Erzeugung Markergen-freier Getreidepflanzen durch androgenetische Segregation

(2005 – 2008) Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Gatersleben

Thema

Eine Möglichkeit, Markergen-freie transgene Pflanzen zu erhalten, besteht in der gemeinsamen Übertragung von zwei separaten DNA-Abschnitten (T-DNA) mit Ziel- bzw. Markergen. Anschließend können unter den sexuell entstandenen Nachkommen diejenigen Pflanzen identifiziert werden, die aufgrund klassisch-genetischer Segregation das Zielgen, jedoch nicht den Selektionsmarker enthalten.

In der Pflanzenzüchtung werden reinerbige Pflanzenlinien benötigt, damit die Gesamtheit der Sorteneigenschaften nicht nur an einen Teil der Nachkommen weitergegeben wird. Reinerbige sind von mischerbigen Pflanzen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild jedoch häufig nicht zu unterscheiden. Das trifft auch für transgene Pflanzen zu. Deshalb müssen normaler Weise umfangreiche molekularbiologische Untersuchungen über mehrere Generationen durchgeführt werden, um reinerbige Pflanzenlinien zu finden.

Die Herstellung Markergen-freier, reinerbig transgener Gersten- und Weizenpflanzen wurde in diesem Projekt dadurch vereinfacht, dass so genannte doppelhaploide Pflanzen verwendet wurden. Sie wurden aus unreifen Pollen generiert, aus denen man unter geeigneten Kulturbedingungen Pflanzen anziehen kann. Diese Pflanzen sind reinerbig.

Zusammenfassung

Es wurde eine praktikable und effiziente Methode entwickelt, mit der sich aus unreifen Pollen transgener Gerstenpflanzen Markergen-freie, reinerbige Pflanzen generieren lassen. In sieben doppelhaploiden Gerste-Populationen zeigte sich die erwünschte unabhängige Segregation von Selektionsmarker- und Zielgen.

Diese Methode zur Herstellung Marker-freier, homzygot transgener Pflanzen konnte auch bei Weizen exemplarisch angewendet werden.

Versuchsbeschreibung

Zunächst wurden unreife Embryonen von Gerste und Weizen mit ungekoppelten T-DNAs mittels Agrobakterien cotransformiert. Dabei enthielt eine T-DNA das Zielgen, die andere den Selektionsmarker. Aus diesen Embryonen regenerierte Pflanzen wurden dann über PCR oder DNA-Hybridisierung bezüglich der Transformationseffizienz untersucht und diejenigen ermittelt, die beide Gene in ihr Genom integriert hatten.

Aus den Ähren dieser Pflanzen wurden im zweiten Schritt unreife Pollen isoliert. Um eine embryogene Entwicklung zu induzieren, werden sie einer Stressbehandlung unterzogen. Der haploide Chromosomensatz der Pollen konnte sich dabei im Rahmen von Zellteilungen spontan verdoppeln. Die aus den Pollenkulturen regenerierten Pflanzen, so genannte Doppelhaploide (DH), waren vollständig homozygot (reinerbig), weil sich alle Chromosomen identisch verdoppelt hatten. Bei den nicht spontan aufgedoppelten (haploiden) Pflanzen wurde die Genomaufdopplung durch Behandlung mit Colchicin induziert. Colchicin ist ein Zellgift, das aus der einheimischen Herbstzeitlose gewonnen wird.

Im letzten Schritt wurden die Selektionsmarker-freien transgenen Pflanzen über PCR identifiziert und das System insgesamt bezüglich seiner Effizienz und Verlässlichkeit analysiert.

Ergebnisse

Herstellung der Tranformationsvektoren

In einem ersten Schritt wurden die zu übertragenden Gene auf die für die Co-Transformation benötigten bakteriellen Vektoren übertragen. Anschließend erfolgte die Integration dieser Vektoren in zwei verschiedene Agrobakterienlinien. Ziel war es, eine Methode zu entwickeln, bei der Ziel- und Selektionsmarkergen nach der Transformation in möglichst vielen Fällen getrennt (auf verschiedenen Chromosomen) im Genom der Pflanze vorliegen. Dazu wurden verschiedene Kombinationen von Bakterienlinien und Vektoren getestet.

  • Prinzip 1: Zwei zu mischende Agrobakterienlinien enthalten je einen Vektor, der entweder die T-DNA mit dem Zielgen oder jene mit dem Selektionsmarker enthält.
  • Prinzip 2: Eine Agrobakterienlinie enthält zwei Vektoren mit je einer T-DNA.
  • Prinzip 3: Eine Agrobakterienlinie enthält einen Vektor, auf dem beide T-DNAs an getrennten Stellen angeordnet sind.

