Armut als Wurzel allen Hungers

27.05.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ethikrat (Quelle: © eigen)

Ethikrat (Quelle: © eigen)

Wir können ausreichend Nahrungsmittel für alle produzieren, aber die Armut eines Großteils der Menschen hindert diese daran, Zugang zu den von ihnen benötigten Lebensmitteln zu erlangen. Politische, soziale und ökonomische Rahmenbedingungen können einem wirtschaftlichen Vorankommen der Armen zudem entgegenstehen. So könnte der Grundkonsens der Jahrestagung des Deutschen Ethikrats lauten.

Für seine Veranstaltung zum Thema "Die Ernährung der Weltbevölkerung – eine ethische Herausforderung" hatte der Deutsche Ethikrat ein international besetztes Podium geladen. Eine Kernthema der verschiedenen Vorträge bestand in der Frage, wie es trotz jahrzehntelanger Entwicklungshilfe, trotz politisch festgelegter Ziele den Hunger zu halbieren, trotz international verankerter Menschenrechte und trotz der technischen Fortschritte im Bereich der Landwirtschaft noch immer eine Milliarde hungernder Menschen geben kann, bzw. was getan werden muss um diese Situation zu lösen. 

Nahrungsmittelproduktion, ausreichend aber nicht nachhaltig

Allgemeines Einverständnis bestand darin, dass derzeit – theoretisch – ausreichende Mengen Nahrungsmittel produziert werden um alle Menschen zu ernähren, dass Ernährung mehr als bloße Kalorienzufuhr bedeutet und auch die Qualität der Nahrung mit einschließt, und dass die Hungernden – ausgerechnet – in den ländlichen Bereichen der Entwicklungsländer zu finden sind wo sie oftmals selber Nahrungsmittel produzieren. 

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Es gibt eigentlich genug für alle.

Es gibt eigentlich genug für alle.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Eva Coscubiela

Im Hinblick auf die Zukunft unterstrichen die Redner, dass die Nahrungsmittelproduktion und die Rolle der Landwirtschaft überdacht werden muss. Insbesondere hinterfragten sie die Nachhaltigkeit des derzeitigen Wirtschaftens und mahnten einen schonenderen Umgang mit den Ressourcen in der landwirtschaftlichen Produktion an. Das heißt trotz der derzeitig ausreichenden Produktion von Lebensmitteln bestand Konsens darin, dass Landwirtschaft produktiver bzw. im Umgang mit begrenzten Faktoren wie Land und Wasser effizienter werden muss. Dafür sollte nicht zuletzt auch eine verstärkte öffentliche Forschung zur nachhaltigen Landwirtschaft beitragen. Die Entwicklung lokal angepasster Systeme verlangt zudem eine Überarbeitung bestehender Forschungskonzepte. 

Die Nutznießer müssen die Armen sein 

Die Redner machten jedoch auch klar, dass Produktivitätsgewinne in der Landwirtschaft dazu beitragen müssen, die Wertschöpfung in den ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer zu erhöhen, die Kleinbauern aus der Subsistenzwirtschaft zu führen und allgemein Möglichkeiten für ein besseres Leben auf dem Land zu schaffen. Die relevante Frage hierbei war daher: Wem nützen zusätzliche Erträge? 

In diesem Zusammenhang hinterfragten die Redner auch die Rahmenbedingungen der landwirtschaftlichen Produktion, die in einer globalisierten Welt durch internationale Vereinbarungen und politische Entscheidungen beeinflusst werden können. Die Frage nach der Verantwortung Europas zeigt sich hier z. B. insbesondere im Bereich der Handels- und Subventionspolitik. In der Diskussion endete die Frage nach den Gründen des Hungers somit immer wieder bei der Wirtschaft, bzw. bei der fehlenden Teilhabe der Armen an der wirtschaftlichen Entwicklung. Daher bestand auch Übereinstimmung darin, dass eine auf die Armen ausgerichtete ländliche Entwicklung unerlässlich ist um das Hungerproblem zu lösen – nicht zuletzt durch die Schaffung grundsätzlicher Voraussetzungen wie Bildung, Rechtssicherheit, Zugang zu Krediten oder eine bessere ländliche Infrastruktur. 

Den Armen muss man auf Augenhöhe begegnen 

Die ethische Herausforderung bei der Ernährung der Weltbevölkerung sahen die Redner vor allem darin, wie den Hungernden und Armen begegnet wird. Dabei bestand Übereinstimmung, dass die Armen weder Bittsteller noch bloße Objekte sondern Subjekte und Träger von Rechten sind. Demzufolge müssen Projekte der Entwicklungshilfe auf Partizipation angelegt werden, um zu erreichen, dass die beabsichtigten Nutznießer sich die Projekte zu Eigen machen. Das heißt auch und insbesondere, dass das Wissen und Handeln der Landwirte sowie die Rolle der Frau für eine erfolgreiche Landwirtschaft und Ernährung respektiert werden. Gerade in Entwicklungsländern sind es oftmals die Frauen, welche die Ernährer der Familien sind. 

Die Jahrestagung des Deutschen Ethikrates zeigte, wie wichtig es ist, ethische Fragen mit wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragestellungen zu verknüpfen. Insbesondere durch die Rückfragen aus dem Publikum wurde deutlich, dass gerade bei einer komplexen Fragestellung eine ethische Betrachtung helfen soll, konkrete Entscheidungshilfen zu erarbeiten. Ethik ist weder Alibi noch bloße Bewertung, sondern sie begleitet durch die Definition von Normen und Werten das praktische Handeln.