Freilandversuche in Australien

Trockentoleranter Weizen: „Viel versprechende Ergebnisse“

In Australien werden seit 2007 Freilandversuche mit trockenresistentem Weizen durchgeführt. Über die bisherigen Ergebnisse, die Auswirkungen des Klimawandels auf die weltweite Getreideerzeugung und die Notwendigkeit einer innovativen Agrarforschung sprach bioSicherheit mit German Spangenberg, Leiter des Agrarforschungsinstitust des Bundesstaats Victoria im Südosten Australiens.

Prof. Dr. German Spangenberg, aufgewachsen in Uruguay, hat in Deutschland promoviert und in der Schweiz geforscht. Heute ist er Forschungsdirektor Primary Industries Research des Bundesstaates Victoria (Australien).

Feldversuche mit gv-Weizenlinien. Getestet werden verschiedene Kandidatengene für Trockenresistenz. Das Ziel: Weizen, der auch bei großer Trockenheit ohne Bewässerung hohe Erträge liefert.

Klimawandel: Weniger Weizen. Trockenheit und andere ungünstige Klimabedingungen haben in vielen Ländern zu sinkenden Getreideernten geführt. Davon betroffen ist auch der Australische Bundesstaat Victoria. Die Agrarforschung dort setzt auf die Gentechnik, um neue trockentolerante Weizensorten zu entwickeln..

bioSicherheit: Sie haben gerade von den Behörden die Genehmigung für Freisetzungsversuche mit gentechnisch verändertem, trockentolerantem Weizen erhalten. Was ist der Zweck dieses Versuchs?

German Spangenberg: Wir wollen in kontrollierten Feldversuchen das Grundkonzept und die Funktionalität von verschiedenen gv-Weizenlinien überprüfen, die jeweils eines von fünfzehn Kandidatengenen für Trockentoleranz besitzen. Diese Gene stammen aus Ackerschmalwand (Arabidopsis) und Mais sowie aus Hefe und einem Moos. Die gv-Weizenlinien werden in einer unter häufigen Trockenheiten leidenden Region im Bundesstaat Victoria (Australien) getestet. Wasser bekommen die Pflanzen nur, wenn es regnet.

bioSicherheit: Sie haben bereits 2007 Feldversuche mit diesen trockentoleranten gv-Weizenlinien durchgeführt. Wie waren die Ergebnisse?

German Spangenberg: Ja, das waren die ersten Feldversuche mit trockentolerantem gv-Weizen in Australien. Es wurden 24 verschiedene gv-Weizenlinien getestet. Bei sieben hat sich gezeigt, dass sie unter Trockenstress höhere Erträge lieferten. Zwei dieser Linien haben die Erträge der Kontrolllinien um 20 Prozent übertroffen - und wie es scheint auch ohne Ertragseinbußen bei Bewässerung. Diese ersten Ergebnisse waren sehr viel versprechend und haben uns bestärkt, diese Linien näher zu untersuchen. Die Versuchsfelder dafür haben wir gerade angelegt.

bioSicherheit: Welchen zukünftigen Nutzen sehen Sie darin für die Landwirte und die Umwelt?

German Spangenberg: Weltweit sind 35 bis 50 Prozent der Weizen-Anbaugebiete von Trockenheit bedroht. Die Modellrechnungen über die Auswirkungen des Klimawandels zeigen, dass die Zahl und die Größe der von Trockenheit betroffenen Weizen-Anbaugebiete zunehmen wird. In den letzten Jahren haben wir erlebt, dass ungünstige Klimaverhältnisse - etwa starke Trockenheit - in wichtigen Agrarregionen wie Australien die globale Ernährungssituation stark beeinflussen. Nach Angaben der FAO (United Nations Food and Agriculture Organization) ging in acht wichtigen Getreide exportierenden Ländern, auf die fast die Hälfe der Welt-Produktion entfällt, die Erzeugung in 2005 um vier Prozent und in 2006 um sieben Prozent zurück. Große Teile der Getreideregionen in Australien sind von mehreren Klima- und Umweltfaktoren betroffen, die Erträge und Einkommen in der Landwirtschaft reduzieren. Inzwischen sind die ökonomischen Folgen der Trockenheit deutlich zu erkennen: Australiens Bruttoinlandsprodukt ist dadurch 2002/03 um ein Prozent oder umgerechnet 3,9 Mrd. Euro gesunken. Der Bundesstaat Victoria verlor infolge einer katastrophalen Trockenheit 2006/07 bis zu 70 Prozent des dort angebauten Weizens. Das entspricht einem Verlust von 178 Millionen Euro. Es ist unerlässlich, dass wir uns mit neuen Technologien beschäftigen - die Gentechnik eingeschlossen -, damit wir auch in Zukunft der globalen Nachfrage nach Weizen gerecht werden können.

