andere Abschnitte aus der DNA der Agrobakterien (so genannte chromosomale DNA) in das Pflanzengenom eingeschleust werden können. BioSicherheit sprach mit dem Leiter der Forschungsgruppe, Prof. Dr. Bernd Weisshaar über die Ergebnisse seiner Arbeit und darüber ob sie neue Fragen für die Sicherheit transgener Pflanzen aufwerfen.

Prof. Dr. Bernd Weisshaar , Universität Bielefeld, Lehrstuhl für Genomforschung ist Leiter des GABI-Kat-Projektes (bis 2003 am MPIZ, seit dem an der Uni Belefeld).

GABI-KAT-(Kölner-Arabidopsis-T-DNA)-Linien: Katalogisierte Samen-Sammlung mutierter Arabidopsis-Pflanzen.

Bild: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung

Die vorliegenden Forschungsergebnisse sind im Rahmen der deutschen Pflanzengenom-Initiative GABI entstanden. Dabei wurden für die Modellpflanze Arabidopsis thaliana zahlreiche Mutanten-Linien erstellt, sog. GABI-Kat-Linien. In diesen Arabidopsis-Pflanzen sind einzelne Gene gestört bzw. ganz ausgeschaltet. Diese Funktionsstörung wird mit Hilfe von Agrobacterium tumefaciens hervorgerufen, indem kurze DNA-Abschnitte auf die Pflanzen übertragen werden. Mit Hilfe der GABI-Kat-Linien werden neue Funktionen einzelner Gene entschlüsselt. Dieses Wissen hilft bei der Züchtung neuer Nutzpflanzen.

Seit ca. 25 Jahren nehmen Forscher die Natur als Vorbild und setzen Agrobakterien ein, um gentechnisch veränderte Pflanzen zu erzeugen. Agrobakterien sind im Boden lebende Mikroorganismen, die in der Lage sind, den Stoffwechsel von Pflanzen nach ihren Bedürfnissen zu verändern. Hierzu übertragen diese Bakterien Gene in Form der Transfer-DNA (T-DNA) in das Kerngenom von Pflanzen. Diese T-DNA ist Teil des so genannten Ti-Plasmids (ti=tumorinduzierend), eines ringförmigen DNA-Moleküls im Erbgut der Agrobakterien. Die T-DNA besitzt an ihren beiden Enden Signale, die für eine Übertragung auf Pflanzen unbedingt notwendig sind. Treffen die Bakterien auf verwundete Stellen von Pflanzen, so schleusen sie ihr Ti-Plasmid in die Pflanzenzellen ein, der Stoffwechsel der Pflanzenzellen wird umprogrammiert und es entstehen so genannte Wurzelhalsgallen. Die Fähigkeit der Agrobakterien, T-DNA auf Pflanzen zu übertragen, bleibt auch dann erhalten, wenn zwischen die Signale bakterienfremde Gene, z.B. Gene, die eine Resistenz gegen Schadinsekten vermitteln, eingebaut werden. Dies macht man sich bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Organismen zunutze. Natürlich ist man bei einem solchen Prozess grundsätzlich bestrebt, nur die zuvor konstruierte T-DNA und keine weiteren DNA-Abschnitte aus dem Bakterium in die Pflanzen zu übertragen.

bioSicherheit: In einer aktuellen Forschungsarbeit berichten Sie über einen Transfer von chromosomaler Agrobakterien-DNA in das Pflanzengenom von Arabidopsis thaliana. Was genau sind die Ergebnisse dieser Untersuchungen?

Bernd Weisshaar: Sehr verkürzt gesagt: Wir haben gefunden, dass in weniger als einem Prozent der Fälle zusammen mit der T-DNA auch DNA-Abschnitte aus den Agrobakterien-Chromosomen in das Pflanzengenom eingeschleust werden können.

bioSicherheit: Sie haben den Transfer chromosomaler Bakterien-DNA in ein pflanzliches Genom unter Laborbedingungen nachgewiesen. Kommt dieser Vorgang so auch in der Natur vor?

Bernd Weisshaar: Vermutlich ja, auch wenn der Beweis für die Übertragung in der Natur noch aussteht. Unsere Arbeit hat gezeigt, dass Agrobakterien mehr beherrschen als nur die T-DNA zu übertragen. Agrobakterien kommen in der Natur vor und verursachen Wurzelhalsgallen bei vielen zweikeimblättrigen Pflanzen. Ich vermute, dass in diesen natürlichen Agrobakterien-Vorkommen auch bakterielle DNA in Pflanzen übertragen wird, und das schon seit vielen Millionen Jahren immer und immer wieder.

bioSicherheit: Was könnten die chromosomalen Bakteriengene in den Pflanzen bewirken?

Bernd Weisshaar: Meistens vermutlich sehr wenig. Die Chance, dass die chromosomalen Bakteriengene rein zufällig einen Einfluss auf die resultierende transgene Pflanze haben, ist denkbar gering. Bei den von uns untersuchten Pflanzen fehlten zum Beispiel die passenden DNA-Stücke, die für die Ausprägung von Genen in Pflanzen notwendig sind.

Der Prozess ist dennoch von Bedeutung. Man weiß heute durch die Untersuchung der Genome verschiedener Pflanzen, dass ein DNA-Austausch zwischen Organismen im Laufe der Evolution häufig stattgefunden hat. Dieser Austausch war vermutlich ein wichtiger Motor für die Weiterentwicklung im Laufe der Evolution. Unsere Beobachtung bei der Modellpflanze Ackerschmalwand zeigt einen Weg auf, wie eine Neukombination der pflanzlichen DNA mit artfremder DNA in der Natur erfolgt sein kann.

bioSicherheit: Ist durch Ihre Forschungsergebnisse eine Sicherheitslücke bei transgenen Pflanzen entdeckt worden?

Bernd Weisshaar: Nein. Es ist schon jetzt so, dass die einzelnen Ereignisse, die in transgenen Nutzpflanzen verwendet werden, genau charakterisiert werden müssen. Dabei sucht man die Fälle heraus, in denen die T-DNA genau so übertragen wird wie man es erwartet, also im Sinne des erwünschten Ziels. Im nachfolgenden Züchtungsprozess werden die Pflanzen so oft gekreuzt, dass eventuell auftretende unerwünschte Änderungen an anderen Stellen im Genom eliminert werden.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.

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