EU-Studie: Koexistenz bei Mais, Zuckerrübe, Baumwolle

Koexistenz mit wenig Mehraufwand möglich

Mit einfachen Maßnahmen können Landwirte beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen dafür sorgen, dass die Ernten konventionell bewirtschafteter Nachbarfelder keine GVO -Anteile oberhalb des Kennzeichnungs-Schwellenwertes von 0,9 Prozent enthalten. Voraussetzung ist, dass der GVO-Anteil im Saatgut 0,5 Prozent nicht übersteigt. Auch die Erzeugung von Saatgut mit maximal 0,5 Prozent GVO-Anteil dürfte mit nur geringen Änderungen der derzeitigen Praxis der Saatgutproduktion möglich sein. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Ende Februar veröffentlichte Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC). Die Studie soll wissenschaftliche Grundlagen liefern für zukünftige Koexistenzmaßnahmen innerhalb der EU.

In sechs Einzelstudien untersuchte eine Arbeitsgruppe aus spanischen, französischen und deutschen Forschungsinstitutionen, wie effektiv Vermischungen von GVO- und konventionellen Ernten durch verschiedene Anbaumaßnahmen vermindert werden können.

Maisfeld Schwarzenau

Koexistenz im Maisanbau: Besondere Koexistenzmaßnahmen sind vor allem dort sinnvoll, wo die konventionellen Felder klein, die gv-Maisfelder dagegen groß sind.

In Modellrechnungen wurde am Beispiel zweier französischer Anbauregionen simuliert, in welcher Höhe für verschiedene Szenarien Auskreuzungen von GVO-Bestandteilen in konventionelle Bestände zu erwarten sind. In den durchgerechneten Szenarien variierten beispielsweise die Feldgrößen der GVO- und der konventionellen Felder, die Hauptwindrichtungen sowie der Anteil und die Verteilung der GVO-Flächen innerhalb einer Region.

Weiterhin werteten die Autoren der Studie die Ergebnisse von Expertenbefragungen aus. Die Untersuchungen bezogen sich auf den landwirtschaftlichen Anbau und die Saatgutproduktion der Kulturpflanzen Mais, Zuckerrübe und Baumwolle. Da in Europa derzeit nur bei Mais gentechnisch veränderte Sorten großflächig angebaut werden, lag hierauf ein besonderer Schwerpunkt.

Die Studie soll GVO anbauenden Landwirten konkrete Entscheidungshilfen an die Hand geben, mit denen sie die für ihre spezielle Anbausituation geeigneten Koexistenzmaßnahmen auswählen können.

Unbeabsichtigte GVO-Anteile in konventionellen Ernten können laut JRC-Studie vor allem auf drei Quellen zurückgehen: bereits im Saatgut vorhandene GVO-Spuren, Auskreuzungen aus benachbarten GVO-Feldern und gemeinsam benutzte Landmaschinen.

Mais: Modellierung für ganze Anbauregionen

Aus früheren Studien lagen bereits Daten für Auskreuzungsraten benachbarter Maiskulturen in Abhängigkeit vom Abstand zwischen den Feldern vor. Diese Ergebnisse nutzten die Wissenschaftler, um die Auskreuzungsraten für die Anbausituation in verschiedenen Modellregionen mit Hilfe eines Simulationsprogramms abzuschätzen. Als Beispielregionen wählten sie die französischen Maisanbaugebiete Pyrénées-Atlantique und Poitou-Charentes. Wichtigstes Ergebnis: Die höchsten Auskreuzungen sind immer dann zu erwarten, wenn relativ kleine konventionelle Felder (bis zu fünf Hektar) in der Nachbarschaft relativ großer gv-Maisfelder (z.B. 15 Hektar) liegen. Hier ist eine Koexistenz nur mit zusätzlichen Anbaumaßnahmen zu erreichen.

Anbauempfehlungen per Entscheidungstabelle. In den Modellierungen haben die Autoren der JRC-Studie auch untersucht, wie sich verschiedene Koexistenzmaßnahmen auf die Auskreuzungsraten auswirken. Dabei haben sie vor allem die folgenden Maßnahmen berücksichtigt:

  • Abstände zwischen GVO- und konventionellen Feldern
  • Pufferzonen/Mantelsaat mit konventionellen Pflanzen am Rand der GVO-Felder
  • getrennte Erntemaschinen für GVO- und konventionelle Kulturen oder Reinigung der Maschinen nach der GVO-Ernte
  • Sorten mit unterschiedlichen Blühzeitpunkten

Aus den Ergebnissen der Modellierung leiten die Autoren Empfehlungen für Landwirte ab. Anhand von Entscheidungstabellen können GVO anbauende Landwirte eine für ihre Anbausituation geeignete Kombination von Maßnahmen auswählen, mit der sie vorgegebene maximale Auskreuzungsraten einhalten können.