bioSicherheit: Wie funktioniert die gentechnisch eingeführte Trockentoleranz?

German Spangenberg: Die eingeführten Gene codieren für Proteine, die Pflanzen dazu befähigen, auch mit wenig Wasser auszukommen. Diese Trockentoleranz wird entweder durch eine spezifische Regulation bei der Genexpression bewirkt oder durch veränderte Stoffwechselwege in den gv-Weizenpflanzen.

bioSicherheit: Kann eine solche Trockentoleranz auch in andere wichtige Kulturpflanzen eingeführt werden?

German Spangenberg: Ja, für die Kandidatengene, die wir gerade in Weizen erproben, gibt es auch Anwendungsmöglichkeiten in anderen Kulturpflanzen.

bioSicherheit: Wann und wo erwarten Sie einen ersten kommerziellen Anbau solcher Pflanzen?

German Spangenberg: Bis eine gv-Pflanze marktreif ist, sind viele Jahre Forschung und Entwicklung nötig. Vergleichende Untersuchungen unter Feldbedingungen sind ein wichtiger Teil davon. Unsere derzeitigen Feldversuche mit gv-Weizenlinien sind noch in einem Stadium, in dem wir überprüfen, ob das Konzept überhaupt funktioniert, und das Potenzial der verschiedenen Kandidatengene abschätzen. Das Wissen aus diesen Versuchen fließt in die Entwicklung und Erprobung neuer gv-Weizensorten mit den besten Kandidatengenen für Trockentoleranz ein. Diese werden dann zur Produktreife und am Ende auf den Markt gebracht. Bis dahin dauert der ganze Prozess wohl fünf bis zehn Jahre. Ein koordiniertes Vorgehen der großen Weizen-Anbauländer wie USA, Kanada oder Argentinien gerade bei gv-Weizen mit wichtigen Merkmalen wie Trockentoleranz oder Pilzresistenz erscheint vernünftig.

bioSicherheit: Sie haben in Heidelberg promoviert und anschließend als Juniorprofessor in Zürich gearbeitet. 1995 sind sie nach Australien gegangen, um das Pflanzenbiotechnologie-Zentrum in Melbourne aufzubauen. Wären Ihre Forschungen auch in Europa möglich, wo eine ablehnende Haltung gegenüber der Agro-Biotechnologie weit verbreitet ist?

German Spangenberg: Es ist unbestreitbar, dass ein früher Einstieg und Investitionen in eine Technologie dafür sorgen, dass sich Kreativität entfalten kann, Innovationen gefördert werden, eine breite Wissensbasis entsteht und die erforderlichen Kapazitäten aufgebaut werden, um daraus einen Nutzen für die Gesellschaft zu ziehen. Das ist bei der Agro-Biotechnologie nicht anders. Die Gefahr ist jedoch, dass in Gesellschaften durch irrationale Ängste eine Technikfurcht entsteht, die sich in einer Ablehnung von Innovationen und neuen Technologien äußert, so dass ihr Potenzial zur Lösung sozialer, wirtschaftlicher und Umweltprobleme nicht genutzt wird. Bedenkt man die Herausforderungen, vor denen wir stehen - ein weltweit wachsender Bedarf an Energie, Lebens- und Futtermitteln unter den Bedingungen des Klimawandels -, dann sollten wir unbedingt intelligent genug sein, diese Technologie weltweit ihr großes Potenzial entfalten zu lassen und den Landwirten überall die Möglichkeit zu geben, sie anzuwenden.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.