Auswirkungen von Bt-Mais auf Trauermückenlarven als Zersetzer

(2001 – 2004) Biologische Bundesanstalt für Land und Forstwirtschaft (BBA) (seit 2008 Julius Kühn-Institut (JKI)), Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland; Braunschweig

Thema

Das Projekt bezieht sich auf die möglichen Wirkungen von Pflanzenteilen gentechnisch veränderter Maispflanzen, die das Bacillus thuringiensis (Bt)-Toxin (Cry1AB) produzieren. Das Toxin wirkt in den Maispflanzen als Fraßschutz gegen den Schädling Maiszünsler. Es wurde der Frage nachgegangen, inwieweit auch andere Insekten, speziell die im Boden lebenden Zersetzer (saprophage Dipteren), durch das Toxin geschädigt werden.

In diesem Projekt wurden insbesondere Trauermücken betrachtet, deren Larven als bodenbewohnende „Verwerter“ von abgestorbenem Pflanzenmaterial eine wichtige Rolle im Stoffkreislauf des Ökosystems Acker spielen.

Zentrale Fragen sind:

  • Werden Trauermückenlarven durch die Aufnahme von Bt-Toxin-haltigen Pflanzenteilen der Maispflanzen beeinträchtigt?
  • Könnte es eine Reaktion der Lebensgemeinschaft im Boden und damit eine Veränderung der Bodenfruchtbarkeit durch Störung der Stoffkreisläufe geben?

Zusammenfassung

Die häufigsten Gruppen der zweiflügeligen Insekten (Dipteren) waren die Gallmücken, die Trauermücken und die Buckelfliegen.

Für drei der im Freiland untersuchten Parameter war im Verlauf der drei Untersuchungsjahre eine Trendumkehr zu bemerken. In der Bt-Variante fand sich zunächst die größte Artenvielfalt, die höchste Schlupfrate und die höchste Zersetzungsleistung. In den Folgejahren setzte sich die Bevorzugung der Bt-Variante jedoch nicht fort.

Im Labor konnte bei Fütterung der Trauermückenart Lycoriella castanescens mit Maisstreu von Bt-Mon810 Novelis sowie von seiner isogenen Ausgangssorte mit Insektizidbehandlung eine längere Zeitspanne bis zur Verpuppung beobachtet werden, als bei Fütterung mit Maisstreu der anderen Maisvarianten.

Bei Versuchen, in denen mit Mon810 Bt-Maisstreu aufgezogene Trauermückenlarven an Larven räuberischer Käferarten verfüttert wurden, konnte der Effekt der Entwicklungsverzögerung ebenfalls nachgewiesen werden.

Bt176 zeigte diesen Effekt nicht, obwohl bei dieser Sorte der Toxin-Gehalt um das Dreißigfache höher lag als bei Mon810.

Versuchsbeschreibung

Photoeklektor

Bodenfotoeklektor zur Erfassung der Artenzusammensetzung der Zweiflügler auf dem Versuchsfeld

Foto: M.Musche

Köderstreifen

Minicontainer

Köderstreifen und Minicontainer werden zur Untersuchung der Abbauraten im und auf dem Boden eingesetzt. Hierzu werden sie mit Ködermasse oder mit Pflanzenstreu gefüllt.

Fotos: A.Müller

Die Versuche wurden im Freiland, im Gewächshaus und im Labor durchgeführt.

Freiland

Die Freiland-Untersuchungen erfolgten parallel auf einzelnen Parzellen des Versuchsfeldes, die mit einer Bt-Mais Sorte bzw. mit der zu dieser Sorte isogenen Sorte (einmal mit und einmal ohne Insektizidbehandlung) bestellt wurden. Weiterhin wurde auf dem Feld eine weitere konventionelle Maissorte angebaut, die mit einem Insektizid gegen den Maiszünsler behandelt wurde.

Artenzusammensetzung. Um die verschiedenen Zersetzer-Arten im Freiland zu erfassen, wurden die Tiere in den jeweiligen Versuchsparzellen mit Fotoeklektoren gefangen, die - außer im Winter - alle vier Wochen an eine andere Stelle in der jeweiligen Parzelle gesetzt wurden. Bei diesem Fallentyp gelangen geschlüpfte Insekten - durch das Licht angelockt - in einen mit Fangflüssigkeit gefüllten durchsichtigen Behälter. Die Artenzusammensetzung und das Vorkommen der verschiedenen Arten können auf diese Weise regelmäßig analysiert werden. Veränderungen der Lebensgemeinschaft lassen sich somit auch über einen längeren Zeitraum gut nachweisen.

