Gentechnisch veränderte pilzresistente Weinreben – Mögliche Folgen für Nicht-Zielorganismen?

(2001 – 2005) Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Phytomedizin, Biotechnologischer Pflanzenschutz, Neustadt a. d. Wstr.

Thema

Weinreben werden von zahlreichen pilzlichen Schaderregern befallen. Mit Hilfe der Gentechnik ist es in den vergangenen Jahren gelungen, pilzresistenteRebenlinien zu erzeugen. Beispielsweise werden gentechnische Strategien verfolgt, die über die Bildung neuer Enzyme (z.B. Chitinase und Glukanasen) eine Auflösung der pilzlichen Zellwände bewirken oder die die Bildung bestimmter Proteine in Pilzen unterbinden. Alle Strategien führen zum Absterben der schädlichen Pilzerreger.

In einem seit 1999 bestehenden Freisetzungsexperiment der Bundesanstalt für Züchtungsforschung, Institut für Rebenzüchtung, werden gentechnisch veränderte Reben auf ihr Verhalten und ihre Resistenz gegenüber pilzlichen Erregern getestet.

Im vorliegenden Projekt sollten die transgenen Reben bzw. die rekombinant erzeugten Enzyme auf Nebenwirkungen (direkte und indirekte) gegenüber Nicht-Zielorganismen, insbesondere Insekten und ihren natürlichen Widersachern überprüft werden. Hier interessierten mögliche Effekte sowohl auf schädliche Rebinsekten wie den Traubenwickler (L. botrana), den Hauptschädling der Rebe, als auch auf bedeutende Nützlinge wie die Raubmilbe (T. pyri).

Interessant sind auch die direkten und indirekten Wirkungen auf natürlich vorkommende Insekten-Pathogene, die bei Pflanzenschutzmaßnahmen eingesetzt werden.

Insbesondere wurde untersucht, ob die im Weinbau schon seit langem und häufig eingesetzten Bacillus thuringiensis (Bt)-Präparate bei den untersuchten transgenen Weinreben erfolgreicher und damit sparsamer eingesetzt werden können, weil die Insekten durch ihren Fraß an den Chitinase produzierenden Weinreben bereits vorgeschädigt sind.

Zusammenfassung

Das Ziel dieses Projektes bestand in der Untersuchung des möglichen Einflusses transgen exprimierter Chitinase und Glucanase auf verschiedene Arthropoden. Hierzu wurden diese Enzyme im Baculovirus-Expressionsvektor-System hergestellt, biochemisch charakterisiert und in neu entwickelten Biotest-Systemen getestet.

Parallel hierzu wurden transgene Reblinien hinsichtlich der Expression dieser Enzyme untersucht.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in keiner der Untersuchungen ein direkter oder indirekter Effekt auf die untersuchten Arthropoden festgestellt werden konnte. In allen Versuchen verhielten sich die Testtiere wie die Kontrollgruppen. Die Modellversuche haben keinen Hinweis auf eine schädigende Wirkung dieser Enzyme auf Insekten und Raubmilben gezeigt.

Versuchsbeschreibung

Es fanden je nach Fragestellung Labor-, Gewächshaus- und Freilandversuche statt.

Es ist bekannt, dass Chitinasen, insbesondere dann, wenn sie in hohen Konzentrationen vorkommen, nicht nur auf pilzliche Zellwände eine auflösende Wirkung zeigen, sondern auch auf Chitinbestandteile bei Insekten. So ist der Mitteldarm der Insekten mit einer chitinhaltigen Schutzschicht, der sogenannten peritophen Envelope, ausgekleidet. Der zarte Mitteldarm erhält dadurch einen gewissen Schutz vor mechanischer Schädigung durch die Bewegung des Nahrungsbreis und vor Infektionen durch mikrobielle Insektenpathogene. Bereits geringe Chitinase-Konzentrationen können zu einer Perforation des Insektendarms und damit zu einer Schädigung bei Insektenlarven führen. Bei gleichzeitigem Einsatz von Bt-Präparaten (in der Praxis häufig eingesetzte biologische Pflanzenschutzmittel mit einem Wirkstoff aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis) zur Bekämpfung von Schadinsekten könnte sogar eine generell verstärkte Wirkung beobachtet werden.

Die Untersuchungen zu möglichen Auswirkungen der verschiedenen transgenen Pilzresistenzstrategien auf Nicht-Zielorganismen setzten auf unterschiedlichen Ebenen der „Nahrungskette“an.

Es wurde Folgendes untersucht:

  • Die direkte toxische Wirkung der rekombinant erzeugten Enzyme gegenüber Insekten
  • Ihre Wirkung auf spezielle Insekten-Pathogene wie bestimmte Pilze
  • Die zusammenwirkenden Effekte der gentechnisch erzeugten Enzyme in Kombination mit Bt-Präparaten und Baculoviren.

Enzym-Expression

Um die Wirkung der Enzyme Chitinase (CHI) und 1,3-Glukkanase (GLU) testen zu können, wurden die entsprechenden Gene in Baculoviren eingeführt (kloniert) und in Insektenzellen zur Expression gebracht. Durch dieses Vorgehen konnten größere Mengen von aktiven Enzymen gewonnen werden. Anschließend wurden die Enzyme biochemisch charakterisiert.

