Wirkung von Bt-Pollen auf Schmetterlinge

(2001 – 2003) Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) (seit 2008 Julius Kühn-Institut (JKI)), Institut für biologischen Pflanzenschutz, Darmstadt

Thema

Die gentechnisch veränderten Bt-Mais-Linien Bt176 und Mon810 sind wirksam gegen den Schädling Maiszünsler. Die Larven dieses kleinen Schmetterlings fressen sich durch den Stängel der Pflanze.

Maiszünsler

Maiszünsler-Weibchen

Das in den Pflanzen gebildete Bt-Toxin (Cry1AB) könnte auch andere Schmetterlingsarten schädigen. Eine Gefährdung hängt davon ab, wie empfindlich die Larven sind und in welchem Maße die Tiere das Toxin beim Fraß aufnehmen können.

Es wurde die potenzielle Gefährdung von Nicht-Ziel-Schmetterlingen durch Bt-Maispollen (Bt176 und Mon810) untersucht:

  • Bewirkt der Bt-Pollen eine erhöhte Sterblichkeit dieser Schmetterlingsarten?
  • Wird die Entwicklung der Larven beeinträchtigt (=subletale Effekte)?
  • Können Schmetterlingslarven zwischen Bt-Pollen und nicht transgenem Maispollen unterscheiden? (= Wahlversuche)

Ergänzend wurde eine Schmetterlingskartierung durchgeführt, mit deren Hilfe potenziell durch Bt-Mais-Anbau gefährdete Schmetterlinge ermittelt werden sollten.

Zusammenfassung

Es kann keine allgemeine Aussage über das Gefährdungspotenzial von Bt176 abgegeben werden. Sowohl Sterblichkeit als auch subletale Effekte der untersuchten Schmetterlingsarten variierten stark je nach Art.

Der Anbau von Mon810 wird bezüglich des Schmetterlingsschutzes im Vergleich zu Bt176 Mais als weniger problematisch angesehen. Mon810 weist im Pollen einen sehr geringen Bt-Toxin-Gehalt auf.

Pollen kann mit Futterpflanzen in der Umgebung von transgenen Maisfeldern aufgenommen werden.

Für die Larven von 26 tag- und 53 nachtaktiven Schmetterlingsarten, die im Rahmen der Kartierungsmaßnahme im Untersuchungsgebiet festgestellt wurden, muss gegenüber Maispollen eine hohe Expositionswahrscheinlichkeit angenommen werden.

Es werden folgende Empfehlungen ausgesprochen:

  • Zulassung von Linien mit geringer Bt-Toxin-Konzentration im Pollen
  • Anlegen einer Mantelsaat mit konventionellem Mais
  • Mindestabstände zu Naturschutzgebieten
  • Bei zukünftigen Studien mit neuen Bt-Maissorten Verwendung von Kohlmotte als Testorganismus, wegen der höchsten Bt-Toxin-Empfindlichkeit und problemloser Anzucht

Die Übertragbarkeit der Laborversuche ist noch ungeklärt, da es Probleme bei den Freilandversuchen gab. Daher wird hier noch Forschungsbedarf gesehen.

Versuchsbeschreibung

Es wurden sieben einheimische Schmetterlingsarten für die Versuche ausgewählt:

Tagpfauenauge

Tagpfauenauge

Kohlweissling

Großer Kohlweißling

Larve der Wintersaateule, die an einem Blattstückchen frisst, auf das Maispollen appliziert wurde

Larve der Wintersaateule, die an einem Blattstückchen frisst, auf das Maispollen appliziert wurde.

Darunter sind sowohl potenziell gefährdete Arten als auch Arten, die bekämpft werden wie z.B. die Kohlweißlinge.

Maiszünsler (Ostrinia nubilalis)
Zielorganismus der untersuchten Bt-Maislinien (Bt176 und Mon810)

Tagpfauenauge (Inachis io)
potenziell gefährdet

Großer Kohlweißling (Pieris brassicae), Kleiner Kohlweißling (Pieris rapae) und Kohlmotte (Plutella xylostella)
alle drei werden an Kohlarten auch mit Bt-Spritzmitteln bekämpft.

Kleiner Fuchs (Aglais urticae)
potenziell gefährdet

Wintersaateule (Agrotis segetum)
wird in anderen Kulturen bekämpft.

Fütterungsversuche

Zur Untersuchung der Sterblichkeit wurden Fütterungsversuche mit Bt176 und Mon810 Pollen durchgeführt. Dazu wurden Pollensuspensionen auf Raupenfutterpflanzen aufgebracht und Larven auf Blattstücke davon gesetzt.

Pollen der Linie Mon810 wurde nur an Larven der Kohlmotte, der gegenüber Cry1Ab-Toxin empfindlichsten Art, verfüttert. Zusätzlich fanden auch Fütterungsversuche mit Bruchstücken von Staubgefäßen statt. In den Staubgefäßen liegt ein deutlich höherer Bt-Toxin-Gehalt vor als im Mon810-Pollen.

