Agrarumweltmaßnahmen zeigen Wirkung

Aber die Förderung muss überdacht werden

29.09.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Anlegen von Blühstreifen an Feldrändern kann eine Art sein, um Agrar-Umweltprogramme im landwirtschaftlichen Betrieb zu integrieren. (Bildquelle: © Jan Freese / pixelio.de)

Das Anlegen von Blühstreifen an Feldrändern kann eine Art sein, um Agrar-Umweltprogramme im landwirtschaftlichen Betrieb zu integrieren. (Bildquelle: © Jan Freese / pixelio.de)

Forscher haben untersucht, wie wirksam Agrarumweltmaßnahmen sind. Die Maßnahmen zum Umweltschutz funktionieren zwar. Verglichen mit den enormen Subventionen für die Landwirtschaft, deren oberstes Ziel eine hohe Produktivität ist, sind sie jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein, postulieren die Forscher in einer aktuellen Studie. 

Die Landwirtschaft ist die dominierende Form der Landnutzung auf der Erde und wird es auch künftig bleiben, denn die Weltbevölkerung und die globale Nahrungsmittelnachfrage steigen, ebenso wie der Bedarf nach Energie und Rohstoffen. Kehrseite dieser erfolgreichen Form der Landnutzung ist, das die Landwirtschaft Umweltkosten, wie Erosion, die Verunreinigung von Oberflächen- und Grundwasser, den Verlust von biologischer Vielfalt (Biodiversität) oder eine reduzierte Kohlenstoffspeicherfähigkeit von Landflächen verursacht.

Um ein funktionierendes Nebeneinander von Natur und Landwirtschaft zu ermöglichen und die Auswirkungen des Anbaus von Nutzpflanzen auf die Umwelt abzufedern, hat sich auch die Politik Strategien überlegt. Dazu zählen Agrarumweltmaßnahmen, bei denen sich teilnehmende Landwirte freiwillig verpflichten, bestimmte Auflagen bei der Bewirtschaftung ihrer Anbaufläche einzuhalten. Ziele sind unter anderem: den Düngemitteleinsatz zu reduzieren, das Klima aktiv zu schützen oder die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.

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Ein Beispiel für Umweltkosten der Landwirtschaft:Geschätzte Zahlen der bedrohten Arten unterschiedlicher taxonomischer Einheiten und der Anteil, der negativ von der Landwirtschaft beeinflusst wird (hier grau dargestellt). Die Forscher zählten dafür die Gesamtzahl der durch die Rote Liste der IUCN entweder als kritisch gefährdet, gefährdet oder anfällig klassifizierten Arten und die Anzahl derer, die schätzungsweise durch mindestens eine landwirtschaftliche Tätigkeit bedroht werden.

Ein Beispiel für Umweltkosten der Landwirtschaft:
Geschätzte Zahlen der bedrohten Arten unterschiedlicher taxonomischer Einheiten und der Anteil, der negativ von der Landwirtschaft beeinflusst wird (hier grau dargestellt). Die Forscher zählten dafür die Gesamtzahl der durch die Rote Liste der IUCN entweder als kritisch gefährdet, gefährdet oder anfällig klassifizierten Arten und die Anzahl derer, die schätzungsweise durch mindestens eine landwirtschaftliche Tätigkeit bedroht werden.

Bildquelle: © Tanentzap et al. (2015) Resolving Conflicts between Agriculture and the Natural Environment. PLoS Biol 13(9), doi: 10.1371/journal.pbio.1002242

Ein Forscherteam hat nun in mehreren Ländern untersucht, wir wirksam diese Strategien zum Umweltschutz sind. Sie stellten sich auch die Frage, ob finanzielle Anreize das geeignete Mittel der Wahl sind, um die negativen Effekte der Landwirtschaft zu verringern und die sie nachhaltiger zu gestalten.

Umweltschutzmaßnahmen wirken

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass finanzielle Anreize zum Schutz der Umwelt tatsächlich fruchten. Am Beispiel von zwei Indikatoren überprüften die Forscher die Effekte, die politisch initiierten Maßnahmen in der Praxis hatten. Sie betrachteten dafür einerseits die Investitionssummen in Agrarumweltmaßnahmen mehrerer Länder – der USA, Kanada, Australien und der Europäischen Union – und verglichen sie mit den nationalen Trends für Feldvogelpopulationen (als Teil der Biodiversität) und den Treibhausgasemissionen, die durch Düngemittel verursacht wurden. Es zeigte sich, dass höhere Investitionen zu Treibhausgasreduktionen und erhöhter Biodiversität führten. So weit so gut. Allerdings fanden die Forscher auch Beispiele für falsche Ansätze und Fehlentwicklungen.

Viel nehmen, wenig geben?

