Bakterien unterstützen Abbau von Biomasse in Pilzgärten von Blattschneiderameisen

11.10.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Blattschneiderameisen zerschneiden Blätter und transportieren sie zu ihrem Bau. (Quelle: © iStockphoto.com/ Morley Read)

Blattschneiderameisen zerschneiden Blätter und transportieren sie zu ihrem Bau. (Quelle: © iStockphoto.com/ Morley Read)

Immer wieder versucht der Mensch die Natur zu imitieren. So könnten wir in Zukunft von der Blattschneiderameise lernen, wie Biomasse mithilfe von Bakterien abgebaut wird. Das Wissen könnte die Herstellung von Bioenergie effizienter machen.

Pflanzenzellwände sind der größte Speicher für organischen Kohlenstoff weltweit. Doch kommt der Kohlenstoff dort in Form von Zellulose, Hemizellulose und Lignin vor, den die meisten Organismen nicht verstoffwechseln können. Einige Bakterien und Pilze sind jedoch in der Lage, diese komplexen Moleküle abzubauen und spielen daher eine entscheidende Rolle im Ernährungskreislauf eines Ökosystems. Diese sogenannten lignocellulolytischen Mikroorgansimen können eine Symbiose mit Tieren eingehen, die sich von pflanzlicher Biomasse ernähren. Die Mikroorgansimen werden dabei von ihrem Wirt durch die Aufnahme von Nahrung mit entsprechenden Substanzen versorgt. Diese bauen sie ab, so dass Nährstoffe für den Wirt frei werden.

Alle profitieren von der Lebensgemeinschaft

Ein eindrucksvolles Beispiel für eine solche Symbiose ist die Blattschneiderameise, die sich von einem Pilz (Ordnung der Agaricales) ernährt. In riesigen Kolonien sammeln Ameisenarbeiterinnen Blätter, zerteilen sie mit ihren Mundwerkzeugen in kleine Stücke und transportieren diese zu ihrem unterirdischen Bau. Dort zerkauen weitere Arbeiterinnen die Blattstückchen, formen sie zu Kügelchen und fügen sie einem Materialhaufen bei. Dieses Substrat bildet einen „Garten“ und dient dem speziellen Pilz der Ameisen als Nahrungsgrundlage. 

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Bakterien machen die Symbiose von Ameisen und Pilzen erst möglich.

Bakterien machen die Symbiose von Ameisen und Pilzen erst möglich.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ David Marchal

Die Symbiose von Insekt und Pilz scheint offensichtlich: Die Ameise liefert dem Pilz Nahrung, pflegt und schützt ihn und sorgt für seine Vermehrung. Im Gegenzug  ernähren sich die Ameisen von eben diesem Pilz. Bisher wurde angenommen, dass der Pilz selbst die pflanzliche Biomasse abbaut, um Nährstoffe nutzen zu können. Doch kürzlich wurde festgestellt, dass dieser Pilz nicht fähig ist, Zellulose – Hauptbestandteil pflanzlicher Biomasse - selbst abzubauen. Damit stellte sich die Frage, wie Zellulose im Pilzgarten stattdessen abgebaut wird. Zur Entstehung des Substrats sind offensichtlich Abbauprozesse notwendig, die bisher nur wenig bekannt waren.

Veränderungen von oben nach unten

In einer nun vorliegenden Studie sind Wissenschaftler diesen Prozessen zum Abbau von Biomasse und der verantwortlichen mikrobiellen Gemeinschaft auf den Grund gegangen. Zunächst haben die Forscher festgestellt, dass in den Pilzgärten eine klare Trennung in der stofflichen Zusammensetzung zwischen der unteren und der oberen Schicht herrscht. Die obere Lage besteht vorwiegend aus den frischen grünen Blattstücken. In der unteren Lage dagegen befindet sich das reife Pilzgeflecht und abgebautes Pflanzenmaterial.

Die quantitative Analyse der Zuckerzusammensetzung der oberen und unteren Lagen von Pilzgärten in fünf Ameisenkolonien zeigte, dass die Menge an Zellulose und anderen Polysacchariden von oben nach unten deutlich abnimmt. Da der Pilz diese Moleküle nicht abbauen kann, vermuteten die Forscher, dass andere Mikroorganismen an dem Abbau von Biomasse beteiligt sind. Zur weiteren Untersuchung führten sie verschiedene Sequenzierungsmethoden durch und fanden Hinweise auf eine artenreiche Gemeinschaft von Bakterien in den Pilzgärten.

Bakterien sind am Abbau der Biomasse in Pilzgärten beteiligt

Um zu klären, ob die durch den Sequenzvergleich ermittelten 17 Bakterienstämme tatsächlich am Abbau der Biomasse beteiligt sind, wurden die Genome der beiden in den Pilzgärten am häufigsten vorkommenden Bakterienstämme Klebsiella variicola und Panteoea sequenziert und deren Proteome analysiert. In den Genomen beider Stämme kamen verschiedene Sequenzen vor, die für die Kodierung von Enzymen zum Abbau von Zellulose bekannt sind. Zusätzlich wurden Kulturen dieser Bakterien angelegt, die ebenfalls ihre Rolle beim Abbau von Zellulose bestätigten konnten.

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 Auch Rinder sind Pflanzenfresser. Die Enzymprofile des Rinderpansens ähneln denen der Pilzgärten von Blattschneiderameisen.

Auch Rinder sind Pflanzenfresser. Die Enzymprofile des Rinderpansens ähneln denen der Pilzgärten von Blattschneiderameisen.

Bildquelle: © Martin Büdenbender / pixelio.de

Bakterien besitzen Enzyme, die denen in Rinderpansen sehr ähnlich sind

Im Anschluss wurden diese Enzymprofile des Pilzgartens der Blattschneideameisen mit denen anderer Kohlenhydrate abbauender Systeme verglichen. Die höchste Ähnlichkeit ergab sich mit dem Metagenom eines Wiederkäuers, dem Pansen von Rindern. In beiden Systemen, Rindermagen und Pilzgarten, fanden sich ähnliche Enzyme, die für den Abbau von Oligosacchariden - Bestandteile von Hemizellulose und anderen Kohlenhydraten - zuständig sind. Sehr unterschiedlich waren jedoch die Populationen von Bakterienarten, aus welchen diese Enzyme stammten. Die evolutionäre Annäherung und damit die Optimierung für den effizienten Abbau der Biomasse beim Rind und den Ameisengärten erfolgt somit nicht auf biologischem sondern auf biochemischem Weg.

Die Fähigkeit der Blattschneiderameisen, eine externe bakterielle Gemeinschaft zum Abbau von Biomasse aufrechtzuerhalten, ist vermutlich ein Schlüsselfaktor  für deren Verbreitung in den Neotropen.

Zukünftige Entwicklungen

Die Ergebnisse liefern bedeutende Erkenntnisse über die Funktionsweise mikrobieller Gemeinschaften, die Biomasse in natürlicher Umgebung in großem Maßstab abbauen können. Von einem besseren Verständnis dieser Mechanismen gehen neue Impulse für die technische Entwicklung von Methoden zur Umwandlung von Biomasse z.B. in Biotreibstoff aber auch zur chemischen Verwertung aus. Je besser natürliche Mechanismen erforscht sind, desto besser ist der Mensch in der Lage, diese zu imitieren, um neue zukunftsweisende und effiziente Verfahren zu entwickeln.


Quelle:
Garret Suen et al. “An Insect Herbivore Microbiome with High Plant Biomass-Degrading Capacity”, PLoS Genetics, Volume 6, Issue 9, e1001129, September 2010 (Link)

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