Der Traum vom langfristigen Planen

Ohne kontinuierliche Förderung ist Spitzenforschung nicht möglich

29.01.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein internationales Forscherteam hat das Genom der Zuckerrübe (Beta vulgaris) entschlüsselt. (Quelle: © KWS SAAT AG)

Ein internationales Forscherteam hat das Genom der Zuckerrübe (Beta vulgaris) entschlüsselt. (Quelle: © KWS SAAT AG)

Die Zuckerrübe gibt es seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde aus der Runkelrübe gezüchtet und dabei auf einen hohen Zuckergehalt ausgerichtet. (Quelle: © KWS SAAT AG)

Die Zuckerrübe gibt es seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde aus der Runkelrübe gezüchtet und dabei auf einen hohen Zuckergehalt ausgerichtet. (Quelle: © KWS SAAT AG)

Bernd Weisshaar, Professor für Genetik an der Universität Bielefeld und Léon Broers, Vorstandsmitglied der KWS SAAT AG, waren an der Entschlüsselung des Zuckerrübengenoms beteiligt. Im Interview mit Pflanzenforschung.de sprechen die beiden über die Probleme von kurzfristigen Förderprojekten und den Wunsch nach mehr Kontinuität.

Pflanzenforschung.de: Herr Weisshaar, Sie haben vor kurzem in San Diego auf der größten internationalen Konferenz für Pflanzen- und Tiergenetik einen Vortrag über das  Zuckerrübengenom gehalten. Wie groß war das Interesse an diesen Ergebnissen?

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Professor Dr. Bernd Weisshaar vom Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld.

Professor Dr. Bernd Weisshaar vom Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld.

Bildquelle: © Universität Bielefeld

Prof. Bernd Weisshaar: Die Zuckerrüben-Forscher waren natürlich erfreut, dass die Ergebnisse jetzt zugänglich sind und dass der Artikel bei Nature als Open Access von jedermann kostenlos heruntergeladen werden kann.

Pflanzenforschung.de: Wie lange hat es denn gedauert, bis das Genom entschlüsselt war?

Prof. Bernd Weisshaar: Das Projekt „BeetSeq“ hatte mit Verlängerung eine Laufzeit von knapp vier Jahren, aber nach Ende von BeetSeq haben wir im ANNOBEET-Projekt noch zwei weitere Jahre am Genom gearbeitet. Und es gab Vorläufer-Projekte. Bereits im Jahr 2000 haben wir mit der Genomanalyse angefangen, doch damals erschien uns der Gedanke an eine vollständige Genomsequenz eher wie Science Fiction.

Pflanzenforschung.de: Was war die größte Herausforderung bei der Sequenzierung?

Prof. Bernd Weisshaar: Die Sequenzierung selbst war nicht das Problem. Wir waren eines der ersten Projekte, die komplett auf Next-Generation-Sequencing umgestellt haben, sodass nur wenige Gruppen beteiligt waren. Erst bei der Auswertung kamen dann die schwierigen Fragen und wir mussten uns weitere Kooperationspartner mit den entsprechenden Kompetenzen für zum Beispiel die RNA-kodierenden Gene suchen. Auch der hohe Anteil an wiederholenden Sequenzen im Genom war problematisch, aber das wussten wir vorher.

Pflanzenforschung.de: Herr Broers, auch die Züchtungsfirma KWS SAAT AG war an diesem Projekt beteiligt. Warum investiert Ihre Firma in solche langwierige Grundlagenforschung?

Dr. Léon Broers: Für uns ist Grundlagenforschung immer die Basis, um daraus neue Anwendungen abzuleiten. Man hat bereits beim Mais gesehen, dass die Sequenzierung das Verständnis für die Genetik der Pflanze stark verbessert. Daraus resultieren vielen neue Anwendungen. So auch bei Zuckerrübe wo wir mit Hilfe der Sequenz züchterisch interessante Gene direkt im Erbgut lokalisieren und in molekulare Marker umwandeln können. Die Nutzung solcher Marker ermöglicht schnellere Selektionsentscheidungen und erhöht somit den Zuchterfolg signifikant.

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Unser Interviewpartner Dr. Léon Broers ist ausgebildeter Pflanzenzüchter. Als Mitglied des Vorstandes des Pflanzenzüchtungsunternehmens KWS SAAT AG ist er verantwortlich für die Züchtung und Forschung im Unternehmen. 

Unser Interviewpartner Dr. Léon Broers ist ausgebildeter Pflanzenzüchter. Als Mitglied des Vorstandes des Pflanzenzüchtungsunternehmens KWS SAAT AG ist er verantwortlich für die Züchtung und Forschung im Unternehmen. 

Bildquelle: © KWS SAAT AG

Pflanzenforschung.de: Welche Bedeutung hat denn die Zuckerrübe für die deutsche Landwirtschaft?