Ein Kritikpunkt der Forscher ist, dass der Anteil der weltweiten Agrarproduktion, der in die Umwelt reinvestiert wird, verschwindend gering ist, im Vergleich zu den Summen, die die Agrarbranche durch staatliche Zuschüsse erhält. Beispielsweise werden etwa 20 Prozent des Wertes der landwirtschaftlichen Produktion in der EU durch den Steuerzahler subventioniert. Dagegen stehen weniger als 1 Prozent, die investiert werden, um die negativen Auswirkungen auf die Umwelt abzumildern. Und das, so die Ansicht der Forscher, vor dem Hintergrund, dass die Landwirtschaft mehr zu Umweltzerstörung beiträgt als jeder andere Wirtschaftssektor.

Durch die Arbeit der Landwirte entstehen ökologische Folgekosten, die die Landwirte nicht selbst zahlen – die demnach vergemeinschaftet werden – und auf der anderen Seite erhalten sie Zahlungen, die aus Steuermitteln finanziert werden. Ein eher seltsames System betonen die Forscher, wenn man es in seiner Ganzheit betrachtet.

Umweltkosten sollten nicht verlagert werden

Darüber hinaus weist die Studie auf das Problem der Verlagerung von Umweltkosten hin. Denn nationale Entscheidungen können Konsequenzen in anderen Regionen der Welt haben - wenn die Produktion von einer Region in eine andere verlagert wird und so der Import der Güter aus Ländern steigt, in denen die Produktionskosten geringer sind oder die nötigen Flächen vorhanden sind, um solche Mengen anzubauen. Ein Beispiel ist der Bedarf an Futtermitteln. Dieser wird zum Beispiel in Deutschland über Importiert aus anderen Regionen gedeckt. Die ökologischen Auswirkungen einer durch den Export gesteigerten Produktion, müssen die Produktionsländer, nicht aber die Importeure, in diesem Fall Deutschland tragen, da die Umweltkosten nicht auf die Produktpreise umgelegt werden.

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Neuseeland: Um in dieser Landschaft Pflanzen anbauen zu können, sind Landwirte auf zusätzliches Wasser durch Bewässerungssysteme angewiesen. Das Bild zeigt eine große kreisförmige Anbaufläche durch künstliche Bewässerung  und zudem wie die Landwirtschaft in die Wildnis eingreift.

Neuseeland: Um in dieser Landschaft Pflanzen anbauen zu können, sind Landwirte auf zusätzliches Wasser durch Bewässerungssysteme angewiesen. Das Bild zeigt eine große kreisförmige Anbaufläche durch künstliche Bewässerung  und zudem wie die Landwirtschaft in die Wildnis eingreift.

Bildquelle: © Peter Scott (www.abovehawkesbay.co.nz)

Mit ihrer Studie kritisieren die Forscher nicht globalisierte Märkte an sich. Produkte und in diesem Fall Agrarprodukte lassen sich in bestimmten Regionen der Welt besser produzieren als in anderen. Diese Effizienzvorteile gilt es auch weiterhin zu nutzen. Problematisch ist die Verschleierung von Kosten, die nicht in betriebswirtschaftlichen Kalkulationen erfasst, in ihrer Wirkung aber vorhanden sind. Ein anderes Beispiel sind umweltschonende Bewirtschaftungsformen. Diese führen bei den meisten angebauten Kulturpflanzen zu geringeren Erträgen. Bleibt die Nachfrage hoch oder steigt auf Grund einer wachsenden globalen Bevölkerung, muss die Produktion auf andere Flächen erhöht werden, um die Ernährung zu sichern. Auch das ist langfristig kein zielführender Ansatz.

Andere Länder, andere Fördermodelle

Die Forscher kommen in ihrer Studie zu anderen interessanten Ergebnissen. So wird die landwirtschaftliche Praxis weltweit durch Eingriffe und politische Rahmenbedingungen geprägt. Diese sind sehr oft national unterschiedlich und hinken somit den Realitäten einer globalisierten Welt und den systemischen Zusammenhängen der Landwirtschaft hinterher. Sehr oft werden sogar gegenläufige Interessen verfolgt, was ein benötigtes einheitliches und abgestimmtes Vorgehen erschwert.

Die unterschiedlichen Interessen aller zu vereinen ist schier unmöglich. Aber nicht nur nationale und regionale Interessen sind schwierig zu vereinen. Auch die Ansprüche an die Landwirtschaft selbst sind komplex und teilweise divergierend. Die Ernährungssicherheit muss sichergestellt werden, die Agrarindustrie Gewinne erwirtschaften, um reinvestieren zu können, die gesamte Gesellschaft will weiterhin Ökosystem-Dienstleistungen nutzen und dies alles soll nicht nur heute, sondern auch nachfolgenden Generationen möglich sein. Kein einfaches Unterfangen.