Fraßverhalten und Zersetzungsaktivität. Um das Fraßverhalten und die Zersetzungsaktivität der Bodenbewohner besser analysieren zu können, wurden Ausschnitte des Bodens mit so genannten „Köderstreifen“ und „Minicontainern“ untersucht. Die Köderstreifen enthielten eine definierte Ködermasse, die Minicontainer waren mit Maissubstrat der verschiedenen Anbauvarianten gefüllt. Beide Behältnisse wurden dann für eine bestimmte Zeit auf dem Versuchsfeld eingegraben. Anhand der gefressenen Menge der Ködermasse bzw. des Maissubstrates kann die unterschiedliche Abbauleistung auf Parzellen mit Bt-Mais und auf Parzellen mit herkömmlichem Mais verglichen werden.

Labor

Fraßversuche mit Trauermückenlarven. Ein weiterer Bestandteil des Projektes waren Laborexperimente zur direkten Wirkung des Bt-Toxins auf die Trauermückenlarven. Dazu wurden gezüchtete Larven über einen längeren Zeitraum mit Toxin-haltigem Pflanzenmaterial gefüttert. Anschließend wurde in Zusammenarbeit mit dem Projektpartner der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) der Toxingehalt der Larven mittels eines biochemischen Verfahrens (ELISA) kontrolliert. Mit diesem Verfahren kann das Bt-Toxin in den Trauermücken-Larven und deren Kot, sowie auch in anderen räuberischen Insekten, die die Trauermückenlarven gefressen haben, nachgewiesen werden.

Zusätzlich wurde in Kooperation mit dem Projektpartner des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz das Bt-Toxin auch mit biochemischen Methoden in den verschiedenen Stufen der Zersetzung der Pflanzenteile verfolgt.

Um unterschiedliche Reaktionen der Trauermückenlarven auf Bt-haltiges, nicht-Bt-haltiges und mit Insektizid behandeltes Pflanzenmaterial zu testen, wurden Fraßversuche durchgeführt: Pflanzenmaterial der unterschiedlichen Anbauvarianten wurde an Trauermückenlarven aus eigener Zucht verfüttert. Während dieser Laborversuche wurde die Entwicklung der Larven beobachtet und wichtige Faktoren wie Verpuppungsrate, Schlupfrate und die Sterberate der Trauermückenlarven ermittelt. Anhand dieser Faktoren lassen sich die Reaktionen der Trauermückenlarven auf das unterschiedliche Pflanzenmaterial beschreiben.

Ergebnisse

Freiland

Artenzusammensetzung. In der Vegetationsperiode 2001 wurden in den Versuchsparzellen mit Bt-Mais Novelis (Mon810) 25 Prozent mehr Arten der Zweiflügler (Dipteren) festgestellt als im isogenen Mais ohne Insektizidbehandlung. Diese Unterschiede waren allein auf die Zersetzer unter den Dipteren zurückzuführen. In der Brachephase nach der ersten Ernte (November bis April) wurden allerdings schon nicht mehr die höchsten Artenzahlen in den Mon810-Bt-Maisparzellen ermittelt und in der Vegetationsperiode 2002 wurden bereits zehn Prozent mehr Arten saprophager Dipteren in den Parzellen mit konventionellem Mais nachgewiesen.

Individuendichte. Die häufigsten Gruppen der zweiflügeligen Insekten (Dipteren) waren die Gallmücken mit 35 Prozent, die Trauermücken mit 29 Prozent und die Buckelfliegen mit 18 Prozent Anteil. Bei den Freiland-Fängen in den Versuchsparzellen mittels Fotoeklektoren konnten in der Vegetationsperiode 2001 (Mai – Oktober) zwar höhere Anteile der untersuchten Insektengruppen im Bt-Mais beobachtet werden, was aber nicht statistisch abgesichert werden konnte.

In dieser ersten Anbauperiode gab es allerdings auch fast keine Bt-Mais-Rückstände auf dem Feld. Erst nach der Ernte im Oktober, nachdem erstmals eine große Menge zu zersetzender Bt-Pflanzenreste in den Boden eingearbeitet war, wurden sehr viel (signifikant) mehr Schlüpfereignisse in den Mon810 Bt-Parzellen als in den Parzellen der anderen Varianten registriert. In der folgenden Vegetationsperiode (2002) setzte sich diese Bevorzugung der Bt-Variante nicht mehr fort, sondern sowohl bei den Fliegen als auch bei den Mücken waren keinerlei Unterschiede mehr bei den Individuendichten zwischen den Varianten zu erkennen.

Fraßverhalten und Zersetzungsaktivität. Die Ermittlung der Zersetzungsleistungen mit Mon810-Bt- und Nicht-Bt-Maisstreu in Minicontainern in den Freilandparzellen konnte erst im zweiten Jahr der Untersuchungen beginnen, da vorher noch keine Bt-Maisstreu vorlag und wurde folglich jeweils mit der Streu des Vorjahres durchgeführt.