Fütterungsversuche

Unter Laborbedingungen wurden Fütterungsversuche durchgeführt. Dabei wurden die hergestellten Enzyme CHI und GLU direkt an Insektenlarven verfüttert und die Sterberate bzw. Entwicklung der Larven bestimmt.

Untersuchung der Expression der Transgene

Um vergleichende Aussagen mit den in Labor- und Gewächshausexperimenten erzielten Ergebnissen zu ermöglichen, wurde der saisonale Verlauf der Expression der Transgene unter Freilandbedingungen bestimmt. Hierzu wurde ein quantitativer Western-Blot entwickelt.

Ergebnisse

Fütterungsversuche im Labor

Die Toxizität der rekombinant hergestellten Enzyme Chitinase und Glucanase wurden bei folgenden Arthropoden getestet: den Hauptschädlingen der Rebe, dem Traubenwickler (L. botrana), dem Apfelwickler (C. pomonella) und der Kohleule (M. brassicae), sowie dem Nützling, der Raubmilbe (T. pyri). Den zu testenden Insekten wurden unterschiedlich hohe Konzentrationen der jeweiligen Enzyme bzw. Enzymkombinationen in der Nahrung angeboten, anschließend wurde die Sterberate, die Entwicklungsgeschwindigkeit und die Gewichtszunahme bestimmt. Zwischen den behandelten Versuchstieren und den Kontrollgruppen konnten keine Unterschiede festgestellt werden. Dies deutet darauf hin, dass die Exposition gegenüber Chitinase und Glucanase keinen direkten Effekt auf die untersuchten Arthropoden hat.

Fütterungsversuche. Die gentechnisch veränderten Weinreben produzieren u.a. Chitinase, das ist ein Enzym, das die Zellwand von Pilzen auflösen kann. Um zu testen in welchem Maße das Enzym auch die Darmhülle von Insekten angreift, werden Larven des

Larven des Traubenwicklers werden mit dosierten Mengen von Chitinase in Tröpfchenform gefüttert.

Links: Raubmilbe die Wasser getrunken hat. Rechts: Raubmilbe die von einer blau gefärbten Enzymlösung getrunken hat.

Myzelwachstum von Beauveria bassiana auf Kontrollmedium (links) und in Medium mit Chitinase und Glucanase (rechts).

Bioassay zur Bestimmung der potenziell synergistischen Wirkung zwischen B. thuringiensis (Xentari) und den rekombinanten Enzymen Chitinase und Glukanase

Junge gentechnisch veränderte Reben im Gewächshaus Die gentechnisch veränderten Reben produzieren Enzyme, die die Zellwände von Pilzen angreifen. Auf diese Weise sollen sich die Pflanzen besser vor Pilzerkrankungen wie etwa dem weit verbreitete

Gentechnisch veränderte Reben im Gewächshaus

Schädlinge. In zweiwöchigen Biotests hatte die Verabreichung von Chitinase und Glucanase keinen messbaren Effekt auf die Vitalität der untersuchten Larven des Traubenwicklers, Apfelwicklers und der Kohleule.

Nützlinge. Um sicherzustellen, dass die Raubmilben auch die Enzymlösung aufnehmen, wurde diese mit blauer Lebensmittelfarbe versetzt. Auf diese Weise konnten diejenigen Milben aussortiert werden, die keine Enzymlösung aufgenommen hatten. Alle Untersuchungen zeigten keinen direkten Einfluss der rekombinant erzeugten Enzyme auf die Raubmilben.

Zusammenwirken von rekombinanten Enzymen und Insektenpathogenen

Um zu untersuchen, inwiefern die transgen exprimierten Enzyme mit insektenpathogenen zusammenwirken, wurde einerseits deren Wirkung auf insektenpathogene Pilze und deren potenzielle synergistische Wirkung mit Bacillus thuringiensis und einem Baculovirus untersucht.

Insektenpathogene Pilze. Untersuchungen zur Wirkung von Chitinase und Glucanase auf die Keimfähigkeit und das Wachstum verschiedener Arten insektenpathogener Pilze zeigten keinen Unterschied zwischen den Testgruppen und den Kontrollen. Ein Effekt auf insektenpathogene Pilze konnte nicht festgestellt werden.

Synergie mit B. thuringiensis und Baculoviren. Um zu untersuchen, ob es ein Zusammenwirken der Enzyme Chitinase und Glucanase mit B. thuringiensis und Baculoviren gibt, wurde die mittlere Lethalkonzentration dieser Pathogene für L2-Larven von M. brassicae bestimmt. Anschließend wurden Fütterungsversuche mit Kombinationen dieser Pathogene und den transgen exprimierten Enzymen durchgeführt und die Lethalkonzentration erneut bestimmt. Bei diesen Versuchen wurde kein Unterschied zwischen den Versuchsgliedern, in denen Enzyme und Pathogene verabreicht wurden, und den Kontrollgruppen, in denen nur die Pathogene appliziert wurden, gefunden. Ein synergistischer Effekt konnte somit nicht nachgewiesen werden.

Untersuchung Expression der Transgene

Zur Bestimmung der Expressionshöhe von Chitinase und Glucanase in den transgenen Reben wurde ein quantitativer Western-Blot entwickelt. Dies geschah mit Hilfe spezifischer Antikörper gegen beide Enzyme. Dadurch konnte die Expressionshöhe der Transgene im Freiland während der Wachstumssaison ermittelt werden.