Der Architekt im Genom

Transkriptionsfaktor steuert die Entwicklung von Gerstenähren

28.11.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Gerste ist nicht nur eine wichtige Nutzpflanze, sondern auch ein Forschungsobjekt - ein Modellsystem für Getreide. (Bildquelle: © Gina Sanders/Fotolia.com)

Gerste ist nicht nur eine wichtige Nutzpflanze, sondern auch ein Forschungsobjekt - ein Modellsystem für Getreide. (Bildquelle: © Gina Sanders/Fotolia.com)

Forscher haben entdeckt, dass der Transkriptionsfaktor VRS2 entscheidend die Entwicklung und Architektur von Gerstenähren beeinflusst. Damit konnten die Wissenschaftler die molekularen Mechanismen hinter der Ährenbildung weiter aufklären. Doch auch für die Pflanzenzüchtung ist diese Erkenntnis interessant, denn die Ährenarchitektur bestimmt den Ertrag des Getreides mit.

Für Landwirte und Züchter ist der Ertrag ein wichtiges Erfolgskriterium. Bei Getreide wie z. B. Gerste (Hordeum vulgare) ist die Architektur der Blütenstände, also der Ähren, ein wichtiger Faktor für den Ertrag, da in ihnen die Körner gebildet werden. Dennoch weiß man nur sehr wenig darüber, was auf molekularer Ebene abläuft damit Ähren gebildet werden und ihre charakteristische Form beibehalten. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Thorsten Schnurbusch vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben hat nun ein wenig Licht ins Dunkel gebracht.

VRS2 spielt eine zentrale Rolle

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Dr. habil. Thorsten Schnurbusch (links), der Leiter der unabhängigen Arbeitsgruppe Pflanzliche Baupläne am IPK in Gatersleben, und Dr. Helmy Youssef (rechts) haben gemeinsam mit Kollegen aus Schweden und Japan einen zentralen Regulationsmechanismus für die Ährenarchitektur in Gerste aufgedecken. 

Dr. habil. Thorsten Schnurbusch (links), der Leiter der unabhängigen Arbeitsgruppe Pflanzliche Baupläne am IPK in Gatersleben, und Dr. Helmy Youssef (rechts) haben gemeinsam mit Kollegen aus Schweden und Japan einen zentralen Regulationsmechanismus für die Ährenarchitektur in Gerste aufgedecken. 

Bildquelle: © Lynne Main/IPK

Die Wissenschaftler entdeckten bei Mutanten, denen das Gen Six-rowed spike 2 (Vrs2) fehlte Veränderungen in der Ährenarchitektur und in der Entwicklung. Das nahmen die Forscher zum Anlass, das Gen und dessen Produkt - das Protein VRS2 - genauer unter die Lupe zu nehmen. Dafür verglichen sie ebensolche Mutanten mit einer Kontrollgruppe. Das Forscherteam entdeckte, dass VRS2 ein Transkriptionsfaktor ist, der die Konzentration von Zucker (Saccharose) und von Hormonen, genauer gesagt Auxinen, Giberellinen und Cytokininen, beeinflusst. Die drei Pflanzenhormone (Phytohormone) sind als Wachstums- und Entwicklungsregulatoren bekannt und Signalgeber für viele Prozesse in Pflanzen.

Die Analysen zeigten weiter, dass das Gen bei der Ährenbildung in dem Bereich des Meristemgewebes am Spross, aus dem sich die Ähren und Ährchen entwickeln, abgelesen wird. Aus ihren Untersuchungen schlussfolgern die Forscher, dass das Protein die Dauer der Entwicklungsschritte in der Pflanze steuert und dadurch die Pflanzenarchitektur beeinflusst.

Die Architektur der Ähren ist ertragsrelevant

Die Ähren bestehen aus vielen Ährchen, in denen später die Samen (Körner) heranreifen. Generell unterscheidet man zwischen zweizeiliger und mehrzeiliger Gerste, je nach Ährenaufbau. Hier ist nicht nur die sichtbare Form eine andere, auch die Erträge pro Ähre variieren aufgrund der Architektur. Bei zweizeiligen Sorten findet man drei Ährchen pro Knoten (Nodium) an der Hauptachse (Rhachis), wobei jedoch nur ein Ährchen ein Korn bildet. Die beiden anderen Ährchen sind steril. Bei mehrzeiligen, z. B. sechszeiligen Sorten sind alle drei Ährchen fertil und es können daher bis zu drei Körner je Nodium ausgebildet werden.

Durch die Erkenntnisse, welche Funktion VRS2 bei Gerste übernimmt, könnte man in Zukunft die Ährenarchitektur gezielt steuern. Auch andere Kulturpflanzen können von dem neuen Wissen profitieren. Denn VRS2 gehört zur SHI-Proteinfamilie, wie die Forscher belegen konnten, und Proteine der SHORT INTERNODES (SHI)-Familie fand man auch in anderen Getreidearten wie Reis oder Mais.


Quelle:
Youssef H.M. et al. (2016): VRS2 regulates hormone-mediated inflorescence patterning in barley. In: Nature Genetics, (online 14. November 2016), doi: 10.1038/ng.3717.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Gerste ist nicht nur eine wichtige Nutzpflanze, sondern auch ein Forschungsobjekt - ein Modellsystem für Getreide. (Bildquelle: © Gina Sanders/Fotolia.com)