04.06.2003
Forschung Projekte
Untersuchungen möglicher Auswirkungen gentechnisch veränderter Rhizobien auf die Bodenökologie
(1992 – 1996) GSF Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit GmbH, Neuherberg; ZALF, Müncheberg; Universität Bielefeld; Universität Erlangen-Nürnberg; TÜV Südwest
Thema
Im ersten Freisetzungsversuch mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen in Deutschland wurden transgene Rhizobien freigesetzt, die mit einem Luciferase-Gen markiert waren. Dieses aus Glühwürmchen stammende Gen veranlasst die Bakterien, das Enzym Luciferase zu bilden. Durch den Leuchteffekt können Kolonien der gentechnisch veränderte Rhizobien identifiziert werden.
Rhizobien (Knöllchenbakterien) leben in Symbiose mit Leguminosen. Sie fixieren den Stickstoff aus der Luft, indem sie ihn in eine für die Wirtspflanze verwertbare Form umwandeln.
In diesem Projektverbund sollten folgende Fragen untersucht werden:
- Welchen Einfluss haben die transgenen Rhizobien auf die Wirtspflanze Luzerne?
- Überleben die transgenen Rhizobien im Boden im jahreszeitlichen Verlauf?
- Wie verbreiten sich die Rhizobien im Boden - horizontal oder vertikal?
- Sind Bodentiere, insbesondere Insekten an der Verbreitung der gentechnisch veränderten Bakterien beteiligt?
- Gibt es Effekte auf die natürliche Bakterienpopulation im Boden?
Zudem sollten geeigneter Methoden für ein Monitoring der transgenen Bakterien entwickelt werden.
Zusammenfassung
Die Markierung durch das Luciferase-Gen erwies sich unter Freilandbedingungen als gut geeignet, um das Überleben und die Verbreitung freigesetzter Bakterien zu verfolgen.
Einfluss auf die Wirtspflanze: Die transgenen Stämme hatten keinen Einfluss auf die Wirtspflanze.
Überleben: Die transgenen Rhizobien können im Freiland längerfristig überleben.
Ausbreitung im Boden: Es wurde weder eine horizontale noch eine vertikale Ausbreitung der transgenen Rhizobien beobachtet.
Verbreitung durch Bodentiere: Die Rhizobien können durch Bodeninsekten aufgenommen und möglicherweise verbreitet werden.
Einfluss auf die natürliche Bakterienpopulation: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Beimpfung zu einer höheren Bakterienvielfalt im Rhizosphärenbereich der Luzerne führt.
Versuchsbeschreibung und Ergebnisse
Es wurden zwei transgene Rhizobium meliloti-Stämme (RecA+ und RecA–) freigesetzt, die das Luciferase-Gen als Marker enthielten. Bei dem RecA– Stamm ist das luc-Gen in ein Rekombinations-Gen (recA) eingebaut, wodurch dieser Stamm rekombinationsdefekt ist. Dadurch wird die natürliche Reparatur von Gen- Mutationen unterbunden.
Schematischer Aufbau der Bodensäulen (Lysimeter)
Die transgenen Rhizobien wurden sowohl in Bodensäulen (sogenannten Lysimetern) als auch direkt im Freiland freigesetzt. Die Lysimeter wurden mit zwei verschiedenen Böden (Parabraunerde und Niedermoortorf) befüllt. Es wurden Luzerne-Samen eingesät und mit den Rhizobien-Stämmen bzw. einem nicht-transgenen Kontrollstamm beimpft. Die Lysimeter wurden sowohl im Gewächshaus als auch im Freiland aufgestellt und untersucht (s. Abb.).
Außerdem wurden die Rhizobien auch direkt im Freiland auf mit Luzerne bepflanzten Parzellen von 3 x 3 Metern freigesetzt.
Einfluss auf die Wirtspflanze
Nach der Blüte und nach Ende des Versuchs wurde das Trockengewicht der Luzernepflanzen bestimmt.
Die Pflanzen entwickelten sich besser in Parabraunerde als in Niedermoortorf. Es gab keinen Einfluss der transgenen Rhizobien.
Überleben im Freiland
Die Anzahl der transgenen Rhizobien wurde in Bodenproben aus Gewächshaus und Freiland zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Freisetzung analysiert (Biolumineszenztest und PCR). Die Bestimmung erfolgte zum einen direkt aus den Bodenproben und zum anderen über den Einsatz von Sondenpflanzen (Erbse bzw. Luzerne), die bei Anwesenheit von Rhizobien Wurzelknöllchen ausbilden.
