Kulturpflanzen in ökologischen Systemen: Wozu Sicherheitsforschung?

Die neuen Anwendungsmöglichkeiten der Gentechnik in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie, werden in der Öffentlichkeit seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Es werden immer wieder Fragen zu den Auswirkungen auf Mensch und Umwelt gestellt. Um das Wissen über das Verhalten gentechnisch veränderter Pflanzen unter Freilandbedingungen zu erweitern und die Auswirkungen ihrer Anwendungen zu beobachten, begleitet die Bundesregierung bereits seit Ende der 80er Jahre die Entwicklung der Gentechnik und die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen mit besonderen Programmen, aus denen Forschungsprojekte zu Fragen der Biologischen Sicherheit gefördert werden.

Dabei werden zum Beispiel die folgenden ökologischen Risiken untersucht:

Verwilderung und unkontrollierte Ausbreitung

Ob eine Kulturpflanze in andere Ökosysteme vordringen kann, hängt davon ab, ob sie dort gegenüber Wildpflanzen einen Fitnessvorteil hat. Normalerweise sind Kulturpflanzen den Wildpflanzen unterlegen. Sie wachsen zum Beispiel langsamer, weil das zu größeren Früchten führt, oder haben relativ festsitzende Samen, damit diese bei der Ernte nicht verloren gehen. Züchtungsziele, die zu einer höheren Fitness führen, etwa wegen einer verbesserten Widerstandskraft, verringern allerdings den Vorsprung der Wildpflanzen.

Fitnessrelevante Faktoren sind zum Beispiel

  • die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten
  • Wachstumsgeschwindigkeit
  • Wasserbedarf
  • Nahrungsqualität der Pflanze für andere Organismen
  • Vermehrungspotenzial
  • Nährstoffbedarf

Die Fitness einer Pflanze muss je nach Ökosystem anders beurteilt werden. Dabei kommt es unter anderem auf die Verfügbarkeit geeigneter ökologischer Nischen oder die Existenz möglicher Konkurrenten an. Mais ist in unseren Breiten beispielsweise kaum in der Lage, sich auszubreiten, da er nicht winterhart ist. Auch Kartoffeln haben sich in den Jahrhunderten ihres Anbaus in Europa noch nicht außerhalb von landwirtschaftlichen Flächen ausgebreitet.

Übertragung von Genen auf Wildpflanzen

Ackerpflanzen könnten ihre Gene einschließlich der neu hinzugefügten auf verwandten Wildpflanzen übertragen. Die Nachtschattengewächse Kartoffel, Tomate und Tabak haben ebenso wie der Mais in Europa keine Verwandten, mit denen sie sich auskreuzen können. Anders sieht es aber zum Beispiel bei Raps, Kohlsorten und der Zuckerrübe aus. Die Auskreuzung von Kultur- auf Wildpflanzen ist ein Prozess, der bei konventionellen Kulturpflanzen seit jeher stattfindet.

Eine Auskreuzung muss jedoch noch kein Schaden sein. Vielmehr kommt es auch hier auf die spezifische Eigenschaft an und damit auf den potenziellen ökologischen Vorteil, den diese der Pflanze verleiht. So hätte die Auskreuzung eines Herbizidtoleranz-Gens von Rapspflanzen auf verwandte Wildpflanzen diesen nur dann einen Selektionsvorteil verleihen, wenn sie außerhalb des Feldes dem Unkrautvernichtungsmittel ausgesetzt werden. Herbizide werden aber fast ausschließlich auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Komplizierter liegen die Dinge jedoch bei einer Resistenz gegenüber Schadinsekten. Wird diese Resistenz auf wilde Verwandte übertragen, kann dies weitreichende Auswirkungen auf die Nahrungsketten im Ökosystem haben.

Toxische Effekte der neuen Sorte auf andere Organismen

Insektenresistente Pflanzen, wie beispielsweise Bt-Mais, sollen gezielt gegen Schadinsekten wirken. Sie könnten jedoch ungewollt auch nützliche Insekten oder Bodenorganismen schädigen und auf die Nahrungskette im Ökosystem wirken. Solche Effekte werden bereits vor der Freisetzung in Laborstudien untersucht.

Landwirtschaftliche Fragestellungen

Die Sicherheitsforschung beschäftigt sich auch mit weitreichenderen landwirtschaftlichen Fragestellungen. Beispielsweise könnte eine Pflanze anfälliger für Krankheiten werden, indem sie etwa durch neue Inhaltsstoffe attraktiver für Schadinsekten wird. Auch könnte durch Veränderungen im Kohlenhydratgehalt und in der Zusammensetzung von Kohlenhydraten die Kälte- und Trockentoleranz variieren. Eine Pflanze, die plötzlich den Winter überdauern kann, könnte zu einem neuen oder dauerhaften Reservoir für Krankheitserreger werden, was negative wirtschaftliche Folgen für Landwirte hätte. Auch die Übertragung einer Toleranz gegen Unkrautvernichtungsmittel durch Auskreuzung auf verwandte Wildpflanzen wäre ein Problem: Die nun herbizidtolerante Wildpflanze kann unbeschadet vom entsprechenden Herbizid als Unkraut auf dem Feld wachsen. Zur Kontrolle dieser Pflanzen würde der Landwirt dann andere Wirkstoffe einsetzen müssen.