Pollen einer transgenen Gerste, aus dem sich nach einer Stressbehandlung (Kälte und Nährstoffentzug) unter geeigneten Kulturbedingungen Embryonen entwickeln. Der ursprünglich einfache Chromosomensatz des Pollens kann sich während der Pollenkultur spontan identisch verdoppeln, sodass die meisten der schließlich aus den Embryonen regenerierten Pflanzen einen diploiden Chromomsomensatz aufweisen und bezüglich aller Gene reinerbig (homozygot) sind.

Co-transformierte Gerste (5 1/2 Monate alt)

Gentransfer in unreife Gersten-Embryonen und Herstellung transgener Pflanzen

Die Transformation der Gerste wurde durch Impfen unreifer Embryonen mit Agrobakterien durchgeführt. Sie übertragen die beiden ungekoppelten T-DNAs mit Zielgen bzw. Selektionsmarker auf die regenerierbaren Zellen. Dabei wurden die Embryonen mit 14 verschiedenen Agrobakterienlinien oder -mischungen behandelt. Für jede dieser 14 Behandlungsvarianten wurden drei unabhängige Versuche mit jeweils neunzig Embryonen durchgeführt. Insgesamt wurden bei diesen Experimenten 606 Pflanzen regeneriert, die das Selektionsmarkergen trugen.

Die höchste Transformationseffizienz wurde unter Verwendung eines Agrobakterienstammes erreicht, der einen Binärvektor mit zwei separaten T-DNAs enthält. Bei dieser Variante enstanden aus 270 beimpften Gersten-Embryonen 57 Pflanzen mit integriertem Selektionsmarkergen, was einer Effizienz von 21,1 Prozent entspricht.

Identifizierung der co-transformierten Pflanzen

Der Co-Transformationserfolg wurde mittels PCR unter Verwendung spezifischer Primer für den Selektionsmarker bzw. das Effektorgen ermittelt. Wie erwartet, ergaben die eingesetzten Agrobakterienlinien oder -mischungen unterschiedliche Transformationseffizienzen.

Insgesamt wurden bisher 128 Gersten-Pflanzen identifiziert, die sowohl das Selektionsmarkergen als auch das Zielgen in ihrem Genom integriert haben. Auch hier wurde die höchste Erfolgsquote mit Agrobakterien erzielt, bei denen die beiden erforderlichen T-DNAs an getrennten Stellen ein und desselben Vektors angeordnet waren. In diesem Fall erwiesen sich 24 der 57 generierten transgenen Linien als co-transgen, was einer Ausbeute von 8,9 co-transgenen Linien pro 100 beimpften Embryonen entspricht.

Segregation der T-DNAs und Identifizierung Selektionsmarker-freier Pflanzen

Die zu Beginn des Projektes optimierte Methode zur Gewinnung doppelhaploider (DH-) Pflanzen aus embryogenen Pollenkulturen, wurde auf alle co-transgenen Gersten-Pflanzen angewendet.

Für 107 der 128 primären co-transgenen Linien (83.6 Prozent) konnten auf diese Weise lebensfähige DH Pflanzen generiert werden. In den DH-Linien wurde mittels PCR die Präsenz des Selektionsmarkers und des Zielgens festgestellt. Darüber hinaus wurde die durch den Selektionsmarker vermittelte Resistenz gegen das Antibiotikum Hygromicin anhand eines Blatttests funktionell überprüft und eine molekulare Charakterisierung der DH-Linien mittels DNA-Hybridisierung durchgeführt.

Dabei stellte sich heraus, dass die beiden co-transferierten T-DNAs in den jeweiligen DH-Populationen zumeist nicht unabhängig segregierten und demzufolge auf demselben Chromosom integriert worden waren. Bei Verwendung einer Agrobakterienlinie, die zwei Vektoren mit je einer T-DNA enthält, wurde hingegen die bisher höchste Rate ungekoppelt integrierter T-DNAs nachgewiesen. In sieben der neun aus dieser Variante erhaltenen DH-Populationen zeigte sich eine unabhängige Segregation von Selektionsmarker- und Zielgen, d.h. in jeder dieser sieben Populationen wurden homozygot transgene, Selektionsmarker-freie Pflanzen identifiziert. Bezogen auf 100 mit Agrobakterien beimpften Gerstenembryonen ergibt sich daraus eine Effizienz der Herstellung homozygot transgener, Selektionsmarker-freier Linien von 2,6 %. Damit erwies sich die im Rahmen des Projektes entwickelte Methode als sehr aussichtsreich, auch in der Praxis Anwendung zu finden. In einem zusätzlichen Experiment wurde schließlich exemplarisch belegt, dass die anhand von Gerste entwickelte Methode prinzipiell auch bei Weizen zur Herstellung Selektionsmarker-freier, homzygot transgener Pflanzen verwendet werden kann.