Gentechnische Verfahren in der Getreidezüchtung: Pilzresistenz

„Es besteht die Hoffnung, mit einzelnen gezielt einsetzbaren Genen Resistenzen zu erzeugen.“

Bei Getreide wie Weizen und Gerste werden weltweit bisher keine gentechnisch veränderten Sorten angebaut. Doch viele Forschergruppen überall auf der Welt beschäftigen sich mit Getreide. Derzeit geht es vor allem darum, bestimmte in der Pflanzenzüchtung wichtige Merkmale auf genetischer Ebene zu verstehen. Ein Ziel ist es, Getreide zu entwickeln, das gegen Pilzkrankheiten resistent ist. - bioSicherheit sprach mit Karl-Heinz Kogel von der Universität Gießen über Forschungsansätze und -schwerpunkte.

Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel, Institut für Phytopathologie und Angewandte Zoologie; Justus Liebig Universität Gießen

Forschung Gerste: Im Rahmen des BMBF- Programms „Biologische Sicherheitsforschung“ werden zwei Projekte zu gentechnisch veränderter Gerste gefördert. In zwei Gerstenlinien wurden Gene eingebracht, die die Widerstandskraft gegenüber Pilzen erhöhen. Karl-Heinz Kogel und seine Mitarbeiter untersuchen, ob dies Auswirkungen auf nützliche Pilze hat.

Pilzkrankheiten sind bei Getreide ein großes Problem. Sie führen nicht nur zu Ertragseinbußen, sondern auch zu Belastungen der Futter- und Lebensmittel mit Mykotoxinen. Diese hochgiftigen Substanzen werden von Fusarien gebildet, einer Gruppe von Schimmelpilzen, die vor allem Getreide befällt

Foto: Weizen mit Fusarienbefall / Syngenta

bioSicherheit: Wie schätzen Sie das Potenzial der Gentechnik bei Getreide ein? Was sind die vorherrschenden Themen bzw. wo kann Gentechnik wirklich einen substanziellen Beitrag liefern für neue Getreidesorten?

Karl-Heinz Kogel: Zuerst muss man sagen, dass Getreide vom Standpunkt der Biosicherheit eine sehr geeignete Pflanze ist. Insbesondere Weizen und Gerste sind zum größten Teil Selbstbefruchter. Die Bestäubung findet bei den meisten Genotypen bei geschlossenen Blüten statt und der Pollen wird, wenn er überhaupt fliegt, durch Sonnenlicht, durch Feuchtigkeit und durch Klimaeinflüsse sehr schnell inaktiviert. Außerdem gibt es bei Gerste keine Kreuzungspartner in Europa, mit denen es zu fertilen Nachkommen kommen könnte. Das heißt vom Sicherheitsaspekt her sind gerade diese Getreide geeignet, um als Ergänzung zum normalen Zuchtverfahren auf biotechnologischem Weg verbesserte, d.h. z.B. den heutigen landwirtschaftlichen Produktionsverfahren angepasste oder ökologisch vorteilhafte Eigenschaften zu erzielen.

bioSicherheit: Wo könnte denn mit bio- oder gentechnischen Verfahren etwas erreicht werden, was mit konventionellen Methoden nicht möglich ist?

Karl-Heinz Kogel: Es gibt hier gerade im Bereich der Resistenz von Getreide gegenüber mikrobiellen Erkrankungen viele Beispiele, mit der Hoffnung, auf Dauer eine moderne Pflanzenproduktion mit noch weiter reduziertem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu erreichen. Ein großes Problem im Getreideanbau in Europa und weltweit sind z.B. parasitische Pilze, insbesondere Pilze, die Mykotoxine an den Ähren bilden. Die Giftigkeit dieser Naturprodukte wird heute oftmals unterschätzt. Tatsächlich stellen die Mykotoxine, die etwa von Fusarienpilzen gebildet werden, ein großes Problem für die Nahrungsmittelsicherheit dar. Es gibt heute Grenzwerte für Mykotoxine, aber die werden sehr oft überschritten. Im konventionellen Anbau finden wir im Grunde keine Lösung des Problems, da Fungizide nicht optimal wirken und Fruchtfolgen aus ökonomischen Gründen falsch gestellt werden. Verstärkte Bodenbearbeitung würde helfen, denn die infektiösen Sporen der Pilze würden dann besser in den Boden eingearbeitet.

bioSicherheit: Also starke Bodenbearbeitung minimiert Pilzbefall?

Karl-Heinz Kogel: Richtig, aber eine starke Bodenbearbeitung wird heutzutage normalerweise vermieden, um die Gefahr der Bodenerosion zu verringern und das Ökosystem Boden zu schützen, aber auch, um Kosten zu senken. Durch diese heute ökologisch und auch ökonomisch gewollte Art der reduzierten Bodenbearbeitung kommt es wie gesagt zu einem verstärkten Befall mit Fusarienpilzen und damit zu einem Problem für die Nahrungsmittelsicherheit.

