Überlebens- und Verbreitungsstrategien gentechnisch veränderter biolumineszenter Rhizobien im Freiland

(1996 – 2000) Universität Bielefeld, Lehrstuhl für Genetik; FAL (seit 2008 Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI)), Institut für Agrarökologie, Braunschweig; TÜV Südwest Dienstleistungs-GmbH, Biologische Sicherheit; Universität Erlangen-Nürnberg

Thema

Um ihr Verhalten zu untersuchen, wurden transgene Rhizobien freigesetzt, die mit einem Luciferase-Gen markiert waren. Dieses aus Glühwürmchen stammende Gen veranlasst die Bakterien, das Enzym Luciferase zu bilden. Durch den Leuchteffekt können Kolonien der gentechnisch veränderten Rhizobien identifiziert werden.

Rhizobien (Knöllchenbakterien) leben in Symbiose mit Leguminosen. Sie fixieren den Stickstoff aus der Luft, indem sie ihn in eine für die Wirtspflanze verwertbare Form umwandeln.

Im Rahmen eines Langzeitmonitoring von gentechnisch veränderten Rhizobien im Boden sollte folgenden Fragen nachgegangen werden:

  • Wie verbreiten sich und überleben die freigesetzten Stämme?
  • Werden die natürlicherweise vorhandenen (endogenen) Bakterienpopulationen durch die freigesetzten Bakterien beeinflusst?
  • Kommt es zu horizontalem Gentransfer in die freigesetzten Rhizobienstämmen?
  • Sind die freigesetzten Rhizobien genetisch stabil?
  • Hat die angebaute Pflanzenart (Luzerne und Roggen) Einfluss auf die Überlebensfähigkeit (Persistenz) der freigesetzten gentechnisch veränderten Rhizobien?
  • Kommt es zu einer Anreicherung der transgenen Rhizobien an Nicht-Wirtspflanzen?

Dazu wurden die im vorangehenden Forschungsverbund begonnenen Freilandversuche fortgeführt und um einen Standort erweitert.

Es wurden zwei transgene Rhizobium meliloti-Stämme (RecA+ und RecA–) freigesetzt, die das Luciferase-Gen als Marker enthielten. Bei dem RecA– Stamm ist das luc-Gen in ein Rekombinase-Gen (recA) eingebaut, wodurch dieser Stamm rekombinationsdefekt ist. Dadurch wird die natürliche Reparatur von Gen- Mutationen unterbunden.

Zusammenfassung

Verbreitung/Überleben: Entgegen der Erwartung scheint das RecA Gen für das Überleben im Boden nicht von essentieller Bedeutung zu sein, da beide Stämme gleichermaßen überleben. Allerdings ist die Verbreitung des RecA-defekten Stammes begrenzt.

Einfluss auf endogene Bakterienpopulationen: Die Beeinflussung der endogenen Bakterienpopulation durch freigesetzte Bakterien der gleichen Art wird als gering und nur vorübergehend eingeschätzt.

Horizontaler Gentransfer in die Rhizobienstämmen: Es konnte kein horizontaler Gentransfer in die freigesetzten Stämme nachgewiesen werden.

Stabilität der freigesetzten Rhizobien: Das Markergen erwies sich in beiden transgenen Stämme als stabil.

Einfluss von Luzerne und Roggen auf die Persistenz der transgenen Rhizobien: Die freigesetzten Bakterien können sich bei Anbau ihrer Wirtspflanze im Boden etablieren.

Versuchsbeschreibung und Ergebnisse

Von den Parzellen des vorangegangenen Freisetzungsversuches wurden vier mal pro Jahr Bodenproben entnommen. Am zweiten Standort wurde vor der Freisetzung Luzerne angebaut, um dort eine natürliche (endogene) Rhizobien-Population aufzubauen. Die Parzellen waren mit je einem der beiden transgenen Stämme, mit dem Wildtypstamm beimpft. Als Kontrolle diente eine unbeimpfte Parzelle.

Pro Probenahme wurden je Parzellentyp drei Pflanzen ausgegraben. Die an den Wurzeln fest anhaftenden Bakterien wurden abgelöst, vereinzelt, deren DNA extrahiert und gereinigt.

Persistenz

Überleben: Zur Untersuchung der Persistenz wurden die Anzahl der transgenen Bakterien in den Bodenproben anhand der Biolumineszenz bestimmt.

Am ersten Standort etablierten sich beide Stämme in den mit ihnen beimpften Parzellen. Am zweiten Standort nahmen die freigesetzten Bakterien auf ca. die Hälfte ab.

Verbreitung: Einmal jährlich wurde der Boden bis zu einer Tiefe von 65 Zentimetern analysiert. Es wurden auch Bodenproben außerhalb der Versuchsparzellen entnommen.

Am zweiten Standort gab es am Tag nach der Freisetzung starke Regenfälle. Daher wurden direkt nach der Freisetzung Proben im Bereich deutlich erkennbarer Schwemmspuren entnommen.

Dort wurden während der Freisetzung auch Luftkeime „aufgefangen“.

Beide Stämme konnten nur bis zu einer Tiefe von 25 Zentimetern nachgewiesen werden. Außerhalb der Versuchsparzellen wurden am ersten Standort vereinzelt RecA+ Stämme an Luzerne-Pflanzen gefunden.

