Bei den Medizinern abgeschaut

Kleine Moleküle mit großer Wirkung

25.08.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Jarin-1 hemmt das Enzym JAR1 , indem es dort bindet, wo normallerweise nur das natürliche Substrat Platz nimmt – die mit Isoleucin beladene Jasmonsäure (JA-Ile). [...] (Quelle: Corey S. Westfall, Washington University, St. Louis)

Jarin-1 hemmt das Enzym JAR1 , indem es dort bindet, wo normallerweise nur das natürliche Substrat Platz nimmt – die mit Isoleucin beladene Jasmonsäure (JA-Ile). [...] (Quelle: Corey S. Westfall, Washington University, St. Louis)

Arbeiten Pflanzenforscher daran, einen Stoffwechselweg aufzuklären, schalten sie meist einzelne Gene aus und untersuchen die Änderungen. Doch auch spezifische Inhibitoren, die einen Stoffwechselweg an einer bestimmten Stelle stoppen, eignen sich für solche Studien. Wissenschaftler fanden nun ein kleines Molekül (small molecule), das die Wirkung des wichtigen Pflanzenhormons Jasmonsäure gezielt unterbindet.

Die pflanzliche Jasmonsäure ist ein wahrer Alleskönner: Sie beeinflusst die Blütenbildung, das Wurzelwachstum, den Fraß- und Infektionsschutz, die Wundheilung, die Alterung der Pflanzen und vieles mehr. Doch bisher haben Wissenschaftler nur eine einzige Signalkette entdeckt, die eine derart breite Wirkung der Jasmonsäure jedoch nicht erklären kann. Um weitere, bisher unentdeckte Signalwege und Wirkmechanismen aufzuspüren, sind Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und der Universität Duisburg-Essen einen Weg gegangen, der gewöhnlich in der Medizin, beispielsweise bei Chemotherapien, beheimatet ist. Sie haben ein Molekül identifiziert, das die Wirkung der Jasmonsäure ausbremst.

Jarin-1 hemmt spezifisch den Jasmonsäurestoffwechsel

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Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus einer Microplatte mit Arabidopsis-Keimlingen, in denen durch Jasmonsäurebehandlung eine Blaufärbung ausgelöst wurde (durch Expression eines spezifischen Gens). Mit diesem Test wurden aus einer Substanzbibliothek (1.728 Chemikalien) die Inhibitoren aufgrund der unterdrückten Blaufärbung identifiziert.
Die (systematische) Suche nach Hemmstoffen, die die Wirkung des Pflanzenhormons Jasmonsäure unterbinden

Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus einer Microplatte mit Arabidopsis-Keimlingen, in denen durch Jasmonsäurebehandlung eine Blaufärbung ausgelöst wurde (durch Expression eines spezifischen Gens). Mit diesem Test wurden aus einer Substanzbibliothek (1.728 Chemikalien) die Inhibitoren aufgrund der unterdrückten Blaufärbung identifiziert.

Bildquelle: © Erich Kombrink, Max Planck Institut für Züchtungsforschung, Köln

Um einen spezifischen Hemmstoff ausfindig zu machen, testeten die Wissenschaftler 1.728 niedermolekulare Verbindungen an intakten Arabidopsis-Pflanzen auf ihre Wirkung. „Unsere Arabidopsis-Pflanzen enthielten ein Reportergen, das durch Jasmonate aktiviert wird. Dabei kommt es zu einer Farbreaktion“, erklärt Dr. Erich Kombrink vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. Von 1.728 Verbindungen identifizierten die Forscher zunächst 16 Substanzen, die den Signalweg der Jasmonsäure versperren. „Bei einem Screening, das auf Hemmung basiert, sind auch immer Substanzen dabei, die das Wachstum der Pflanze empfindlich stören können“, so Kombrink weiter.