Sowohl im Gewächshaus als auch im Freiland nahmen die transgenen Bakterien in den ersten ein bis zwei Wochen nach der Beimpfung deutlich ab (um ein bis zwei Zehnerpotenzen). Dabei war die Abnahme im Parzellenversuch deutlich höher als in den Lysimetern. Ein Jahr nach der Freisetzung waren noch ein Prozent der Bakterien in den Parzellen nachweisbar.
Ausbreitung im Boden
Zur Untersuchung der Verbreitung der Rhizobien in horizontaler Richtung wurden Pflanzboxen (s. Abb.) mit beiden Böden gefüllt. Die mit Luzerne bepflanzten Boxen waren durch Membrantaschen in Streifen geteilt. In die zentrale Membrantasche wurden die transgenen Rhizobien gesetzt. Im Abstand von fünf Tagen wurden alle Streifen durch Luciferasetest auf das Vorhandensein von transgenen Rhizobien überprüft.
Pflanzbox
Im Freiland wurden Luftkeimplatten im Abstand von 0,2- 2,2 Metern von den Bodensäulen bzw. Parzellen entfernt aufgestellt. Außerdem wurden Bodenproben in unterschiedlichem Abstand zu den Versuchsflächen auf die Anzahl der Rhizobien untersucht.
Bodenproben aus einer Tiefe von bis zu 65 Zentimetern sollten Aufschluss über eine mögliche vertikale Verschiebung der Rhizobien im Freiland geben.
In den Pflanzboxen zeigte sich nur eine minimale Verbreitung der Rhizobien in die angrenzenden Streifen. Es wurden weder Unterschiede zwischen den Bodenarten noch zwischen den beiden Rhizobienstämmen festgestellt.
Auf den Keimplatten wurden nur in einer Entfernung bis zu 20 Zentimetern von den Bodensäulen transgene Rhizobien nachgewiesen. In den Bodenproben wurden nach vier Monaten nur in fünf Zentimeter Abstand noch geringe Mengen detektiert. Diese sind möglicherweise während der Ausbringung dorthin gelangt
In Tiefenproben konnten die Rhizobienstämme – vermutlich verursacht durch ein Verschmieren bei der Probenahme – nur vereinzelt nachgewiesen werden.
Verbreitung durch Bodentiere
Bodeninsekten wurden aus den Freilandparzellen gesammelt und deren Darminhalt auf die transgenen Rhizobien getestet.
Die Aufnahme von Bakterien durch Insekten konnte bei bakterienfressenden Springschwänzen (Collembolen) sowie in Einzelfällen bei einer Larve und einem Laufkäfer (Loricera) gezeigt werden. Daher ist mit einer Verbreitung der Transgene durch Insekten zu rechnen.
Einfluss auf die natürliche (endogene) Bakterienpopulation
1200 kultivierbare Mikroorganismen aus dem Wurzelbereich der Luzerne wurden mittels gentechnischer Fingerprint-Techniken (ARDRA) identifiziert, Gruppen zugeordnet und auf eventuelle Verschiebungen durch die Freisetzung hin untersucht.
Zur Untersuchung der endogenen Rhizobien-Population und eines möglichen Einflusses auf diese durch die Freisetzung wurden Sondenpflanzen auf Bodenproben der Freilandversuche angezogen. Aus den gebildeten Knöllchen wurde Bakterien-DNA isoliert, mittels verschiedener Fingerprint-Verfahren identifiziert und die Stämme in Gruppen eingeteilt. Die relativen Häufigkeiten der einzelnen Gruppen aus Bodenproben verschiedener Entnahmezeitpunkte wurden miteinander verglichen.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Freisetzung im Vergleich zu unbeimpften Kontrollflächen eine Erhöhung der Bakterienvielfalt im Rhizosphärenbereich der Luzerne bewirkt. Es wurde kein Einfluss der Freisetzung auf die endogene Rhizobien-Population gefunden. Die aufgetretenen Schwankungen lagen innerhalb des Bereichs der natürlicherweise innerhalb einer Population vorkommenden Schwankungen.
