Überdauerungspotenzial Cyanophycin-produzierender Kartoffeln

(2008 – 2011) Universität Rostock, Institut für Landnutzung (ILN)

Thema

Cyanophycin ist ein Biopolymer, das als Ersatz für das biologisch nicht abbaubare Polyacrylat für verschiedene industrielle Anwendungen genutzt werden kann. Für die Cyanophycin-Synthese können gentechnisch veränderte Kartoffeln, die ganz normal auf dem Feld angebaut werden, eingesetzt werden.

In dem vorliegenden Projekt wurde untersucht, ob diese gentechnisch veränderten Kartoffelknollen durch die zusätzliche Eigenschaft der Cyanophycinproduktion möglicherweise besser überwintern können als konventionelle Knollen und dadurch eher in den Folgekulturen auftauchen.

Bei unveränderter Frostresistenz der Cyanophycin produzierenden Kartoffeln sollte weiter geklärt werden, ob die Verrottung der Ausfallkartoffeln ohne Beeinträchtigung des Ackerbodens abläuft, da Cyanophycin eine Substanz ist, die in natürlichen Böden nur selten vorkommt.

Folgende Fragestellungen wurden untersucht:

  • Welche der bereits transformierten Kartoffelpflanzen, die Cyanophycin produzieren, sind am besten für die Freisetzung geeignet?
  • Führt die Veränderung der Inhaltsstoffe der transgenen Kartoffeln zu einer höheren Frostresistenz?
  • Hat die Veränderung der Inhaltsstoffe der transgenen Kartoffeln veränderte Verrottungsprozesse zur Folge, die den Ackerboden beeinträchtigen könnten (z.B. durch eine Veränderung des pH-Werts)?

Zusammenfassung

Es zeigte sich, dass bei allen drei Überwinterungen die Kartoffeln mit den höchsten Cyanophycin-Gehalten am frostanfälligsten waren. Die transgenen Cyanophycin produzierenden Kartoffeln überdauerten insgesamt schlechter als ihre konventionelle Ausgangssorte.

Die Vermutung, dass Zucker von Pflanzen als „Frostschutzmittel“ eingesetzt werden, hat sich nicht bestätigt. Der Zuckergehalt schwankte im Vergleich zur nicht-transgenen Ausgangssorte Albatros sehr stark, so dass kein Trend zu erkennen war. Die Schwankungen zwischen transgenen Kartoffeln und Kartoffeln der nicht-transgenen Ausgangssorte Albatros waren jedoch deutlich niedriger als die Schwankungen zwischen Albatros und der konventionellen Vergleichssorte Désirée.

Auch Phenolgehalt und Aktivität des Enzyms Peroxidase hatten keinen erkennbaren Einfluss auf Überwinterung und Verrottung der Kartoffelknollen. Die Sorten mit dem höchsten Phenolgehalt waren auch am empfindlichsten bezogen auf Frostschäden.

Versuchsbeschreibung

Identifizierung und Charakterisierung geeigneter Kartoffelpflanzen

Für die Freisetzung wurden Kartoffelpflanzen benötigt, die das Fremdgen in möglichst geringer Kopienzahl und mit nur einem Integrationsort tragen.

Gentechnisch veränderte Kartoffeln auf dem Versuchsfeld

Für die Verrottungsversuche werden auf dem Versuchsfeld Kartoffelknollen vergraben

Zur Überwinterung wurden Kartoffelknollen in großmaschige Säcke eingenäht und vergraben. Bodenorganismen wie z.B. Regenwürmer konnten mühelos die Maschen (Maschenweite 10 mmm) passieren.

Die ausgewählten Pflanzen wurden im Gewächshaus über zwei Generationen angezogen, um zum einen ihre Eigenschaften mit denen der isogenen Sorte zu vergleichen und zum anderen die Merkmalsstabilität zu überprüfen. Dazu wurden das Wachstumsverhalten der Kartoffelpflanzen sowie Phänotyp, Größe und Gewicht ihrer Knollen erfasst und der Cyanophycin- und Stärkegehalt der Knollen bestimmt.

Frostresistenz und Verrottung der gentechnisch veränderten Kartoffeln

In jedem Versuchsjahr wurden nach der Ernte Kartoffeln an bis zu zwei unterschiedlichen Standorten in maximal zwei unterschiedlichen Tiefen (10 cm und 30 cm) vergraben. Parallel wurden Temperaturfühler in die gleichen Bodentiefen eingegraben und die Temperatur in bestimmten Intervallen gemessen. Während der Überwinterungsdauer von ca. sechs Monaten wurden zu fünf Zeitpunkten von jedem Versuchspunkt 16 Knollen ausgegraben und Bodenproben genommen, die anschließend im Labor untersucht wurden. Die Kartoffeln wurden nach jeder Probennahme nach einem Boniturschema von 0 (keine Schäden) bis 5 (Frostschäden, die ein Auskeimen nicht mehr möglich machen) beurteilt.

Änderungen im Zuckergehalt. Da die Anreicherung des Polypeptids Cyanophycin in den Kohlenhydratstoffwechsel der Kartoffeln eingreift - die Speicherung von Cyanophycin geschieht teilweise auf Kosten der Speicherung von Kohlenhydraten - enthalten die Knollen der gentechnisch veränderten Kartoffelpflanzen möglicherweise mehr kurzkettige Zucker als die der konventionellen Kartoffeln. Dadurch könnte der Gefrierpunkt der interzellulären Flüssigkeit und/oder des Cytoplasmas niedriger sein und sich somit die Frostresistenz der gentechnisch veränderten Kartoffeln erhöhen. Deshalb wurden die löslichen Zucker in diesen unterschiedlichen „Zellkompartimenten“ untersucht.