Aus den 16 Hemmstoffen haben die Wissenschaftler nun erfolgreich eine herausgefiltert, die außer dem Jasmonsäurestoffwechsel keine andere Funktion der Pflanze beeinträchtigt. Der spezifische Inhibitor trägt den Namen Jarin-1. „Die Substanz ist von der Grundstruktur her ein pflanzliches Alkaloid, dessen Aminogruppen unterschiedliche Seitenketten tragen können“, erklärt Kombrink. „Die spezifische Wirkung von Jarin-1 ist an eine ganze bestimmte Seitenkette gebunden. Andere Seitenkettenstrukturen entwerten die spezifische Wirkung der Substanz. Aus diesem Grund haben wir sie komplett neu synthetisiert. Nur so konnten wir absolut sicher sein, dass wir ihre chemische Struktur und deren Wirkung richtig analysiert haben.“

Fehlende Verknüpfung mit Isoleucin

Nachdem der Inhibitor gefunden war, suchten die Wissenschaftler den genauen Angriffspunkt des Moleküls im Stoffwechselweg der Jasmonsäure. Bekannt ist, dass der Signalweg mit der Verknüpfung von Jasmonsäure und der der Aminosäure Isoleucin beginnt. Dieser Schritt wird von einem Enzym namens JAR1 ausgeführt. Das entstehende Produkt führt über Umwege dazu, dass die Gene abgelesen werden, die für die jeweilige Wirkung der Jasmonsäure nötig sind. Die Forscher konnten zeigen, dass dieser Signalweg unterbrochen wird, wenn der Hemmstoff Jarin-1 appliziert wird. Jarin-1 attackiert das Enzym JAR1, so dass keine mit Isoleucin verknüpfte Jasmonsäure in der Zelle entsteht. Genauere Untersuchungen der Forscher zeigten, dass Jarin-1 an das aktive Zentrum von JAR1 bindet und so die natürlichen Substrate behindert. Die Gene, welche normalerweise vom molekularen Alleskönner Jasmonsäure aktiviert werden,  können nicht mehr abgelesen werden, da das Duo aus Jasmonsäure und Isoleucin nicht mehr dafür sorgt, dass der Startpunkt der Gene freigeräumt wird.

Breit einsatzbarer Inhibitor

Der neu identifizierte Hemmstoff könnte auch für Studien in anderen Pflanzen von Nutzen sein, denn auch im Behaarten Schaumkraut (Cardamine hirsuta) zeigten die Pflanzen unter dem Einfluss des Inhibitors das gleiche Erscheinungsbild wie nach einer gezielten Mutation von Genen aus dem Signalweg der Jasmonsäure. „Wir haben es also offensichtlich mit einem breit einsetzbaren Molekül zu tun“, kommentiert Kombrink diesen Befund.

Kleine Moleküle sind interessante neue Werkzeuge für die Forschung. Mit ihrer Arbeit zeigen die Forscher, wie man systematisch danach suchen und ihre Wirkung ermitteln kann. „Derartige Hemmstoffe können beispielsweise in Pflanzen angewendet werden, für die es noch keine beschriebenen Mutationen an einer bestimmten Stelle des Stoffwechsels gibt“, erklärt Kombrink einen Vorteil der Methode. Auch auf Kombinationsmutanten mit mehreren Mutationen könnte dank eines passenden Inhibitors verzichtet werden. Aber auch eine Stärkung von Pflanzen gegen Stressoren wie Schädlinge oder Umwelteinflüsse ist mit kleinen Molekülen denkbar und wird erforscht.


Quelle:
Meesters C., et al. (2014): A chemical inhibitor of jasmonate signaling targets JAR1 in Arabidopsis thaliana. In: Nat Chem Biol. (17. August 2014 [Epub ahead of print]), doi: 10.1038/nchembio.1591.

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Titelbild: Jarin-1 hemmt das Enzym JAR1 , indem es dort bindet, wo normallerweise nur das natürliche Substrat Platz nimmt – die mit Isoleucin beladene Jasmonsäure (JA-Ile). Beide Substanzen verhaken sich so ineinander, dass JAR1 seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Das linke Bild zeigt eine Übersicht über das ganze Enzym, das rechte Bild einen Blick in das aktive Zentrum. (Quelle: Corey S. Westfall, Washington University, St. Louis)