Artenvielfalt in Gewässern gefährdet

Pestizide reduzieren die regionale Biodiversität

27.06.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Insektenarten wie die Kleinlibelle Ischnura senegalensis sind durch Pestizideinträge in ihren Lebensraum besonders bedroht. (Aufnahmeort: Banaue/Philippinen; Quelle: © André Künzelmann/UFZ)

Insektenarten wie die Kleinlibelle Ischnura senegalensis sind durch Pestizideinträge in ihren Lebensraum besonders bedroht. (Aufnahmeort: Banaue/Philippinen; Quelle: © André Künzelmann/UFZ)

Pestizide, die in der Landwirtschaft angewendet werden, haben auch Auswirkungen auf umliegende Ökosysteme. Ein Forscherteam hat nun den Einfluss von Pestiziden auf die Vielfalt von wirbellosen Tieren in Fließgewässern untersucht: Die regional Vielfalt an drei Standorten (Deutschland, Frankreich und Australien) nahm mit steigender Pestizidbelastung ab. In stark belasteten Bereichen wurden bis zu 42 Prozent weniger Arten verzeichnet als in von Pestiziden unberührten Regionen.

In der Landwirtschaft werden chemische Substanzen, Pestizide, eingesetzt, um die angebauten Nutzpflanzen zu schützen, beispielsweise von schädlichen Insekten oder Krankheiten. So wollen die Landwirte ihre Erträge sichern und Ernteverluste verhindern. Je nach Anwendungsbereich  unterscheidet man Insektizide, - die schädliche Insekten bekämpfen - Herbizide, - die unerwünschte Pflanzen wie Beikräuter vernichten - und Fungizide, welche die Pflanzen vor Pilzen oder deren Sporen schützen sollen.

Einsatz mit Nebenwirkungen?

Allerdings stehen sie auch in der Kritik ökologische Nachteile mitzubringen. So gibt es Studien, die zu dem Ergebnis kamen, dass Insektizide auch Nützlinge wie Bestäuber schädigen können, oder dass einige Wirkstoffe oder Zusatzstoffe in Pestiziden für Amphibien wie Frösche giftig sein können. Umweltschützer kritisieren, dass nicht nur einzelne Arten durch den Einsatz von Pestiziden gefährdet werden, sondern die gesamte Biodiversität eines Ökosystems betroffen ist.

Ob und bei welchen Konzentrationen Pestizide tatsächlich langfristig die regionale Artenvielfalt beeinflussen, hat ein deutsches Forscherteam nun an Fließgewässern untersucht.

Regionaler Artenreichtum untersucht

Um die biologische Vielfalt in einer Region zu bestimmen, betrachtet man die Anzahl an Taxa, d.h. Gruppen von Lebewesen, die in ihr leben. Fließgewässer beheimaten eine Vielzahl von Tieren, ungefähr 12 Prozent aller bekannten Arten (vgl. UFZ). So auch viele wirbellose Tiere wie Insekten. Insekten übernehmen wichtige Funktionen für die Ökosysteme. Darunter bestäuben sie Pflanzen und sorgen so für deren Verbreitung. Diese Tiere sind daher ein wichtiges Glied, das es vor schädigenden Einflüssen zu schützen gilt. Doch, welche Auswirkungen haben Pestizide auf diese wirbellosen Lebewesen?

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Auch Eintagsfliegen sind für Pestizide speziell anfällig. Sie besiedeln europäischen Flüsse, Bäche und Ströme und sind besonders arten- und individuenreich.

Auch Eintagsfliegen sind für Pestizide speziell anfällig. Sie besiedeln europäischen Flüsse, Bäche und Ströme und sind besonders arten- und individuenreich.

Bildquelle: © filo24 / Fotolia.com

Deutsche Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und dem Institut für Umweltwissenschaften Landau haben gemeinsam mit einem australischen Kollegen der Technischen Universität Sydney die regionale Vielfalt von wirbellosen Tieren in Fließgewässern mit dem Pestizidgehalt verglichen. Dabei verwendeten die Forscher Daten aus mehreren Standorten in Europa (Deutschland und Frankreich) und Australien (Victoria). Sie unterteilten dabei drei Kategorien von Pestizidbelastung: unberührt, leicht verunreinigt oder stark verschmutzt.

In stark belasteten Gebieten gibt es nachweislich weniger Arten

Die Forscher fanden heraus, dass in unberührten Standorten mehr Taxa auffindbar waren als in belasteten. Am deutlichsten wurde der Vergleich in Europa - in stark kontaminierten Orten waren 42 Prozent weniger Arten vorhanden als in unberührten. In Australien fanden die Wissenschaftler in stark belasteten Standorten 27 Prozent weniger Insektengruppen auf.  

Die signifikanten Verluste an der regionalen Biodiversität betrafen vor allem die Gruppen von Lebewesen, die ohnehin speziell anfällig für Pestizide sind. Darunter fallen u.a. auch Libellen und Eintagsfliegen. Dabei ist besonders bedenklich, dass diese Insektengruppen sehr artenreich sind. Diese Kleinstlebewesen sind also für die Vielfalt in den Ökosystemen besonders bedeutsam.

Auch konnten die Wissenschaftler keine anderen Variablen, wie beispielsweise die Wasserqualität, entdecken, die einen Unterschied an Arten und Taxa zwischen den untersuchten Orten erklärt hätte. Grund müssen daher die unterschiedlichen Belastungskategorien sein, so ihre Folgerung. Die Wissenschaftler deuten daher die Ergebnisse ihrer Studie so, dass die Pestizide ein wichtiger Treiber von Artenverlusten in den Gewässern sind.

Internationale Schutzmaßnahmen wohl nicht ausreichend

Auch an Orten mit niedrigen Konzentrationen an Schadstoffen, die nach aktuellen europäischen Vorschriften als unbedenklich gelten (1 toxische Einheit auf 100), kam es zu einem Verlust an Biodiversität. Daher äußern die Wissenschaftler Sorge, dass die bestehenden Schutzmaßnahmen zu kurz greifen: „Die neuen Ergebnisse zeigen, dass das Ziel der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt, den Artenschwund bis 2020 zu bremsen, gefährdet ist“, betont Ökotoxikologe Matthias Liess, der an der Studie beteiligt war. Die gesetzlich geregelten Höchstmengen an Pestiziden würden die wirbellosen Tiere in Fließgewässern gefährden. „Pestizide werden immer Wirkungen haben auf Ökosysteme, ganz gleich wie rigide die Schutzkonzepte sind. Aber nur wenn validierte Bewertungskonzepte verwendet werden, kann eine realistische Abwägung erfolgen, welche Ökosysteme auf welchem Niveau geschützt werden müssen“, gibt Liess zu bedenken.


Quelle:
Beketov, M.A. et al. (2013): Pesticides reduce regional biodiversity of stream invertebrates. In: PNAS, (17. Juni 2013), doi: 10.1073/pnas.1305618110.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Insektenarten wie die Kleinlibelle Ischnura senegalensis sind durch Pestizideinträge in ihren Lebensraum besonders bedroht. (Aufnahmeort: Banaue/Philippinen; Quelle: © André Künzelmann/UFZ)