Untersuchungen zu Nebenwirkungen von Bt-Mais (Cry3Bb1) auf Nicht-Zielorganismen

(2005 – 2008) Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) (seit 2008 Julius Kühn-Institut (JKI)), Institut für biologischen Pflanzenschutz, Darmstadt

Thema

In diesem Projekt wurden mögliche Nebenwirkungen des Pollens von transgenem Bt-Mais der Linie MON88017 auf die Insektenfauna in der Perpherie von Maisfeldern untersucht. Blattkäfer, die in der Umgebung von Maisfeldern vorkommen, standen im Mittelpunkt der Studie. Da Mais der Linie MON88017 das Bt-Toxin Cry3Bb1 bildet, das gegen den Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) aus der Familie der Blattkäfer (Chrysomelidae) wirksam ist, könnten auch andere Blattkäferarten durch den Anbau dieser Bt-Maislinie geschädigt werden.

Zusammenfassung

Toxin-Biotest

Die untersuchten Larven von drei verschiedenen Blattkäferarten erwiesen sich gegenüber dem reinen Cry3Bb1-Toxin auf ihren Futterpflanzen als empfindlich. Insbesondere junge Larvenstadien wiesen eine signifikant erhöhte Sterblichkeit sowie eine signifikant verringerte Gewichtszunahme und Verpuppungsrate auf. Larven des Maiszünslers (Ostrinia nubilalis) und der Kohlmotte (Plutella xylostella) waren gegenüber dem Cry3Bb1-Toxin dagegen nicht empfindlich.

Pollenbiotest

Bei der Verfütterung von Maispollen der Linie MON88017 an Larven des Ampferblattkäfers (Gastrophysa viridula) konnte im Vergleich zur isogenen Linie kein negativer Einfluss auf Sterblichkeit, Gewichtszunahme oder Verpuppungsrate der Larven beobachtet werden.

Aus Laborversuchen und Literaturdaten zur Maispollendisposition ließ sich abschätzen, dass die getesteten Blattkäferlarven pro Tag vermutlich nicht mehr als maximal 1,6 Prozent der experimentell ermittelten LD50-Dosis Cry3Bb1-Toxin über Bt-Maispollen aufnehmen können. Daher wird für die drei getesteten Arten unter Freilandbedingungen normalerweise keine akute Schädigung durch die Aufnahme von Pollen der Maissorte MON88017 erwartet. Auch konnten keine Hinweise auf eine mögliche chronische Toxizität oder subletale Schädigungen durch die Aufnahme von Pollen der Maissorte MON88017 gefunden werden.

Risikoanalyse

Im Rahmen einer auf Literaturdaten basierenden Risikoanalyse konnte für 37 Blattkäferarten eine mögliche Gefährdung durch das von Mais der Linie MON88017 gebildete Cry3Bb1-Toxin nicht ausgeschlossen werden. Für konkretere Aussagen und eine genauere Analyse fehlen jedoch Basisdaten.

Versuchsbeschreibung

Ampferblattkäfer: Gentechnisch veränderter Bt-Mais, der einen Wirkstoff gegen  den Maiswurzelbohrer, einen Käfer, bildet, könnte auch anderen an Mais fressenden Käfern schaden.

Ampferblattkäfer bei der Kopulation

Eigelege des Ampferblattkäfers

Ein Eigelege des Ampferblattkäfers

Larven des Ampferblattkäfers

Larven des Ampferblattkäfers

Larve des Ampferblattkäfers

Fotos: Martin Felke, BBA Darmstadt

Es wurden Laboruntersuchungen an verschiedenen Blattkäfern (Chrysomeliden) durchgeführt. Die für die Labortests benötigten Larven wurden an ihren Wirtspflanzen vermehrt:

  • Ampferblattkäfer (Gastrophysa viridula) auf Stumpfblättrigem Ampfer,
  • Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) auf Kartoffel,
  • Merrettichblattkäfer (Phaedon cochleariae) auf Chinakohl und
  • Johanniskrautblattkäfer (Chrysolina varians) auf Johanniskraut.

Toxin-Biotest

Es wurde ein Biotest zur Verfütterung des reinen Cry3Bb1-Toxins an Larven der verschiedenen Blattkäferarten entwickelt.

Untersucht wurde der Einfluss auf die Sterblichkeit, die Gewichtszunahme und die Verpuppungsraten von Larven im ersten bis dritten Larvenstadium. Zusätzlich wurden LD50-Werte für die Larven ermittelt.

Darüber hinaus wurde in Fütterungsversuchen die Reaktion von Raupen des Maiszünslers (Ostrinia nubilalis) und der Kohlmotte (Plutella xylostella) auf das Cry3Bb1-Toxin geprüft.

