Ausbreitung nicht-einheimischer Gehölzarten als Modell für die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen

(1989 – 1992) Technische Universität Berlin, Institut für Ökologie, Berlin

Thema

Zeitlich begrenzte Freisetzungsexperimente können nur wenig Erkenntnisse über Ausbreitung und langfristige Folgen gentechnisch veränderter Pflanzen liefern. Untersuchungen zur Einführung und Ausbreitung nicht-einheimischer Gehölzarten sollten daher im vorliegenden Projekt als Modell für die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen dienen.

Zielsetzung war die Erfassung der nicht-einheimischen eingeführten Gehölzarten, die sich im Gebiet Berlin und Brandenburg ausbreiten konnten. Aus den Ergebnissen sollten mögliche ökologische Folgen einer Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen abgeleitet werden.

Zusammenfassung

Für die untersuchten Gehölzarten wurde nachgewiesen, dass sehr lange Zeiträume nach der ersten Ausbringung vergehen, bevor mit etwaigen unerwünschten Folgen zu rechnen ist. Dieser Zeitraum umfasste je nach eingeführter Pflanzenart 8 bis 400 Jahre.

Es wird davon ausgegangen, dass seit frühgeschichtlicher Zeit mindestens 12 000 Arten von Zier- und Nutzpflanzen nach Mitteleuropa eingeführt oder als Transportbegleiter, Vogelfutter u.a. eingeschleppt wurden.

Die Auswertung historischer und aktueller Literatur seit dem 17. Jahrhundert erbrachte Nachweise für insgesamt 3150 nach Deutschland eingeführte Gehölzarten. Ungefähr sieben Prozent dieser Arten konnten sich in den Gebieten Berlin und Brandenburg spontan vermehren. Zwei Prozent etablierten sich dauerhaft. Die erfolgreichste Art war die nordamerikanische Robinie (Robinia pseudoacacia). Einige Arten können nachhaltige Veränderungen auf der Ebene von Flora, Populationen, Lebensgemeinschaften und Ökosystemen bewirken.

Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der historischen Dimension, in der sich Ausbreitungsprozesse vollziehen und die Tatsache, dass die jeweiligen Eigenschaften einer Art, wie ihre Konkurrenzstärke, die Ausbreitung und Etablierung bestimmen. Dies gilt für nicht-einheimische wie für gentechnisch veränderte Pflanzen.

Versuchsbeschreibung

Die Einführungs- und Ausbreitungsgeschichte nicht-einheimischer Gehölzpflanzen (Zwergsträucher, Sträucher, holzige Kletterpflanzen und Bäume) wurden anhand floristischer Literatur ab dem 17. Jahrhundert für das Gebiet Berlin und Brandenburg analysiert. Es wurde bestimmt, welche der nicht-einheimischen, freigesetzten Arten sich etablieren konnten, und welche Aspekte für den Erfolg bzw. Misserfolg der spontanen Vermehrung verantwortlich waren.

Die Zeitspanne zwischen Einführung einer Art und ihrer spontanen Ausbreitung wurde ermittelt und Veränderungen der Artenzusammensetzung in den untersuchten Gebieten aufgezeichnet.

Um die Genauigkeit der Untersuchungen zu erhöhen, wurden einzelne Biotope (Bebauungsgebiete, Brachflächen, Grünflächen, Wälder und Feuchtgebiete) in ihrer Artenzusammensetzung vor Ort untersucht und der Anteil nicht-einheimischer Gehölzpflanzen bestimmt.

Ergebnisse

Einführungs- und Ausbreitungsgeschichte

Die Auswertung historischer und aktueller Literatur erbrachte Nachweise für 3150 nach Deutschland eingeführte nicht-einheimische Gehölzarten seit dem 17. Jahrhundert. Ein Großteil dieser Arten hat auch das brandenburgische Gebiet erreicht.

Zeitspanne zwischen Ausbringung und Ausbreitung anhand von 184 untersuchten nichteinheimischen Gehölzarten in Berlin

Insgesamt konnten 210 wild wachsende nicht-einheimische Gehölzarten für den Zeitraum 1787-1990 für Brandenburg nachgewiesen werden. In Berlin konnten sich 182 dieser 210 Arten spontan vermehren.

Die Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt der Ausbringung und dem Beginn der Ausbreitung beträgt acht bis 400 Jahre und im Mittel von 184 Arten 147 Jahre. Einige der spontan ausgebreiteten Arten sind bis heute wieder verschwunden (in Berlin 16 Prozent). Nur ein knappes Drittel der Arten wurde zu einem festen Bestandteil der Berliner Flora.

Veränderung der heimischen Gehölzflora

Die Ausbringung nicht-einheimischer Gehölzpflanzen hatte eine weitreichende Veränderung der Gehölzflora in Berlin zur Folge. Die Zahl der nicht-einheimischen Gehölzarten übertrifft die einheimischen Arten etwa um das Doppelte. Diese Veränderung des Artenspektrums liess sich für die meisten Biotopgruppen nachweisen. Auf Bebauungsgebieten, Brachflächen, Grünflächen und Wald- und Forstflächen übertraf die Anzahl nicht-einheimischer Arten die der einheimischen. Nur in Feuchtgebieten wurden mehr einheimische Arten registriert.

Die hinsichtlich mehrerer Parameter erfolgreichste, nachhaltig etablierte Art war die Robinie (Robinia pseudoacacia). Sie breitete sich wahrscheinlich 152 Jahre nach ihrer ersten Ausbringung aus und führte zu einer erheblichen Veränderung der Bestandsstruktur. Der Erfolg des nordamerikanischen Baumes ist durch zwei Schlüsselfaktoren zu erklären. Zum einen durch das Fehlen von Schädlingen und zum anderen durch die Fähigkeit Luftstickstoff zu binden, wodurch das Besiedeln von nährstoffarmen Böden erleichtert wird.