Bt-Baumwolle von Wanzen befallen

21.03.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Kann sich Bt-Baumwolle schlechter gegen Wanzen wehren? (Quelle: © M.E./ pixelio.de)

Kann sich Bt-Baumwolle schlechter gegen Wanzen wehren? (Quelle: © M.E./ pixelio.de)

Bt-Baumwolle kann ihre Hauptschädlinge, verschiedene Schadschmetterlinge, spezifisch und erfolgreich abwehren. Stattdessen richten nun in weiten Teilen Chinas und den USA Wanzen großen Schaden an Bt-Baumwollfeldern an. Der ausbleibende Raupenfraß verringert die natürliche Abwehrreaktion der Pflanze und kann für das Auftreten der Wanzen mitverantwortlich sein.

Noch vor zehn Jahren wuchs gentechnisch veränderte Baumwolle auf 12 Prozent aller Felder – heute sind es über 80 Prozent aller Baumwollfelder weltweit. Bt-Baumwolle enthält ein Gen des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis (Bt). Damit produziert sie ein Gift, das für die wichtigsten Baumwollschädlinge– gefräßige Raupen von Schadschmetterlingen – tödlich ist. Mit der Verbreitung der Bt-Pflanzen wuchs die Sorge, ob diese auch Nicht-Zielorganismen schädigen könnten. „Bei dem Begriff „Nicht-Ziel-Organismen“ denken wir meistens an Nützlinge. Diese sind aber in diesem Fall nicht betroffen“, so Dr. Jörg Romeis, Leiter der Forschungsgruppe Biosicherheit von Agroscope in Zürich-Reckenholz. „In Baumwolle gibt es eine ganze Reihe von Schädlingen, von denen lediglich die Schmetterlinge durch die Bt-Pflanzen gezielt getötet werden.“ In manchen Regionen der USA, hauptsächlich aber in China treten vermehrt Wanzen als Schädlinge der Bt-Baumwolle auf. Dort zerstören die Wanzen hauptsächlich die reproduktiven Teile der Bt-Baumwollpflanzen und richten damit einen großen wirtschaftlichen Schaden an.

Wanzen als Bt-Baumwollschädlinge

„Vor dem Aufkommen der Bt-Baumwolle wurden die Schmetterlinge, die Hauptschädlinge der Baumwollpflanzen, durch breit wirkende Insektizide bekämpft“, erklärt Dr. Romeis. Die Baumwollwanzen seien dabei einfach mitgetötet worden und daher als Baumwollschädlinge nie in beachtenswerte Erscheinung getreten. Durch den Anbau von Bt-Baumwolle konnte der Insektizideinsatz stark reduziert werden, was wiederum der Vermehrung der Wanzen zugute kam. Bisher noch ungeklärt ist, warum die Wanzen nicht in allen Bt-Baumwoll-Anbaugebieten gleichermaßen häufig vorkommen. „In Teilen der USA und in China hat das Aufkommen der Wanzen stark zugenommen, während dies in Australien nicht der Fall ist“, so Dr. Romeis. Das könnte an den klimatischen Bedingungen, am Artenspektrum, an der unterschiedlichen biologischen Kontrolle durch Fressfeinde und am Angebot anderer Futterpflanzen für die Wanzen liegen. „Bt-Pflanzen sind außerdem weniger geschädigt als konventionelle Baumwolle und damit attraktiver für die Wanzen“, erläutert Dr. Romeis einen weiteren Grund für die Wanzenvermehrung auf Bt-Baumwolle. Die Wanzen würden auch nicht mehr durch die „bissigen Larven“ der Schadschmetterlinge vertrieben, so Romeis weiter.

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Bt-Baumwolle produziert Proteine, die im Darm von Schädlingen, wie etwa den Raupen des Baumwollkapselbohrers, tödlich wirken. Weil weniger Raupen an den Pflanzen fressen, könnte das aber auch die Abwehr der Pflanzen gegenüber anderen Schädlingen schwächen.

Bt-Baumwolle produziert Proteine, die im Darm von Schädlingen, wie etwa den Raupen des Baumwollkapselbohrers, tödlich wirken. Weil weniger Raupen an den Pflanzen fressen, könnte das aber auch die Abwehr der Pflanzen gegenüber anderen Schädlingen schwächen.

Bildquelle: © Ellmist/ WikiCommons; gemeinfrei

Verhindert  Bt das Auslösen der Abwehr?