Eine Schlussfolgerung könnte sein, die Landwirtschaft komplett dem Markt zu überlassen und keinerlei Interventions- und Subventionsmöglichkeiten zu erlauben. Auch darin sehen die Wissenschaftler Gefahren. So überlässt beispielsweise Neuseeland seit Mitte der 1980er Jahre die Landwirtschaft ganz der Marktregulation und stellt keine Fördermittel mehr zur Verfügung. Dies führte dazu, dass im Süden der Insel über die Hälfte des einheimischen Graslandes in Weiden umgewandelt wurden und die Treibhausgasemissionen stiegen. Ein ambivalentes Beispiel ist China. Durch eine durch das Bevölkerungswachstum extrem begrenzte landwirtschaftliche Nutzfläche pro Einwohner ist hier der Druck auf die Fläche besonders groß. Die chinesische Regierung hat die Kontrolle über die Landwirtschaft. Einerseits subventioniert China massiv Inputfaktoren wie Dünger und Pestizide, was zu höheren Erträgen, aber auch höheren Treibhausgasemissionen führt. Andererseits nutzt es seine staatliche Kontrolle für Maßnahmen, die Ackerland in Naturschutzflächen umwandeln, was gut ist, aber den Intensivierungsdruck auf die genutzten Flächen erhöht.

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„Die logischste Lösung wäre es, die Produktion auf den bestehenden Flächen zu intensivieren, zu versuchen, die Umweltauswirkungen durch Vorschriften zu minimieren, Anreize für gute Umweltleistung zu schaffen oder Verbrauchssteuern einzuführen, während man an anderer Stelle Schutzgebiete für den Naturschutz schafft“, fasst Studienleiter Tanentzap zusammen.

„Die logischste Lösung wäre es, die Produktion auf den bestehenden Flächen zu intensivieren, zu versuchen, die Umweltauswirkungen durch Vorschriften zu minimieren, Anreize für gute Umweltleistung zu schaffen oder Verbrauchssteuern einzuführen, während man an anderer Stelle Schutzgebiete für den Naturschutz schafft“, fasst Studienleiter Tanentzap zusammen.

Bildquelle: © iStock.com/ kadmy

Die Forscher werben für ein besseres Verständnis der politischen Entscheidungsträger für die Umweltkosten der Landwirtschaft. Gleichzeitig fordern sie besser koordinierte globale Maßnahmen, um Flächen zu schonen, die für Ökosystemdienstleistungen am wichtigsten sind und besonders empfindlich auf menschliche Eingriffe reagieren.

Die richtige Mischung macht’s

Alles in allem sehen sie eine Mischung aus verschiedenen Maßnahmen als sinnvollste Lösung an. Politische Regulierungen und gemeinschaftliche Ansätze allein werden nichts nützen, wenn es lukrativ bleibt die Umwelt zu zerstören, weil die damit verbundenen Strafen vergleichsweise minimal sind, die Regierungen die hohe Produktion von Gütern weiterhin subventioniert und Landwirte nicht mehr Verantwortung für die entstehenden Umweltkosten übernehmen, schreiben die Forscher. 

Sinnvoller wäre es, den Verbrauch von Umweltdienstleistungen wie Wasser (Bewässerung der Felder allein ist verantwortlich für 70 Prozent des weltweiten Süßwasserverbrauchs) zu besteuern, schlagen die Forscher vor. Zudem sollten Zuschüsse nur unter dem Vorbehalt gezahlt werden, dass die Landwirte so viel für den Schutz des Landes, wie für die Bewirtschaftung tun. Sie plädieren auch dafür, die Erträge auf bereits existierenden landwirtschaftlichen Flächen zu erhöhen, anstatt neue Flächen in Produktionsflächen umzuwandeln. Pflanzenforschung und –züchtung bleiben die Schlüsseldisziplinen, um mit weniger Einsatz von Betriebsmitteln mehr und vor allem auch sichere Erträge zu realisieren.

Landwirte haben einen der wichtigsten Berufe, da sie uns ernähren, aber die Forscher fordern ein Umdenken – hin zu noch mehr Umweltschutz bei der Arbeit.  


Quelle:
Tanentzap, A.J. et al. (2015): Resolving Conflicts between Agriculture and the Natural Environment. In: PLoS Biol 13(9): e1002242, (9. September 2015), doi: 10.1371/journal.pbio.1002242.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Das Anlegen von Blühstreifen an Feldrändern kann eine Art sein, um Agrar-Umweltprogramme im landwirtschaftlichen Betrieb zu integrieren. (Bildquelle: © Jan Freese / pixelio.de)