Konventionelle Landwirtschaft und Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen

Koexistenz: Entscheidend ist der Schwellenwert.

In mehreren Studien hat die Europäische Kommission durchrechnen lassen, ob in der europäischen Landwirtschaft eine Koexistenz konventioneller, ökologischer und „gentechnisch“ produzierender Betriebe möglich ist. Der Knackpunkt: die Schwellenwerte für zulässige Spuren aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Je strenger der Schwellenwert, um so aufwändiger und kostspieliger ist es, ihn einzuhalten. Eine Null-Prozent-Toleranz ist jedoch nicht erreichbar.

Viele fürchten es, für andere ist es eine biologische Binsenweisheit: würden auch in Europa gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, dann lassen sich „konventionelle“ oder „gentechnische“ Anbauweisen nicht vollständig voneinander trennen.

Über die Höhe möglicher GVO-Spuren in konventionellen oder Öko-Produkten wird viel spekuliert. Manche Landwirte befürchten, dass es nach einer Zeit nicht mehr möglich sein wird, „gentechnik- frei“ zu produzieren. Verbraucher sorgen sich um ihre Wahlfreiheit.

Rechenmodelle und Szenarien. Die JRC-Studie

Wie könnte sich der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf die konventionelle Landwirtschaft auswirken? Ist eine Koexistenz zwischen der Grünen Gentechnik und einer Landwirtschaft, die ausdrücklich „ohne Gentechnik“ erzeugen will, möglich? Insgesamt sechs Einzelstudien hat die EU-Kommission in Auftrag gegeben. Deren Ergebnisse wurden nun vom Joint Research Centre (JRC) zusammengefasst.

Das Szenario. Unter der Annahme, dass in einer bestimmten Region der Anbau von GVO-Pflanzen erst 10% und später 50% beträgt, wurden für drei in Europa verbreitete Kulturpflanzen verschiedene Szenarien durchgerechnet:

  • Raps für die Saatguterzeugung
  • Mais zur Verwendung als Futter- und Lebensmittel
  • Kartoffeln für den direkten Verzehr und für die Verarbeitung

Die Fragen. Auf Basis vorhandener Daten und Experteneinschätzungen sollten Modellrechnungen durchgeführt werden, um folgende Fragen zu beantworten:

  • Wie hoch sind die zu erwartenden Beimischungen aus GVO-Pflanzen in den jeweiligen konventionellen Produkten?
  • Ist es grundsätzlich möglich, einen vorgegebenen Schwellenwert für unerwünschte GVO-Beimischungen zu erreichen?
  • Welche Maßnahmen sind dazu erforderlich und was kosten sie?

Schwellenwerte. Die Szenarien wurden für verschiedene, als mögliche Zielvorgaben einzuhaltende Schwellenwerte durchgerechnet.

Schwellenwerte nach den derzeitigen Vorschlägen der EU-Kommission:

  • Szenario Rapssaatgut: 0,3%
  • Szenario Mais als Futter- und Lebensmittel: 1%
  • Kartoffeln als verarbeitetes oder unverarbeitetes Lebensmittel: 1%

Schwellenwerte nach dem Selbstverständnis des ökologischen Landbaus, für den gentechnische Anwendungen nicht zulässig sind:

  • für alle Produkte 0,1% (technische Nachweisgrenze)

Die Simulationsberechnungen für die verschiedenen Szenarien ergaben für die drei einbezogenen Pflanzenarten ein unterschiedliches Bild.

Raps-Saatgut: Hohe Kosten bei niedrigen GVO-Anteilen

Bei der Produktion von Rapssaatgut bestehen für konventionelle Betriebe keine grundsätzlichen Schwierigkeiten, einen Schwellenwert von 0,3 Prozent zu erreichen. Erforderlich ist ein sinnvoller Fruchtwechsel.

Um dieses Ziel im Öko-Landbau zu erreichen sind jedoch weitere Maßnahmen notwendig, die zu höheren Produktionskosten führen. Der Grund ist Ausfallraps (Rapspflanzen, die außerhalb der jeweiligen Anbauflächen wachsen, meist nach einem Fruchtwechsel im Folgejahr), der im Öko-Landbau wesentlich schwieriger zu bekämpfen ist (kein Einsatz von Herbiziden).

Ein Schwellenwert von 0,1Prozent ist in allen Szenarien nur mit einem hohen Aufwand zu erreichen. Es ist mit Kostensteigerungen von bis zu 40 Prozent zu rechnen.

Als geeignete Maßnahmen, die GVO-Anteile zu senken, werden vorgeschlagen: 300m dauerhafte Isolationsabstände, Aussaat im Frühjahr (Reduzierung von Ausfallraps), längere Rotationszeiten in der Fruchtfolge.

Mais: 1%-Schwellenwert für Öko-Betriebe kein Problem

Bei Mais ist die Auskreuzung die Hauptquelle für GVO-Beimischungen. Bei kleinen Flächen und einer kleinteiligen Landwirtschaft ist der Aufwand, GVO-Einkreuzungen zu vermeiden, größer als bei großflächigem Anbau.

Öko-Betriebe haben keine Probleme, einen Schwellenwert von ein Prozent für ihre Maisprodukte zu erzielen. Das ist zurückzuführen auf die hohe Reinheit des Öko-Saatguts und bereits eingeführte Verfahren zur Trennung von konventionellen und ökologischen Produkten.

Vor allem bei einem angenommenen GVO-Anbau von 50 Prozent erreichen konventionelle Betriebe die Ein-Prozent-Schwelle nur, wenn sie entsprechende Vorkehrungen treffen – etwa bestimmte Abstandsflächen einhalten oder Sorten anpflanzen, die zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt blühen.

Ein Schwellenwert von 0,1 Prozent erscheint durchgängig nicht erreichbar. Diese Einschätzung wird mit unvermeidbaren GVO-Spuren im Maissaatgut begründet.

Kartoffeln: wenig Probleme, dennoch keine 0%

Wegen ihrer biologischen Eigenschaften sind Auskreuzungen bei Kartoffeln – anders als bei Mais oder Raps – kein Problem. Ein Schwellenwert von ein Prozent in den Kartoffelprodukten ist ohne weitere Maßnahmen in allen Szenarien erreichbar.

Ein GVO-Anteil von 0,1 Prozent dürfte jedoch in der Praxis schwer zu realisieren sein. Zum einen sind GVO-Spuren bei der Produktion von Pflanzkartoffeln denkbar, zum anderen sind Vermischungen während Transport, Lagerung und Verarbeitung nicht völlig zu vermeiden.

Die Einhaltung von 0,1 Prozent wird zwar nicht völlig ausgeschlossen, doch es fehlt an Daten, um die Effektivität geeigneter Maßnahmen einzuschätzen, etwa der Aufbau getrennter Logistik- und Verarbeitungssysteme.

Tendenz-Prognose

Die Aussagen der JRC-Studie sind nur begrenzt verallgemeinerbar. Die Autoren weisen darauf hin, dass ihre Modellrechnungen sich an vielen Stellen nicht auf eine ausreichende Datenbasis stützen können.Die Studie liefert eher Tendenz-Prognosen als abgesicherte Ergebnisse.