Am zweiten Standort wurden transgene Bakterien zu Beginn nur unmittelbar bei den Schwemmspuren gefunden. Später wurden vereinzelt leuchtende Bakterien gefunden.

Während der Freisetzung selber verdoppelten sich die Luftkeime. Davon waren aber nur 0,1 Prozent die freigesetzten Stämme, so dass die Verbreitung dieser Stämme über die Luft als sehr gering eingeschätzt wird.

Am zweiten Standort wurde z.T. durch Mäuse Boden verschleppt. Auch dort wurden Proben entnommen. Es wurden keine transgenen Bakterien gefunden.

Einfluss auf endogene Bakterienpopulationen

Zur Analyse der Konkurrenz zwischen endogenen und freigesetzten Rhizobien bei der Besiedlung von Luzerne- Wurzelknöllchen wurde die Zusammensetzung der aus den Knöllchen isolierten Rhizobien untersucht .

Vom zweiten Standort wurde die Rhizosphären-Population zusätzlich mit verschiedenen kultivierungsunabhängigen Analysen untersucht.

Am ersten Standort waren fast alle Knöllchen mit dem freigesetzten Stamm besiedelt, da vor der Freisetzung keine endogene Population vorhanden war. Nach drei Jahren hatte sich eine endogene Population etabliert, die allerdings die freigesetzten Stämme nicht verdrängten. Die beiden transgenen Stämme unterschieden sich nicht erkennbar.

Am zweiten Standort war dagegen vor der Freisetzung eine endogene Rhizobienpopulation vorhanden, so dass die freigesetzten Stämme nur in 21 Prozent der Knöllchen auftraten; ein Jahr später sogar nur noch in fünf bis zehn Prozent der Knöllchen. Die endogene Rhizobien-Population unterschied sich nicht zwischen den einzelnen Parzellentypen.

Allgemein wurde eine hohe Diversität mit einem großen Anteil an Rhizobien gefunden.

Aufgrund physikalischer (Witterung) und biologischer (Pflanzenwachstum) Einflüsse zeigten sich deutliche Schwankungen der Population, die aber nicht der Freisetzung zugeschrieben werden konnten.

Horizontaler Gentransfer

Zur Abschätzung des Gentransfers in die freigesetzten Stämme aus der endogenen Bakterienpopulation wurden über 2000 reisolierte gentechnisch veränderte Rhizobien mittels PCR und Selektion auf die Aufnahme von Quecksilberresistenz- vermittelnden Plasmiden untersucht.

Die Stabilität des Reportergens (luc) wurde mittels PCR und Biolumineszenz untersucht.

Es wurde kein horizontaler Gentransfer von Quecksilber-resistenz-Plasmiden in die transgenen Stämme gefunden.

Stabilität: Das luc-Gen wird in beiden Stämmen stabil exprimiert.

Einfluss von Luzerne und Roggen

Am zweiten Standort wurde ein Teil der beimpften und unbeimpften Parzellen gemäht und umgegraben. Dort wurde nach üblicher landwirtschaftlicher Praxis Roggen gesät. In Mikrokosmen (abgeschlossenen Behältern) mit den Böden beider Standorte wurde ebenfalls Roggen gesät. In Abhängigkeit der Pflanzenart und des Bodentyps wurde Überleben, Verbreitung sowie die mögliche Anreicherung der Rhizobien in Rhizosphäre und Boden bestimmt.

Es zeigten sich keine Unterschiede in der Anzahl der transgenen Rhizobien im Boden von Luzerne- und Roggenparzellen. D.h., dass das Fehlen der Wirtspflanze innerhalb eines Jahres keinen Einfluss auf die Persistenz der freigesetzten Rhizobien zeigte. In der Rhizosphäre von Luzerne kam es verglichen mit der Rhizosphäre von Roggen in beiden Böden zu einer Anreicherung von Rhizobien. Der Einfluss des Bodentyps war deutlich geringer als der Einfluss der Pflanze.

Bodenuntersuchung

Analysiert wurden auch bodenökologische Kenngrößen, wie Nitratgehalt, organischer Kohlenstoffgehalt, mikrobielle Biomasse und das physiologische Profil der mikrobiellen Bodengemeinschaft.

Die Böden unterschieden sich im Kohlenstoffgehalt (am zweiten Standort höher als am ersten). Der Stickstoffgehalt war gleich. Die freigesetzten Stämme waren nicht im physiologischen Profil der Böden nachweisbar.

Zusammenfassung

Die Beeinflussung der an einem Standort natürlicherweise vorhandenen Bakterienpopulation durch freigesetzte Bakterien wird als gering und nur vorübergehend eingeschätzt. Die freigesetzten Bakterien können sich aber im Boden etablieren, wenn ihre Wirtspflanzen angebaut werden.

Der rekombinationsdefekte Bakterienstamm zeigte im Freiland als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme nur eine begrenzte Wirksamkeit, da er wie der RecA+ Stamm auch nach über 3,5 Jahren noch nachgewiesen werden konnte. Allerdings war seine horizontale Ausbreitung im Boden begrenzt.