Alarm per Elektrosignal

Auch Pflanzen besitzen Glutamatrezeptor-ähnliche Rezeptoren

30.08.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pflanzen besitzen zwar keine Nervenzellen, aber sie nutzen ebenfalls elektrische Signale, um schnell auf Umweltreize reagieren zu können. (© Alex / Fotolia.com)

Pflanzen besitzen zwar keine Nervenzellen, aber sie nutzen ebenfalls elektrische Signale, um schnell auf Umweltreize reagieren zu können. (© Alex / Fotolia.com)

Pflanzen und Tiere können Nachrichten über elektrische Signale weiterleiten. Nun konnten Forscher zeigen, dass Pflanzen Glutamatrezeptor-ähnliche Rezeptoren benutzen – eine Proteingruppe, die in ähnlicher Weise auch im Nervensystem von Tieren eine wichtige Rolle spielt. Trotz aller Gemeinsamkeiten sind die ursprüngliche Funktion und die Art der Signalübertragung beider „Nervensysteme“ grundverschieden.

Droht einer Fliege Gefahr, ist sie innerhalb von 300 Millisekunden auf der Flucht. Diese Zeit reicht zwar aus, um den meisten Angreifern zu entkommen, nicht jedoch, wenn die Fliege auf einer Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) landet. Bei dieser fleischfressenden Pflanze sorgen elektrische Signale dafür, dass die Falle schneller zuschnappt, als die Fliege fliehen kann. Derartig schnelle Mechanismen bilden im Pflanzenreich zwar eher die Ausnahme, langsamer ablaufende Abwehrmechanismen, die von Fressfeinden induziert werden, sind jedoch weit verbreitet und über verschiedene pflanzliche Organe hinweg organisiert.

Jasmonate verbreiten Botschaft

Verwundete Blätter informieren andere Blätter über ihren Zustand durch eine bisher kaum erforschte Langstrecken-Signalübertragung. Bekannt ist jedoch, dass dabei die Produktion von Jasmonaten angeregt wird, die maßgeblich an Abwehrreaktionen der Pflanze beteiligt sind. Jasmonate gehören zur Gruppe der Phytohormone. Ihr Name leitet sich von der Jasminpflanze ab, in der sie zuerst entdeckt wurden. Ohne Jasmonate sind Pflanzen ihren Fressfeinden nahezu hilflos ausgeliefert. Bei einem Angriff lassen sich innerhalb von Minuten Jasmonsäure und ihr biologisch aktives Pendant Jasmonyl-Isoleucin sowohl im verwundeten Gewebe als auch weit davon entfernt in unbeschädigten Teilen der Pflanze nachweisen.

Auch elektrische Signale dienen als Boten

Pflanzen verfügen weder über Nerven noch über Synapsen, und geben dennoch in einem viel komplexeren System als bisher angenommen Botschaften über elektrische Signale weiter. So lösen bei manchen Pflanzen Fressfeinde eine Depolarisation der Plasmamembran aus, die sich über alle verwundeten Blätter ausbreiten. Das kommt im Pflanzenreich häufig vor, so beispielsweise auch, wenn die ägyptische Baumwollblattraupe (Spodoptera littoralis) eine Bohnenpflanze befällt. Auch Maispflanzen bedienen sich des elektrischen Nachrichtensystems, um alle Pflanzenteile darüber zu informieren, wenn ihnen nach einer längeren Durstperiode wieder Wasser zur Verfügung steht. Und wenn der Hibiskus befruchtet wurde, fährt er seinen Stoffwechsel mit Hilfe elektrischer Signale hoch.

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Pflanzenfressende Insekten (hier der Kartoffelkäfer) lösen in Pflanzen Abwehrmechanismen aus, die über den Jasmonatstoffwechselweg gesteuert sind.

Pflanzenfressende Insekten (hier der Kartoffelkäfer) lösen in Pflanzen Abwehrmechanismen aus, die über den Jasmonatstoffwechselweg gesteuert sind.

Bildquelle: © Dario Sabljak / Fotolia.com

Zusammenspiel nachgewiesen

In welchem Zusammenhang elektrische Signale und Jasmonatstoffwechselweg stehen und welche Gene diese Prozesse möglicherweise steuern, haben schweizer Wissenschaftler nun untersucht. In ihrer Studie maßen die Forscher elektrische Potentiale und Ionenflüsse über nicht-invasive Oberflächenelektroden, die sie auf verwundeten und intakten Blättern der Modellpflanze Arabidopsis thaliana platzierten. Dabei zeigte sich, dass die Depolarisation der Membranen in direktem Zusammenhang mit dem Jasmonatsignalweg auch in nicht beschädigten Blättern steht. Auch die daran beteiligten Gene konnten die Wissenschaftler identifizieren. Sie gehören zur Gruppe der Glutamatrezeptor-ähnlichen Rezeptorengenen (GLR) und codieren entweder für Kationenkanäle oder sind an der Depolarisation der Plasmamembran beteiligt.

Konserviertes System

GLR Proteine sind mit der Gruppe der Ionotropen Glutamatrezeptoren (iGluRs) verwandt, die im Nervensystem von Wirbeltieren an der synaptischen Signalübertragung beteiligt sind. Als Transmembranproteine in der Membran von Neuronen binden sie an den Botenstoff Glutamat. Zusammen mit ihren pflanzlichen Verwandten könnten sie Signalübertragungsmechanismen kontrollieren, die vor der evolutionsgeschichtlichen Trennung von Pflanzen und Tieren entstanden sind, mutmaßen die Wissenschaftler.

Elektrische Signalübertragung, aber grundverschieden

Doch bei allen Gemeinsamkeiten unterscheidet sich der Mechanismus, mit dem ein elektrischer Impuls erzeugt wird, deutlich bei Pflanzen und Tieren: Bei Tieren strömen große Mengen positiv geladener Natriumionen in die Nervenzellen. Gleich im Anschluss strömen ebenfalls positiv geladene Kaliumionen wieder aus der Zelle aus, um das Ladungsgleichgewicht zu wahren. Danach stellen tierische Zellen den Ausgangszustand wieder her.

Pflanzen besitzen keine Nervenzellen, können aber elektrische Signale entlang der Leitgefäße weiterleiten. Dabei strömen negativ geladene Chloridionen aus, denen positiv geladene Kaliumionen folgen. So fehlen der pflanzlichen Zelle am Ende des Vorgangs Ladungsträger. Wissenschaftler vermuten, dass die pflanzlichen Aktionspotentiale genau diesen Zustand ursprünglich auch herstellen sollten. Denn im ursprünglichen Lebensraum der Pflanzen, dem Meer, strömen ständig Kalium und Chlorid in die Zellen ein. Bei einer zu hohen Salzkonzentration würde nachströmendes Wasser die Zellen zum Platzen bringen. Mit regelmäßig ausgesendeten Aktionspotentialen konnte die Pflanze dieses Problem umgehen, indem sie überschüssiges Salz einfach entfernte. Wissenschaftler vermuten, dass die Nutzung dieses Systems zur Informationsweiterleitung bei Pflanzen erst viel später entwickelt wurde.


Quelle:
Mousavi, S. A. R., et al. (2013): GLUTAMATE RECEPTOR-LIKE genes mediate leaf-to-leaf wound signalling. IN: Nature 500, 422–426 (Online Veröffentlichung, 22. August 2013). DOI.10.1038/nature12478.

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