Es ist evident, dass das vielschichtige Problem der Fusariumtoxine am besten durch moderne Pflanzenzucht zu lösen ist. Biotechnologie ist gerade bei diesem Beispiel eine Schlüsseltechnologie, da in Getreide bis heute keine natürlichen hochwirksamen Resistenzen identifiziert werden konnten.

bioSicherheit: Noch mal zur konventionellen Resistenzzüchtung. Es gibt doch eine ganze Reihe wenn auch nicht resistente Sorten, so doch Sorten mit einer höheren Widerstandskraft gegen z.B. Fusarien?

Karl-Heinz Kogel: Seitdem es in der Bevölkerung ein Bewusstsein für das Problem „Fusarien und Mykotoxine“ gibt, hat sich die klassische Resistenzzüchtung in dieser Richtung verbessert und verstärkt. Heute wird gezielt auf Fusariumresistenz gezüchtet und hier sind auf jeden Fall auch Zuchterfolge zu verzeichnen. Aber das Problem ist, dass Fusarium ein nekrotropher d.h. toxinbildender Pilz ist und wir gegen diese Pilze kaum Resistenzgene zur Verfügung haben. Ein Züchtungserfolg ist hier also nicht so einfach zu erreichen wie etwa bei Mehltauresistenz oder Rostresistenz. Da geht es um ein Gen, das wird eingekreuzt, und damit erreicht man innerhalb von ein paar Jahren eine hohe Resistenz. Bei Fusarium ist es leider nicht so. Hier basiert Resistenz auf dem Zusammenspiel mehrerer Gene, den so genannten quantitative trait loci (QTL’s). Es sind hier mehrere Gene an einer Merkmalsausprägung beteiligt. Diese sich an verschiedenen Orten im Genom befindenden Gene kann man züchterisch nicht so leicht bearbeiten. Das dauert Jahrzehnte, bis sich da eine hohe Resistenz aufbauen lässt.

bioSicherheit: Aber es gibt doch auch Probleme oder Schwierigkeiten für gentechnische Verfahren, wenn es da nicht nur das eine Resistenzgen gibt, das man einführen kann, sondern man mehrere Gene optimieren muss im Hinblick auf die zu erzielende Wirkung?

Karl-Heinz Kogel: Da haben wir bei der gentechnischen Methode natürlich den Vorteil, dass wir Artgrenzen überschreiten können und nicht darauf angewiesen sind, aus Weizen oder Gerste ein Gen zu nehmen, um Fusariumresistenz zu bekommen. Wir können hier auf alle möglichen Spezies ausweichen, um auf der Grundlage unseres heutigen Wissens Gene zu finden, von denen erwartet werden kann, dass sie einen Effekt gegen Fusarium haben. Hier besteht also die Hoffnung, dass man mit einzelnen gezielt einsetzbaren Genen Resistenzen erzeugen, und damit der wirklich problematischen, ja gefährlichen Fusariumkrankheit zu Leibe rücken kann.

bioSicherheit: Diese Gene gibt es?

Karl-Heinz Kogel: Es sind schon viele Gene identifiziert worden, die vielleicht später landwirtschaftlich genutzt werden können, wie Gene, die den antioxidativen Status der Pflanze erhöhen oder Gene für Enzyme, die Pilzhyphen abbauen, wie Chitinasen oder Glukanasen. Wir haben auch Gene gefunden, die den pflanzlichen Zelltod hemmen und damit eingreifen in das, was Fusarium versucht, nämlich Pflanzenzellen abzutöten.

Es gibt auch eine neue Generation von Genen, die Virulenzfaktoren von Fusarium, die der Pilz für eine erfolgreiche Infektion benötigt, inaktivieren. Wir wissen heute darüber hinaus aus mikroskopischen Untersuchungen, wo die Fusariumtoxine in der Pflanze wirken: Auch das wäre ein biotechnologischer Ansatz, nämlich auf den Toxinabbau zu zielen.

bioSicherheit: Das heißt, es gibt mehrere Kandidatengene. Wie weit ist dann noch der Schritt zu einer transgenen Pflanze, die resistent ist gegen Fusarium?

Karl-Heinz Kogel: Wir haben ganz eindeutige Wirkungen von Genen gegen Fusarien und wir und andere Arbeitsgruppen haben auch schon transgene Pflanzen in den Labors, die gute Wirkung gegen die Fusariumerkrankung zeigen. Aber eh das wirklich in die agronomische Produktion geht, werden noch einige Jahre vergehen. In diesem Zusammenhang ist es für mich wichtig nochmals zu betonen, dass Biotechnologie in der Landwirtschaft natürlich nur eine Option unter mehreren anderen ist, die jede Art von landwirtschaftlicher Produktion, sei sie konventionell oder ökologisch-dynamisch unterstützen könnte. Ich möchte auch insofern richtig verstanden werden, dass der letzte Beweis, dass durch biotechnologische Veränderungen am Getreide Pflanzenschutzmittel auf Dauer eingespart werden können, noch aussteht. Aber es ist ja gerade die Aufgabe der Wissenschaft „vor“zudenken und sich stattdessen nicht von Entwicklungen überrollen zu lassen. In diesem Sinn will ich auch unsere Sicherheitsforschung am Getreide als vorsorgenden Verbraucherschutz verstanden wissen, denn ob man will oder nicht, Biotechnologie ist weltweit gesehen bereits eine neue Schlüsseltechnologie auch im Bereich der modernen Landwirtschaft.