Phenolgehalt und Aktivität des Enzyms Peroxidase. Phenolische Verbindungen haben eine Schutzfunktion gegen Kälte und könnten somit auch die Frostresistenz erhöhen. Im Zusammenspiel mit dem Enzym Peroxidase schützen sie weiterhin die Pflanze vor Pilzbefall. Dies könnte die Stabilität der Zellwände erhöhen und damit den Abbau durch Mikroorganismen bzw. die Verrottungsgeschwindigkeit beeinflussen. Lösliche phenolische Verbindungen sowie die Aktivität des Enzyms Peroxidase wurden ebenfalls im Zellinnern (intrazellulär) sowie zwischen den Zellen (interzellulär) untersucht, die Peroxidaseaktivität zusätzlich an den Zellwänden (zellwandgebunden).

Ergebnisse

Identifizierung und Charakterisierung geeigneter Kartoffelpflanzen

Es wurden vier verschiedene transgene Kartoffelpflanzen für die Vergrabungsexperimente ausgewählt. Zwei dieser Pflanzen (Events pPsbY-cphATe 12 und 23) bilden Cyanophycin mit einem Maximum von einem Prozent, die beiden anderen (Events B33-pPsbY-cphATe 16 und 39) bilden Cyanophycin nur in den Knollen mit einem Maximum von acht Prozent des Trockengewichts. Zum Vergleich wurden die nah-isogene Ausgangssorte Albatros sowie die konventionelle Vergleichssorte Desireé eingesetzt. Als zusätzliche Kontrolle diente eine transgene Variante, in die nur das Markergen übertragen wurde.

Die transgenen Pflanzen zeigten im Gewächshaus nur geringe Unterschiede in Bezug auf Phänotyp, Größe und Gewicht im Vergleich zu der nicht-transgenen Ausgangssorte Albatros.

Peroxidase-Aktivität

Aktivität des Enzyms Peroxidase:
Die Werte der isogenen Sorte Albatros wurden als Orientierungslinie auf 0 gesetzt (rot), die konventionelle Vergleichssorte Desirée ist grün dargestellt. Das entstehende Intervall zeigt an, in welchem Rahmen Unterschiede zwischen Sorten auftreten. Die transgenen Events (schwarz) lagen innerhalb dieses Rahmens.

Frostresistenz und Verrottung der gentechnisch veränderten Kartoffeln

Jede der im Versuch eingesetzten Kartoffelsorten wurde mindestens während zwei Überwinterungen getestet. Eine der transgenen Kartoffeln (Event 12) sowie die isogene Ausgangssorte Albatros waren in allen drei Jahren im Versuch. Die Boniturdaten zeigten, dass bei allen drei Überwinterungen die Kartoffeln mit den höchsten Cyanophycin-Gehalten am frostanfälligsten waren. Die transgenen Cyanophycin produzierenden Kartoffeln überdauerten insgesamt schlechter als die Ausgangssorte.

Cyanophycin-Gehalt während der Überwinterung. Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass der Cyanophycin-Gehalt in den Kartoffelknollen stabil bleibt, solange die Kartoffeln nicht erfroren sind. Sobald die Knollen erfrieren, nimmt der Gehalt an Cyanophycin ab. Diese Abnahme deutet einen mikrobiellen Abbau an, so dass der Anbau der Kartoffeln nicht zu einer Anreicherung im Boden führt. Es war kein signifikanter Unterschied im Bewuchs mit Bodenmikroorganismen zwischen transgenen Kartoffeln und konventioneller Ausgangssorte erkennbar.

Änderung der pH-Werte während der Überwinterung. der pH-Wert der Interzellularflüssigkeit gibt den Zustand des Gewebes wieder. Normalerweise liegt der pH-Wert von Kartoffeln etwa bei 6.5. Die pH-Werte unterschieden sich nicht signifikant. Nur die pH-Werte der transgenen Kartoffeln 16 und 39, die am frostanfälligsten waren, zeigten außergewöhnlich niedrige pH-Werte, was möglicherweise ein Indiz für erfrorenes Gewebe ist.

Änderungen im Zuckergehalt. Der Zuckergehalt sowohl im Zellinnern als auch in der Intrazellularflüssigkeit schwankte sehr stark, so dass kein für alle drei Überwinterungen gültiger Trend erkennbar war. Die Vermutung, dass Zucker von Pflanzen als „Frostschutzmittel“ eingesetzt werden, hat sich nicht bestätigt.

Phenolgehalt und Aktivität des Enzyms Peroxidase. Bei den phenolischen Verbindungen war kein genereller Trend in Bezug auf die Überwinterung zu erkennen. Hohe Mengen an löslichen Phenolen waren aber eher ein Zeichen für Frostanfälligkeit als für erhöhte Frostresistenz. Zur besseren Auswertung wurden die Werte der Sorte Albatros auf hundert Prozent gesetzt und die Werte der Vergleichsorte Désirée relativ dazu gerechnet. Dadurch ergibt sich ein Intervall, das den Unterschied zwischen zwei Sorten beschreibt. Alle transgenen Events lagen mit den ermittelten Werten in diesem Intervall. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass der Unterschied zwischen zwei Sorten größer ist, als der Unterschied zwischen den transgenen Events und ihrer isogenen Ausgangssorte Albatros.

Auch für die Aktivität des Enzyms Peroxidase ließ sich kein genereller Trend während der Überwinterung von Kartoffelknollen ableiten. Das änderte sich auch nicht bei der sehr aufwändigen Fraktionierung in interzelluläre, intrazelluläre und Zellwand-gebundene Enzymaktivität.