Pollenbiotest

In Pollenbiotests wurden Larven des Ampferblattkäfers und des Meerrettichblattkäfers im ersten und zweiten Larvenstadium untersucht. Dabei erhielten die Larven Futterpflanzen, die mit Pollen der Bt-Maislinie MON88017 sowie der isogenen Linie DKC5143 bedeckt waren. Es wurden Gewichtszunahme (nach zwei Tagen), Verpuppungsrate (an Tag 6 oder 7) und Sterblichkeit (nach einer Woche) bestimmt. Dabei wurde sowohl frischer als auch tiefgefrorener Pollen eingesetzt. Als Kontrolle wurden Futterpflanzen ohne Pollen angeboten.

Bestimmung der Fraßmenge des Ampferblattkäfers im Verlauf der Larvalentwicklung. In einem weiteren Laborversuch wurde die im Laufe der Larvalentwicklung des Ampferblattkäfers gefressene Blattfläche ermittelt, um daraus mithilfe von Literaturdaten zur Bt-Maispollendichte auf Ackerbeikräutern die Menge des im Freiland aufgenommen Pollens abschätzen und mit den Labordaten vergleichen zu können.

Untersuchungen zur chronischen Toxizität und möglichen subletalen Effekten von Cry3Bb1

Zusätzlich wurde die chronische Toxizität von Cry3Bb1 auf die Entwicklung und Lebensdauer des Ampferblattkäfers untersucht. Dazu wurde über die gesamte Dauer der Larvenentwicklung rund ein Zehntel der LD50-Dosis (0,041 µg Cry3Bb1-Protein) verabreicht.

Die aufgenommene Nahrungsmenge wurde bestimmt. Außerdem wurden das Gewicht der Larven und der Puppen, der Zeitpunkt der Verpuppung sowie die Sterblichkeit der Larven bzw. Puppen erfasst. Nach dem Schlupf der Käfer wurd die Eiablage jedes Weibchens täglich ausgezählt und die Lebensdauer der Käfer bestimmt.

Risikoanalyse

In einer Literaturrecherche wurde abgeklärt, welche der 518 in Deutschland nachgewiesenen Blattkäferarten mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Maispollen bzw. Staubgefäßen in Kontakt kommen. Mit folgenden Auswahlkriterien wurden diejenigen Arten herausgefiltert, die durch den Anbau von Bt-Mais der Linie MON88017 gefährdet sein könnten:

  • Biotopbindung und Nahrungspflanzenspektrum·
  • Ernährung der Larven
  • zeitliche Übereinstimmung zwischen der Aktivität der Larven und der Maisblüte

Ergebnisse

Es wurden Laborzuchten von vier verschiedenen Blattkäferarten aufgebaut und Biotestverfahren für diese Arten etabliert. Unter anderem wurde der Ampferblattkäfer (Gastrophysa viridula) ausgewählt, der auch zur biologischen Ampferregulierung eingesetzt werden kann. Als weitere Modellorganismen wurden Meerrettichblattkäfer (Phaedon cochleariae), Johanniskrautblattkäfer (Chrysolina varians) und Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) ausgewählt.

Blattkäfer

Toxintest: Sterblichkeit (in %, + SD) der L1-Larven des Ampferblattkäfers nach sieben Tagen im Toxinbiotest, bezogen auf die pro Larve applizierte Toxinmenge in µg. Unterschiede zwischen Säulen mit demselben Buchstaben sind nicht signifikant

Blattkäfer

Sterblichkeit (in %, + SD) der L2-Larven des Ampferblattkäfers nach sieben Tagen im Toxinbiotest, bezogen auf die pro Larve applizierte Toxinmenge in µg. Unterschiede zwischen Säulen mit demselben Buchstaben sind nicht signifikant

Blattkäfer

Pollentest: Sterblichkeit (in %, ± SE) der L1-Larven des Ampferblattkäfers nach sieben Tagen im Pollenbiotest mit tief gefrorenen Pollen von Feldproben. Unterschiede zwischen Säulen mit demselben Buchstaben sind nicht signifikant

Toxin-Biotest

Sowohl Larven des Ampferblattkäfers (L1-L3), des Kartoffelkäfers (L1-L2) als auch L1-Larven des Meerrettichblattkäfers sind gegenüber dem reinen Cry3Bb1-Toxin auf ihren Futterpflanzen empfindlich. Sie wiesen eine signifikant erhöhte Sterblichkeit, eine signifikant verringerte Gewichtszunahme sowie im Falle des Ampferblattkäfers eine signifikant geringere Verpuppungsrate auf.

Von Johanniskrautblattkäfern konnten nicht ausreichend Tiere in den Biotest eingesetzt werden. Die Ergebnisse waren daher nicht eindeutig auswertbar.