Auszug aus einer Entscheidungstabelle für Anbauer von gv-Mais

Größe des nicht-gvo-Feldes Mantelsaat aus nicht-gv-Mais um das GVO-Feld Erforderliche Abstände zwischen GVO- und Nicht-GVO-Feld um verschiedene maximale Auskreuzungsraten einzuhalten (in Windrichtung/ entgegen der Windrichtung)
0,9 %

 

0,4 %

 

0,1 %

 

< 5 Hektar ohne Mantelsaat 50m / 0m 100m / 20m 300m / 50m
12 m 20m / 0m 100m / 0m 300m / 20m
5 bis 10 Hektar ohne Mantelsaat 20m / 0m 100m / 0m 300m / 20m
12 m 0m / 0m 100m / 0m 300m / 20m
> 10 Hektar ohne Mantelsaat 20m / 0m 100m / 0m 300m / 20m
12 m 0m / 0m 50m / 0m 200m / 20m
Empfohlene Abstände, mit denen verschiedene maximale Auskreuzungsraten (fett) einzuhalten sind. Das gv-Maisfeld ist 15 Hektar groß. Der erste Wert gibt den Mindestabstand an, wenn das konventionelle Feld in Windrichtung zum gv-Maisfeld angelegt ist, der zweite Wert bei entgegen gesetztem Wind. Berücksichtigt werden einerseits verschieden große konventionelle Maisfelder, andererseits die Auswirkungen eines 12 Meter breiten Mantelsaat-Streifens mit konventionellem Mais. In der JRC-Studie finden sich umfangreichere Tabellen, in denen auch die Verwendung von Sorten mit unterschiedlichen Blühzeitpunkten sowie getrennte oder spezielle gereinigte Erntegeräte berücksichtigt werden.

Für den Maisanbau, so das Ergebnis der Modellrechnungen, müssen in vielen Anbauregionen gar keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen werden, damit konventionelle Ernten unterhalb des Kennzeichnungs-Schwellenwertes von 0,9 Prozent bleiben. Voraussetzung ist allerdings, dass im Saatgut nicht mehr als 0,5 Prozent GVO-Bestandteile enthalten sind.

Schwieriger wird die Koexistenz in solchen Regionen zu erreichen sein, in denen beispielsweise relativ kleine konventionelle Maisfelder in der Nähe relativ großer gv-Maisfelder liegen oder viele gv- und konventionelle Felder eng nebeneinander liegen. Hier müssten die GVO-Landwirte zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um die Vermischungen zu begrenzen. Allein durch Reinigung der Erntemaschinen könnte auch hier auf 85 bis 90 Prozent der konventionellen Felder der 0,9 Prozent-Schwellenwert eingehalten werden. Werden zusätzlich Isolationsabstände eingehalten und/oder eine Mantelsaat um die GVO-Felder angelegt, bleiben die GVO-Anteile auf allen konventionellen Maisflächen unterhalb des Schwellenwertes. Deutlich niedrigere Schwellenwerte, beispielsweise 0,1 Prozent, könnten dagegen in Regionen mit eng benachbartem GVO- und konventionellem Maisanbau auch mit zusätzlichen Maßnahmen nicht verlässlich eingehalten werden.

Mais-Saatgutproduktion: 0,5 Prozent ist machbar.

Bisher gibt es in der EU noch keinen rechtlich verbindlich Schwellenwert für GVO-Bestandteile in konventionellem Saatgut. Auf EU-Ebene werden jedoch verschiedene Saatgutschwellenwerte zwischen 0,1 und 0,7 Prozent diskutiert. Die JRC-Studie untersuchte deshalb auch, ob und wie verschiedene Saatgutschwellenwerte einzuhalten wären.

Unabhängig von möglichen GVO-Bestandteilen unterliegt die Saatgutproduktion bereits strengen Anbauregeln, die eine hohe Saatgut-Reinheit gewährleisten. Beispielsweise werden bei der Produktion von Maissaatgut Mindestabstände von 100 Metern zu benachbarten Maisflächen eingehalten. Diese Abstände können auch dazu beitragen, Einträge von gv-Mais in konventionelles Saatgut zu vermeiden. Um einen Schwellenwert von 0,5 Prozent GVO-Anteil einzuhalten, wären keine zusätzlichen Maßnahmen erforderlich, solange in der gleichen Region kein großflächiger kommerzieller gv-Mais-Anbau stattfindet. Wenn dagegen in der Nachbarschaft von Saatgutvermehrungsflächen gewerbliche gv-Maisflächen liegen, wird auch ein 0,5 Prozent Schwellenwert für das Saatgut nur schwierig einzuhalten sein. Die dazu erforderlichen Mindestabstände würden bis auf 400 - 600 Meter ansteigen und wären in der Praxis kaum zu realisieren. Ein Schwellenwert von 0,3 Prozent würde generell zusätzliche Maßnahmen erfordern, die bis zu 20 Prozent der Gewinne des Saatgutproduzenten ausmachen könnten. Ein Saatgutschwellenwert von 0,1 Prozent ist nach den Berechnungen der Studie nicht verlässlich einzuhalten.

Zuckerrüben – Koexistenz einfach zu realisieren

Bei Zuckerrüben sind keine Auskreuzungen aus Feldern mit gentechnisch veränderten Rüben zu erwarten, weil die Zuckerrüben geerntet werden, bevor sie blühen. Die einzige Quelle für Spuren von GVO in konventionellen Zuckerrübenernten wären daher Verunreinigungen im Saatgut. Mit den bereits bestehenden Vorschriften für die Produktion von Zuckerrübensaatgut könnte ein 0,5 Prozent-GVO-Schwellenwert eingehalten werden. Niedrigere Schwellenwerte (0,1 oder 0,3 Prozent) würden Mehrkosten von sechs bis 14 Prozent der derzeitigen Erlöse verursachen.

Baumwolle – kaum Mehraufwand

Auch für Baumwolle ließe sich ohne Mehraufwand die Koexistenz von GVO- und konventionellem Anbau gewährleisten. Es müssten höchstens die Erntemaschinen gereinigt werden. Voraussetzung ist, dass beim landwirtschaftlichen Anbau ein Schwellenwert von 0,9 Prozent und bei Saatgut ein Schwellenwert von 0,5 Prozent vorgegeben wird.