Thematische Verknüpfungen
Themen
Förderung
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Förderkennzeichen
0310546A + 0310547A/5 + 0310548A/6 + 0310549A/7 + 0310581A
Projekt
Originaltitel
Es handelt sich um ein Verbundprojekt, an dem sich mehrere Institute beteiligt habe. (siehe Kontakt)
Kontakt
Prof. Dr. Jean-Charles Munch
GSF - Forschungszentrumfür Umwelt und Gesundheit GmbH
Institut für Bodenökologie
Ingolstädter Landstraße 1D
85764 Neuherberg
Dr. Peter Lentzsch
ZALF,
Institut für Primärproduktion und Mikrobielle Ökologie
Eberswalder Str. 84
15374 Müncheberg
Prof. Dr. Alfred Pühler
Universität Bielefeld
Fakultät für Biologie
Lehrstuhl für Genetik
Postfach 100 131
33501 Bielefeld
Prof. Dr. W. Lotz
Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen
Staudtstr. 5
91058 Erlangen
Dr. Reinhard Simon
TÜV Südwest
Dienstleistungs-GmbH
Biologische Sicherheit
Robert-Bunsen-Straße 1
79108 Freiburg
Veröffentlichungen
Literatur und Veröffentlichung der Ergebnisse:
Keller M., Dresing U., Schneiker S., Selbitschka W., Pühler A. (1999) Freilandversuche mit leuchtmarkierten Rhizobien an zwei Standorten in Deutschland erwartete und nicht erwartete Ergebnisse. In: Schiemann, J. (Hrsg.): Biologische Sicherheit Proceedings zum BMBF-Statusseminar , Braunschweig 1999. Biologische Sicherheitsforschung bei Freilandversuchen mit transgenen Organismen und anbaubegleitendes Monitoring. Braunschweig, Jülich, BEO (Projektträger Biologie, Energie, Umwelt des BMBF und des BMWi), S. 85-93, 2000
Keller M., Homann I., Dresing U., Schneiker S., Selbitschka W., Pühler A. (1999) Persistenz, Verbreitung und Genomstabilität biolumineszenter isogener RecA+/RecA- Sinorhizobium meliloti-Stämme und Analyse des DNA-Imports in diese freigesetzten Stämme. In: Schiemann, J. (Hrsg.): Biologische Sicherheit Proceedings zum BMBF-Workshop, Braunschweig 1998. Freisetzungsbegleitende Sicherheitsforschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Mikroorganismen, Braunschweig, Jülich, BEO (Projektträger Biologie, Energie, Umwelt des BMBF und des BMWi), S. 137-146, 1999
Lotz W., Schmidt M., Schäffer D. (1999) Biologische Sicherheitsforschung zur Freisetzung gentechnisch veränderter Sinorhizobium meliloti-Stämme: Vergleichende Analyse der Verbreitung und Persistenz isogener RecA+/RecA- Sinorhizobium meliloti-Stämme im Boden und in der Rhizosphäre von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen (Luzerne und Roggen). In: Schiemann, J. (Hrsg.): Biologische Sicherheit Proceedings zum BMBF-Workshop, Braunschweig 1998. Freisetzungsbegleitende Sicherheitsforschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Mikroorganismen, Braunschweig, Jülich, BEO (Projektträger Biologie, Energie, Umwelt des BMBF und des BMWi), S. 167-174, 1999
Miethling R., Schwieger F., Tebbe C.C. (1999) Überlebens- und Verbreitungsstrategien gentechnisch veränderter, biolumineszenter Sinorhizobium meliloti-Stämme im Freiland. In: Schiemann, J. (Hrsg.): Biologische Sicherheit Proceedings zum BMBF-Workshop, Braunschweig 1998. Freisetzungsbegleitende Sicherheitsforschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Mikroorganismen, Braunschweig, Jülich, BEO (Projektträger Biologie, Energie, Umwelt des BMBF und des BMWi), S. 147-158, 1999
Tichy H.-V., Simon R. (1999) Monitoring der Zusammensetzung endogener Populationen kultivierbarer Rhizosphärenbakterien unter dem Einfluss der freigesetzten, gentechnisch veränderten Rhizobium melilotiStämme. In: Schiemann, J. (Hrsg.): Biologische Sicherheit Proceedings zum BMBF-Workshop, Braunschweig 1998. Freisetzungsbegleitende Sicherheitsforschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Mikroorganismen, Braunschweig, Jülich, BEO (Projektträger Biologie, Energie, Umwelt des BMBF und des BMWi), S. 159-166, 1999
Forschungsprojekte
Rhizobien
- Überlebens- und Verbreitungsstrategien, Projektverbund
- Auswirkungen auf die Bodenökologie, Projektverbund
- Analyse von Bakterien aus der Umgebung von Luzerne vor und nach Beimpfung mit transgenen Rhizobien, Universität Bielefeld
- Vorkommen von Transposons in Rhizobium, ZALF Müncheberg
- Erprobung einer Monitoringmethode, ZALF Müncheberg
- Risikoanalyse zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Rhizobien, Universität Bielefeld
- Erhöhung der Effektivität von Rhizobienstämmen für den Einsatz in der Landwirtschaft, Universität Bielefeld
- Modell-Freisetzung und Monitoring von standortfremden Rhizobien, Universität Erlangen-Nürnberg
- Untersuchungen zur gentechnischen Optimierung von Rhizobien, ZALF Müncheberg
- Gentransfer von genetisch veränderten Rhizobien auf andere Bakterien, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des BGA