Die Bevorzugung der Mon810-Bt-Maisstreu im ersten Jahr, die sich aus den Artenzahlen und Schlupfdichten ableitet, wird durch den Versuch mit Minicontainern bestätigt: Die Zersetzungsrate lag 2002 während der gesamten Expositionsperiode in den Mon810-Bt-Maisparzellen ca. fünf Prozent über der Zersetzungsrate in Parzellen mit isogenem Mais. Bei Ganzpflanzenanalysen nach VDLUFA-Verfahren ergaben sich aus dem Anteil schwerer zersetzbarer Komponenten wie Rohfasergehalt, Hemizellulose, Zellulose und Lignin Hinweise auf eine leichtere Zersetzbarkeit des Mon810 Bt-Maises im Vergleich zu anderen Maissorten.

Ungeachtet dessen wurde im Jahr 2003 (drittes Versuchsjahr) ein durchschnittlich sieben Prozent geringerer Streuabbau in den Mon810-Bt-Maisparzellen im Vergleich zu den Parzellen mit konventioneller Maisstreu registriert. Bemerkenswert ist, dass der Bt-Toxingehalt der 2003 in die Minicontainer eingewogenen Mon810-Bt-Maisstreu um etwa das 2,5fache höher lag als im Vorjahr. Ob die Unterschiede in der Artenzusammensetzung und im Abbauverhalten mit diesen Unterschieden zu begründen sind, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.

Trauermücke Lycoriella castanescens – Tage bis zur Verpuppung nach Fraß von Maisstreu verschiedener Maissorten

Räuberische Kurzflügelkäfer Atheta coriaria Zeitdauer bis zur Verpuppung der Larven

Räuberische Laufkäfer Poecilus cupreus – Zeitdauer bis zur Verpuppung der Larven

Räuberischer Kurzflügelkäfer Atheta coriaria – Anzahl gefressener Trauermückenlarven

Labor

Fraßversuche mit Trauermückenlarven. Es zeigte sich, dass einzelne Trauermückenarten unterschiedlich reagieren können. Die Empfindlichkeit der untersuchten Trauermückenart Bradysia difformis war während der Fraßversuche mit Bt-Mais-Pollen geringer als die der Trauermückenart Lycoriella castanescens. Während Bradysia difformis auf Ackerflächen kaum vorkommt, ist Lycoriella castanescens dort mit 20-30 Prozent der Individuen in der Regel die vorherrschende Trauermückenart, so auch auf unseren Maisflächen. Die zwei Arten reagierten sehr unterschiedlich auf die gleichen Bedingungen. Damit stellt sich die Frage nach den für ein Monitoring geeigneten Testorganismen.

Im Rahmen der Fraßversuche im Labor konnte bei Fütterung von Lycoriella castanescens mit Maisstreu von Bt-Mon810 Novelis sowie von seiner isogenen Ausgangssorte mit Insektizidbehandlung eine längere Zeitspanne bis zur Verpuppung beobachtet werden, als bei Fütterung mit Maisstreu der anderen Maisvarianten wie der BT176 Maissorte (Valmont), der isogenen Vergleichssorte Prelude und der konventionellen Sorte Eurostar.

Bei Versuchen, in denen mit Mon810 Bt-Maisstreu aufgezogene Trauermückenlarven an Larven räuberischer Käferarten verfüttert wurden, konnte der Effekt der Entwicklungsverzögerung ebenfalls nachgewiesen werden: Sowohl beim Kurzflügelkäfer Atheta coriaria als auch beim Laufkäfer Poecillus cupreus wurden mehr Tage bis zur Verpuppung gezählt, wenn die Beutetiere mit Mon810 Mais gefüttert worden waren.

Welche Faktoren zu der offenbar geringeren Nahrungsqualität der Mon810 Bt-Maisstreu für Lycoriella castanescens und ihre Prädatoren führen, kann hier noch nicht beurteilt werden.

Bei Fraßversuchen mit Maispollen konnten die Effekte im Zusammenhang mit der Fütterung von Lycoriella castanescens nur für eine der beiden im Test befindlichen Bt-Mais Sorten gefunden werden. Valmont (Bt176) zeigte den Effekt nicht, obwohl bei dieser Sorte der Toxingehalt mit 2962 ng/g Pollen um das Dreißigfache höher lag als bei Novelis (Mon810) mit 97 ng/g. Hieraus lässt sich folgern, dass es bei verschiedenen Bt-Mais-Sorten offenbar keinen Zusammenhang zwischen der beobachteten Wirkung und dem absoluten Toxin-Gehalt besteht.