Eine weitere Erklärung für deren Ausbreitung der Wanzen auf Bt-Baumwolle könnte auch ein biologischer Mechanismus der Bt-Pflanzen sein, wie das Team um Jörg Romeis in seiner aktuellen Gewächshaus- und Feld-Studie zeigt. Baumwollpflanzen verfügen über ein ausgefeiltes Verteidigungssystem. Wenn konventionelle Baumwollpflanzen von Schmetterlingsraupen angefressen werden, beginnen sie Abwehrsubstanzen, so genannte Terpenoide, zu bilden. Dadurch verderben sie nicht nur den Raupen den Appetit, sondern auch vielen anderen Fraßfeinden. Je stärker eine Baumwoll-Pflanze durch ihre Fraßfeinde beschädigt wird, desto mehr Terpenoide bildet sie, um diese abzuwehren. Bei Bt-Baumwollpflanzen wird dieses Abwehrsystem weniger ausgelöst. Dort tötet das Gift der Bt-Baumwolle die Schmetterlingsraupen, bevor sie den Pflanzen so viel Schaden zufügen, dass diese ihr Verteidigungssystem hochfahren. Romeis und sein Team konnten zeigen, dass sich Blattläuse – denen das Bt-Toxin nichts ausmacht – auf diesen Pflanzen stärker vermehren als auf konventionellen Baumwollpflanzen. Damit hat Romeis mit seinem Team erstmals einen indirekten Effekt der Bt-Baumwolle aufgedeckt: Weil das Abwehrsystem nicht aktiviert wird, können sich im Windschatten andere pflanzenfressende Insekten ungestört vermehren.

Baumwollläuse als Modellorganismus

Die Studie beschränke sich bisher nur auch das Vorkommen von Baumwollläusen, obwohl diese als Schädlinge der Baumwolle praktisch keine Rolle spielen. „Die Läuse dienten uns als Modellorganismus, da sie einfach zu kultivieren sind. Blattläuse sind außerdem zwar empfindlich gegen Terpenoide, können deren Produktion aber nicht selbst auslösen“, erklärt Dr. Romeis die Auswahl der Versuchstiere.

Effekt im Freiland weniger ausgeprägt

In den Gewächshausversuchen der Wissenschaftler vermehrten sich die Blattläuse wesentlich besser auf unbeschädigten Bt-Baumwollpflanzen als auf Pflanzen, die durch Raupen beschädigt waren. Auf den Feldern war der Effekt weit weniger ausgeprägt. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Gründe dafür die natürlichen Fressfeinde der Läuse sind. „Eine klare Korrelation zwischen den Terpenoid-Konzentrationen und der Blattlauspopulation konnten wir in den Freilandversuchen nicht feststellen“, so Romeis. Das kann zum einen am Versuchsaufbau liegen: Um die Terpenoid-Konzentration zu bestimmen, müssen die Pflanzen abgeerntet werden. „Das ist natürlich erst am Ende des Versuchs möglich“, so Romeis. Aber auch viele weitere Faktoren wie beispielsweise andere Fressfeinde, die möglicherweise unbeobachtet die Wurzeln der Pflanzen geschädigt haben oder andere Pflanzeninhaltsstoffe, die die Wissenschaftler in ihren Messungen nicht erfasst haben, können einen Einfluss auf die Verbreitung der Blattläuse in freier Natur haben. Ob dieser Effekt nicht nur bei Blattläusen zum Tragen kommt, sondern etwa auch bei den Wanzen, die den Baumwollbauern in China und anderen Anbauregionen Sorgen bereiten, möchte Dr. Romeis mit seinem Team als Nächstes untersuchen.

Integrierter Pflanzenschutz

Bedeutet die Ausbreitung der Wanzen auf Bt-Baumwolle, dass die Technologie versagt hat? „Wenn wir Pflanzen vor bestimmten Schädlingen schützen, profitieren andere Schädlinge davon“, fasst Dr. Romeis zusammen, was meist dann gilt, wenn breit wirksame Pflanzenschutzmaßnahmen durch spezifische ersetzt werden. Nun gelte es, diese Schädlinge ebenfalls in Schach zu halten. Durch den Einsatz von breit gefächerten Insektiziden werde allerdings der Nutzen der Bt-Pflanzen zunichte gemacht. „Dann stünden wir wieder dort, wo wir vor dem Einsatz der Bt-Baumwolle waren“, so Romeis. Er plädiert für den integrierten Pflanzenschutz. Dabei versucht man, die Schädlingspopulation möglichst niedrig zu halten. Dies kann beispielsweise durch Fruchtfolgenwechsel, den Verzicht auf Monokulturen oder auch durch die spezifische Bekämpfung einzelner Schädlinge durch den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen erfolgen. „Chemische Insektizide sollten erst dann eingesetzt werden, wenn die Schädlingsprobleme zu groß werden“, erklärt Romeis. Momentan untersuchen Wissenschaftler in China die Biologie der Baumwollwanzen unter Hochdruck, um neue Möglichkeiten zu finden, die Schädlinge umweltfreundlich und spezifisch unter Kontrolle zu bringen.


Quelle:

Hagenbucher, S. et al . (2013): Pest trade-offs in technology: reduced damage by caterpillars in Bt cotton benefits aphids. Published online March 13, 2013 Proc. R. Soc. B 7 May 2013 vol. 280
doi: 10.1098/rspb.2013.0042

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Titelbild: Kann sich Bt-Baumwolle schlechter gegen Wanzen wehren? (Quelle: © M.E./ pixelio.de)