Ökologische Untersuchungen zu möglichen Umweltrisiken gentechnisch veränderter virusresistenter Zuckerrüben (Themenschwerpunkt: Analyse des Genflusses zwischen Kultur-, Wild- und Unkrautrüben)

(1992 – 2000) RWTH Aachen; Lehrstuhl für Biologie V

Thema

In drei aufeinander folgenden Projekten wurde untersucht, ob sich gentechnisch veränderte Zuckerrüben mit einer Resistenz gegen die von Viren ausgelöste Rizomania-(Krankheit) in der Umwelt anders verhalten als konventionelle Rüben.

Dabei ging es um drei Themenschwerpunkte.

Themenschwerpunkt (3): Analyse des Genflusses zwischen Kultur-, Wild- und Unkrautrüben

Sollte es zu einem Anbau gentechnisch veränderter Zuckerrüben kommen, ist ein Genaustausch zwischen ihnen und den kreuzbaren Verwandten zu erwarten.

Um die Folgen eines solchen vertikalen Gentransfers zwischen Kultur- und Wildrübenpopulationen besser abschätzen zu können, wurde der unter natürlichen Bedingungen stattfindende Genfluss zwischen Wild-, Kultur- und Unkrautrüben näher untersucht.

  • Zum einen sollte die Biodiversität von natürlichen Wildrübenpopulationen in der Nähe von Saatgutproduktionsgebieten erfasst werden.
  • Zum anderen sollte eine künstliche Wildrübenpopulation in einem Saatgutproduktionsgebiet angesiedelt werden, damit dort später Versuche zur Einbürgerung und Ausbreitung mit transgenen Pflanzen durchgeführt werden können.

Anders als beim landwirtschaftlichen Anbau werden bei der Saatguterzeugung Zuckerrüben zum Blühen gebracht.

Zusammenfassung

  • Es muss mit einem Genaustausch zwischen transgenen Zuckerrüben und kreuzbaren Verwandten gerechnet werden. Untersuchungen in Norditalien zeigten eine sehr hohe genetische Vielfalt in Wildrübenpopulationen.
  • Eine abschließende Beurteilung für die ökologischen Auswirkungen eines Genflusses der transgenen Eigenschaften in Wildrübenhabitaten kann anhand dieser Daten nicht getroffen werden.
  • Ein Genfluss von Kultur- auf Wildrüben muss nicht notwendigerweise zu einer Verringerung der genetischen Diversität führen.

Versuchsbeschreibung

Um den Genfluss innerhalb der Art Beta vulgaris näher zu untersuchen, wurden verschiedene Wild-, Unkraut und Kulturrübenpopulationen in Europa untersucht.

Über genetische Analysen können Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Pflanzen bzw. Populationen bestimmt werden. Darüber sind Rückschlüsse auf den Genfluss möglich.

Genfluss zwischen Wil-, Unkraut- und Kulturformen der Zuckerrübe

Schematische Übersicht über den Genfluss zwischen Wild-, Unkraut- und Kulturformen der Zuckerrübe. (nach Bartsch/Schuphan)

Ergebnisse

Genfluss zwischen Wild- und Kulturrüben

Um den Genfluss zwischen Kultur- und Wildrübenpopulationen nachvollziehen zu können, wurden Verwandtschaftsbeziehungen einzelner Pflanzen untersucht. Dieses ist mit speziellen Nachweisverfahren (PCR, Isoenzym-Analyse u.a.) möglich.

Schwerpunkt für die Wildrüben bildeten neue Funde an der deutschen Ostseeküste sowie an der italienischen Adriaküste. Untersucht wurden 26 Kulturrübenfunde, 20 Wildrübenfunde aus Saatgutproduktionsgebieten und 19 Wildrübenfunde aus von Saatguterzeugung unbeeinflussten Gegenden Europas.

  • Die Wildrübenpopulationen an der Ostseeküste nehmen sowohl hinsichtlich Verbreitung als auch Größe zu. Es konnte gezeigt werden, dass die deutschen Wildrüben von dänischen Wildpopulationen abstammen.
  • Die Diversität innerhalb einer Population war bei den italienischen Wildpopulationen sehr hoch. Die Population aus Helgoland war viel homogener. Die Kulturlinien waren wie erwartet sehr homogen.
  • Es konnte ein Zuckerrüben-spezifisches Gen gefunden werden, mit dem ein Gentransfer von Kultur- auf Wildrüben zu identifizieren ist. Ein weiteres Gen kommt wesentlich mehr in Mangold/Rote Beete als in Zuckerrüben vor. Beide Gene sind selten in Wildrübenpopulationen, die fern von Saatgutproduktionsgebieten wachsen, aber sie sind häufig in Wildpopulationen aus Regionen mit Saatgutproduktion. Diese Befunde lassen den Schluss zu, dass Genfluss stattfindet, wenn Kultur- und Wildrüben nahe zusammen wachsen.
  • Interessanterweise ist die genetische Vielfalt der Wildpopulation in Nähe von Kulturrüben höher im Vergleich zu isolierten Populationen.

Untersuchung von Schossern

Es wurden Rübenschosser von Flächen im Po-Delta (Italien) und im Rheinland als typische Zuckerrübenanbaugebiete Europas untersucht. Die in Zuckerrübenanbaugebieten Europas gefundenen Rübenschosser sind Unkrautrüben mit einjährigem Lebenszyklus. Es ist von einer flächendeckenden „Durchseuchung“ mit diesen unerwünschten Formen der Beta-Rübe auszugehen.

Es wurde gezeigt, dass die Unkrautrüben näher mit den Kulturrüben verwandt sind als mit den Wildrüben.

Die Einjährigkeit bzw. die Schosserneigung stammt zwar aus Wildrüben, ein stärkerer Genfluss findet jedoch innerhalb des Agrarökosystems zwischen Kultur- und Unkrautrüben statt. (vgl. Abb. oben)