Risikoanalyse zur Freisetzung von gentechnisch veränderten, Rekombinations-defekten Rhizobien

(1988 – 1995) Universität Bielefeld, Fakultät für Biologie, Lehrstuhl für Genetik

Thema

Rekombinations-defekte Rhizobienstämme (recA–) sollten im Modell-Ökosystem auf ihre Eignung als „biologische Sicherheitsmaßnahme“ für Freisetzungen getestet werden.

Die untersuchten Rhizobien (Rhizobium meliloti) gehören zu den Knöllchenbakterien. Sie leben in Symbiose mit Luzerne und fixieren den Stickstoff aus der Luft, indem sie ihn in eine für die Pflanzen verwertbare Form umwandeln.

  • Inwieweit wird die Fähigkeit zur homologen Rekombination für das Überleben von Bakterien benötigt?
  • Sind Fremdgene in recA– Stämmen stabil?
  • Welchen Einfluss hat die Veränderung auf den horizontalen Gentransfer zwischen Rhizobienstämmen?
  • Wie stark verbreiten sich die recA– Stämme im Boden?
  • Wie wird die natürliche Rhizobienpopulation durch gentechnisch veränderte Rhizobien beeinflusst?

Die Rekombinations-defekten Rhizobienstämme (recA–) werden mit „normalen“ Stämmen (recA+) verglichen.

Zusammenfassung

Überleben des recA– Stammes: Der recA– Stamm war weniger überlebensfähig als der recA+ Stamm. Positiv beeinflusst wurde das Überleben beider Stämme durch die Anwesenheit der Wirtspflanze Luzerne.

Stabilität der Fremdgene: Die Fremdgene waren in beiden Stämmen gleich stabil.

Horizontaler Gentransfer: Der recA– Stamm zeigte einen deutlich verringerten Transfer in andere Stämme und konnte selber über homologe Rekombination keine DNA aufnehmen.

Verbreitung im Boden: Das zur Markierung genutzte Luciferase-Gen (luc; Reporter-Gen) wurde weder frei noch in möglicherweise nicht-kultivierbaren Zellen der beiden Stämme nachgewiesen.

Einfluss auf die natürliche Rhizobienpopulation: Im Mikrokosmos konnte der recA– Stamm trotz seines Defekts mit einzelnen Wildtyp-Isolaten konkurrieren. Die natürliche Rhizobienpopulation verringerte aber das Überleben beider Stämme.

Die Eingrenzung Rekombinations-defekter Stämme wird also durch die jeweiligen Bedingungen bestimmt. Der recA– Stamm kann daher nicht generell als biologische Sicherheitsmaßnahme eingesetzt werden.

Versuchsbeschreibung

Es wurden zwei isogene Rhizobium meliloti-Stämme gentechnisch erzeugt, die ein Markergen (luc) entweder im (recA–) oder neben dem Rekombinasegen (recA+) tragen.

Überleben des recA– Stammes

Die beiden Stämme wurden in Konkurrenz mit ihrem Elternstamm in Mikrokosmen (geschlossener Behälter mit Boden) inkubiert. Das Überleben der Stämme wurde sowohl in sterilen als auch in unsterilen landwirtschaftlich genutzten Böden untersucht.

Zudem wurde der Einfluss von Wirtspflanze (Luzerne) und zwei Nicht-Wirtspflanzen (Klee und Weizen) auf das Überleben der beiden Stämme untersucht.

Der Einfluss der Temperatur wurde bei -20 °C und bei 50 °C (16 Stunden) ermittelt.

Stabilität der Fremdgene

Zur Untersuchung der Stabilität der Fremdgene wurden die Stämme in Boden mit Luzernepflanzen gesetzt und dann anhand der Luciferase-Aktivität und mittels PCR untersucht.

Horizontaler Gentransfer

Untersucht wurde der Transfer eines Antibiotikaresistenz-Gens zwischen R. meliloti-Stämmen, die das gleiche Wurzelknöllchen besiedeln.