Untersuchungen zu subletalen Effekten mit Bt176-Pollen

An Kohlmotten (L4) und Tagpfauenaugen (L1 und L2) wurden einmalig bzw. mehrmals geringe Mengen Bt176-Pollen (je 5 Pollen) gefüttert. Anschließend wurde die Entwicklung der Larven beobachtet.

Solch geringe Konzentrationen werden auch in größerer Entfernung von Maisfeldern noch gefunden. So wurden in einer Entfernung von 32 Metern in Einzelfällen bis zu 34 Pollen pro cm² gesammelt.

Wahlversuche

Den Larven wurden Kohlblätter mit und ohne Bt-Pollen zur Wahl gestellt.

Kartierung von Schmetterlingsarten

Im Freiland wurden Schmetterlinge (Tag- und Nachtfalter) kartiert, um potenziell gefährdete Arten zu finden. Als potenziell gefährdet wurde definiert, wenn die Larven dem Pollen ausgesetzt sind und deren Wirtspflanzen in der Nähe von Maisfeldern vorkommen.

Ergebnisse

Die einzelnen Arten zeigten eine deutlich unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber dem Toxin. Innerhalb der selben Art waren jüngere Larven wesentlich empfindlicher als ältere Tiere. Bei den älteren Larven traten Schädigungen erst bei sehr hohen Pollenmengen ein, die unter natürlichen Bedingungen außerhalb eines Maisfeldes kaum erreicht werden dürften.

LD50 Wert nach Fütterungsversuchen mit Pollen einer transgenen Bt176-Maissorte

Art (Larvenstadium) LD50 Wert
Kohlmotte (L4) 8 Pollen
Maiszünsler (L2) 32 Pollen
Kleiner Fuchs (neonat) 32 Pollen
Tagpfauenauge (neonat) 37 Pollen
Kleiner Kohlweißling (L2) 39 Pollen
Tagpfauenauge (L2) 61 Pollen
Tagpfauenauge (L4) > 80 Pollen
Großer Kohlweißling (L2) 139 Pollen
Wintersaateule (L1 und L2) > 500 Pollen

LD 50= Anzahl Pollen auf der Futterpflanze, bei denen 50% der Versuchstiere starben. Die Bestimmung des LD50-Wertes ist ein Standardverfahren zur Quantifizierung der Toxizität einer Substanz. ( LD=letale Dosis)

Die mit Bt176-Pollen ermittelten LD50 Werte (s. Tabelle) beziehen sich auf die angebotene und nicht auf die aufgenommene Pollenmenge, da die Raupen oft nur einen Teil der angebotenen Blattstückchen bzw. Pollen fraßen. LD50-Werte bezüglich der tatsächlich aufgenommenen Pollenmenge lägen mit Sicherheit niedriger.

Mit Pollen der Bt-Maislinie Mon810 wurde auch bei 80 Pollen je Larve keine Schädigung an der empfindlichsten Art, der Kohlmotte, festgestellt. Ob die Aufnahme von Mon810-Maispollen subletale Effekte hervorrufen kann, wurde in diesem Zusammenhang nicht untersucht. Die stark Bt-Toxin-haltigen Staubgefäß-Bruchstücke bewirkten aber auf jeden Fall eine deutlich erhöhte Sterblichkeit.

Subletale Effekte mit Bt176-Pollen

Die Bedeutung der subletalen Effekte scheint größer zu sein, als die direkten toxischen Auswirkungen.

Geringe Bt176-Pollenmengen führten zu verzögerter Entwicklung, verspäteter Verpuppung und verzögertem Falterschlupf von Kohlmotten- und Tagpfauenaugenlarven. Allerdings war kurz vor der Verpuppung das zwischendurch verringerte Durchschnittsgewicht wieder angeglichen. Jüngere Larven konnten den Entwicklungsrückstand besser ausgleichen als ältere.

Wintersaateulen (L2 bzw. L3), die mit mehr als 500 transgenen Pollenkörnern gefüttert wurden, wiesen nur eine geringfügig verringerte Gewichtszunahme gegenüber den unbehandelten Kontrolltieren auf.

Auch drei Wochen Lagerung des Pollens verringerte die gefundenen Effekte nicht.

Bei den Wahlversuchen wurde weder bei der Nahrungsaufnahme noch bei der Eiablage eine Vermeidungsreaktion festgestellt. D.h., dass die Larven Pollen aufnehmen, wenn die Futterpflanzen mit dem Pollen bedeckt sind.

Schmetterlingskartierung (Tag- und Nachtfalter)

Für die Larven von 26 tag- und 53 nachtaktiven Schmetterlingsarten, die im Rahmen der Kartierungsmaßnahme im Untersuchungsgebiet festgestellt wurden, muss gegenüber Maispollen eine hohe Expositionswahrscheinlichkeit angenommen werden. Daraus lässt sich bei Anbau von Bt-Maislinien mit einer hohen Toxin-Expression im Pollen eine potenzielle Gefährdung der betroffenen Schmetterlingsarten ableiten.