Für die L1-Larven der Ampferblattkäfer, der Merrettichblattkäfer und der Kartoffelkäfer wurden LD50- und LD90-Werte bestimmt. Dabei zeigten die Larven des Merrettichblattkäfers die geringste Empfindlichkeit (0,3 µg Toxin pro Larve), gefolgt von denen des Ampferblattkäfers (0,03 µg Toxin pro Larve). Die Larven des Kartoffelkäfers wiesen mit 0,018 µg Toxin pro Larve die größte Empfindlichkeit auf.

Weder beim Maiszünsler noch bei der Kohlmotte gab es signifikante Unterschiede mit und ohne Bt-Toxin. Beim Maiszünsler war die Sterblichkeit leicht, aber nicht signifikant, erhöht.

Pollenbiotest

Es wurde ein Biotest zur Verfütterung von Maispollen an Blattkäferlarven etabliert. Nach Fütterung hoher Dosen isogenen bzw. transgenen Maispollens (470 bzw. 750 Pollenkörner pro Larve) konnte kein Bt-Effekt auf die Sterblichkeit, die Gewichtszunahme bzw. die Verpuppungsrate beobachtet werden. Zwischen den beiden Pollenvarianten (frisch und tiefgefroren) bestand kein signifikanter Unterschied.

In den Versuchsvarianten mit Pollen war insbesondere bei den L1-Larven des Ampferblattkäfers die Sterblichkeit signifikant höher, die Gewichtszunahme und die Verpuppungsrate signifikant geringer als bei der Kontrolle ohne Pollen. Pollen scheint per se die Nahrungsverwertung zu erschweren oder ist belastet durch Pilze und andere Mokroorganismen.

Basierend auf Angaben der Firma Monsanto hinsichtlich des Toxingehalts im Pollen ließ sich berechnen, dass ein einzelnes Pollenkorn der transgenen Linie Mon88017 zwischen 2,72 und 4,94 x 10-6 Mikrogramm Cry3Bb1-Toxin enthält. Dies bedeutet für einen mittleren Wert von 3,45 x 10-6 Mikrogramm, dass Ampferblattkäferlarven (L1) 8.696 Pollenkörner aufnehmen müssen, damit der für diese Art ermittelte LD50-Wert erreicht wird. L2-Larven des Ampferblattkäfers müssten sogar 74.493 und L1-Larven des Meerrettichblattkäfers 85.797 Pollenkörner aufnehmen.

Gemessen an der Fraßmenge und der zu erwartenden Pollendichte auf den Nahrungspflanzen, erscheint es unwahrscheinlich, dass die Larven der drei getesteten Blattkäferarten unter natürlichen Bedingungen eine entsprechende Pollenmenge aufnehmen können.

Untersuchungen zur chronischen Toxizität und möglichen subletalen Effekten von Cry3Bb1

Infolge einer kontinuierlichen Toxinaufnahme durch die Larven des Ampferblattkäfers zeigte sich keine Erhöhung der Sterblichkeit sowie keine zeitliche Veränderung des Verpuppungsbeginns, der Dauer der Puppenruhe oder eine Verringerung der Eiablage. Das Geschlechterverhältnis war ausgeglichen. Das Gewicht der Larven war in der Cry3Bb1-Variante höher als in der Kontrolle. Diese Differenz war jedoch statistisch nicht signifikant und könnte auf abweichenden Anfangsgewichten beruhen. Das Puppen- und Adultgewicht beider Varianten war nahezu identisch. Die mittlere Lebensdauer der Weibchen war in der Kontrollgruppe geringfügig höher als in der Toxinvariante. Die durchschnittliche Lebensspanne der Männchen war in beiden Varianten fast gleich.

Risikoanalyse

Die Risikoanalyse mit dem Charakter eines worst case scenario zeigte 37 Blattkäferarten auf, für die eine Gefährdung durch den Anbau von Mais der Linie MON88017 nicht ausgeschlossen werden kann. Diese Arten wurden drei verschiedenen Risikogruppen zugeordnet (hohes, mittleres bzw. geringes, potenzielles Risiko: 12, 21 bzw. 4 Spezies). Die vorgenommene Risikobewertung kann jedoch nur eine grobe Einschätzung der Gefährdungslage vornehmen. Für konkretere Aussagen und eine genauere Analyse fehlen die erforderlichen Basisdaten. Insbesondere müssten für weitere Blattkäferarten entsprechende Laboruntersuchungen durchgeführt werden. Nach bisherigem Kenntnisstand erscheint es lediglich unwahrscheinlich, dass Larven der im Labor untersuchten Blattkäferarten bei der Nahrungsaufnahme über den Pollen eine ausreichende Toxinmenge aufnehmen können, die eine akute Sterblichkeit zur Folge hätte. Auch lieferten die Ergebnisse dieses Projekts keine Hinweise auf eine mögliche chronische Toxizität oder subletale Effekte von Cry3Bb1 auf die getesteten Arten.

Blattkäfer

Szenarien für die Aufnahme von Bt-Toxin durch Blattkäfer