Zusätzlich wurde mit einem Stammpaar gearbeitet, das im Unterschied zu den freigesetzten Stämmen anstelle des Leuchtmarkers ein Markergen (gusA) trägt, welches eine Blaufärbung bewirkt. Untersucht wurde der Transfer eines Plasmides mit weitem Wirtsbereich aus diesem Stammpaar in einen Antibiotikum-resistenten R. meliloti-Stamm im Boden.

Der Transfer homologer DNA in den recA– Stamm wurde untersucht, indem der Stamm gemeinsam mit einem E.coli-Stamm, der DNA aus dem Rhizobien-Wildtypstamm trägt, in Boden überimpft wurde.

Verbreitung im Boden

Die Verbreitung im Boden wurde über das Vorkommen des luc-Gens (PCR) und die Zellzahl der beiden Stämme geklärt.

Einfluss auf die natürliche (endogene) Rhizobienpopulation

Zunächst wurden Wildtypstämme einer endogenen Rhizobienpopulation aus Wurzelknöllchen von Luzerne sowie aus Bodenproben isoliert. 20 Stämme wurden mit verschiedenen molekularen Methoden typisiert.

Der Einfluss der transgenen Stämme auf eine rekonstruierte Rhizobienpopulation wurde an drei der Wildtypstämme untersucht, die mit den beiden Stämmen in Mikrokosmen zusammen mit Luzernepflanzen kultiviert wurden. Nach sechs Wochen wurden die Stämme aus den Wurzelknöllchen extrahiert und mittels PCR identifiziert. Als Kontrollen dienten Mikrokosmen, die nur mit den Wildtypstämmen beimpft wurden.

Ergebnisse

Überleben des recA– Stammes

Der recA– Stamm war gegenüber seinem Elternstamm vermindert konkurrenzfähig. Der recA+ Stamm unterschied sich nicht von dem Elternstamm. In manchen unsterilen Böden nahm der recA– Stamm schneller als der recA+ Stamm ab. Bei den anderen Böden gab es dagegen kaum Unterschiede im Überleben beider transgener Stämme.

Luzerne förderte das Wachstum beider Stämme, während Klee und Weizen das Überleben der Stämme nicht beeinflusste.

Tiefe Temperaturen (-20°C) hatten keinen Einfluss auf das Überleben. Die Hitzebehandlung bewirkte dagegen eine deutliche Abnahme beider Stämme. Der recA– Stamm nahm stärker ab als der recA+ Stamm. Nach zehn Tagen erholten sich beide Stämmen wieder.

Stabilität der Fremdgene

Beide Fremdgene erwiesen sich als stabil, sowohl im Boden als auch nach Knöllchenpassage. Es gab keine Unterschiede zwischen den beiden Stämmen.

Horizontaler Gentransfer

Ein Transfer innerhalb der Wurzelknöllchen war nur nachweisbar, wenn das Resistenzgen auf einem Plasmid lag, nicht jedoch, wenn es ins Chromosom eingebaut war.

Im Boden fand ein Transfer nur nach Zugabe von Nährmedium statt. Dann war der Transfer aus dem recA– Stamm etwa zehnfach geringer als aus dem recA+ Stamm.

Aufgrund der defekten homologen Rekombination fand im recA– Stamm wie erwartet kein Einbau statt. In den recA+ Stamm fand eine Übertragung mit sehr geringer Frequenz statt.

Verbreitung im Boden

Das luc-Gen konnte weder als extrazelluläre DNA noch in nicht-kultivierbaren Zellen im Boden nachgewiesen werden.

Einfluss auf die natürliche (endogene) Rhizobienpopulation

Das Überleben beider Stämme wurde durch die endogene Rhizobienpopulation im Boden beeinträchtigt.

Bei der künstlichen Rhizobienpopulation dominiert der recA+ Stamm. Der recA– Stamm war aber deutlich weniger konkurrenzfähig. Obwohl er im Einzelnen gegen einen der Wildtypstämme unterlag, konnte er sich überraschend gegen die beiden anderen Wildtypstämme durchsetzen.