Dr. Léon Broers: Die Zuckerrübe wird in Deutschland auf nur etwa 350.000 Hektar angebaut, Mais stattdessen auf über 2,5 Millionen Hektar. Aber von der Wertschöpfung her ist sie extrem wichtig, denn die ganze Zuckerindustrie ist abhängig von dieser Pflanze. Deshalb geht auch ein sehr hoher Teil unserer Forschungsausgaben in die Zuckerrübe. Sie ist technologisch sehr anspruchsvoll.

Prof. Bernd Weisshaar: Was auch daran liegt, dass die Pflanze zweijährig ist. Das macht sie für genetische Kreuzungen an Universitäten nicht besonders attraktiv, denn in einer Doktorarbeit von drei bis vier Jahren schafft man mit Zuckerrüben nicht viel. Physiologische Forschungen sind aber interessant und erfolgen auch.

Pflanzenforschung.de: Wie wichtig ist denn bei solchen Projekten die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft?

Prof. Bernd Weisshaar: Genomsequenzierungen sind teuer, wir brauchten also einen potenten Geldgeber. Und ohne Unterstützung aus der Wirtschaft hätten wir die Fördergelder vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nicht bekommen. Außerdem sind wir darauf angewiesen, dass uns Züchtungsfirmen wie die KWS das genetische Material zur Verfügung stellen.

Dr. Léon Broers: Ich sehe das genauso. Wir als Betrieb können nicht das gleiche leisten wie die Universitäten und Institute, insofern haben sich da schöne Synergieeffekte ergeben. Natürlich bekommt man als Teilnehmer an solch einem Projekt auch Zwischenergebnisse geliefert, die man direkt anwenden kann. Das macht uns schneller und effizienter.

Pflanzenforschung.de: Herr Broers, welche Probleme haben Landwirte beim Anbau von Zuckerrüben und wie können Sie diese Probleme jetzt besser angehen?

Dr. Léon Broers: Ertrag und Ertragssicherheit stehen immer ganz oben. Im Jahr 2020 wollen wir 20 Tonnen Zucker pro Hektar ernten können. Zurzeit sind wir bei 16 bis 17 Tonnen, da gibt es also noch Luft nach oben. Außerdem arbeiten wir intensiv an trockentoleranten und krankheitsresistenten Pflanzen. Solche Ziele sind nur mit einem hohen und langfristig ausgerichteten Forschungs- und Züchtungsaufwand zu realisieren.

Pflanzenforschung.de: Herr Broers, kann die Zuckerrübe Deutschland bei der Energiewende helfen?

Dr. Léon Broers: Die Zuckerrübe hat in Biogasanlagen sicherlich Vorteile dem Mais gegenüber, denn ihr hoher Zuckergehalt führt zu einer effizienteren Methanausbeute. Denkt man die Energiewende langfristig, wird die Bioenergie aber eher in den Hintergrund treten und von anderen Technologien wie Windkraftanlagen abgelöst werden.

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An der Sequenzierung und Erforschung des Zuckerrübengenoms ist das deutsche PLANT 2030 Projekt ANNO BEET beteiligt. Die Forschungsarbeiten dazu laufen bereits seit 1999 und gehen auf die Basisprojekte GABI BEET, GABI BEETSEQ und GABI BEET physical map zurück.

An der Sequenzierung und Erforschung des Zuckerrübengenoms ist das deutsche PLANT 2030 Projekt ANNO BEET beteiligt. Die Forschungsarbeiten dazu laufen bereits seit 1999 und gehen auf die Basisprojekte GABI BEET, GABI BEETSEQ und GABI BEET physical map zurück.

Pflanzenforschung.de: Sie sind Mitglied im Bioökonomierat, der die Bundesregierung beim Umbau der Wirtschaft berät. Gibt es bereits einen Zeitplan dafür, wann wir in einer Bioökonomie ankommen werden?

Dr. Léon Broers: Deutschland ersetzt bereits an vielen Stellen Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe. Besonders bei der nachhaltigen Intensivierung der Landwirtschaft sind wir sehr fortschrittlich. Um nachhaltige Methoden zu entwickeln müssen wir aber weiter forschen und da sehe ich ganz klar das BMBF und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in der Verantwortung.

Pflanzenforschung.de: Herr Weisshaar, wie sieht das bei Ihnen an der Universität aus? Haben Sie genügend Nachwuchs und eine gute Ausstattung?

Prof. Bernd Weisshaar: Der Nachwuchs ist da, aufgrund der doppelten Abiturjahrgänge zurzeit mehr als genug, aber das Geld ist knapp. Wir hatten lange Zeit das GABI-Programm, was sehr erfolgreich war, weil es langfristig industrierelevante Grundlagenforschung bei Pflanzen gefördert hat. Jetzt ist GABI ausgelaufen und beim Nachfolgeprogramm PLANT 2030 gab es bisher keine Ausschreibungen in dieser Richtung.

Pflanzenforschung.de: Es fehlt also am Geld für die Verbindung zwischen reiner Grundlagenforschung und den Anwendungen?

Prof. Bernd Weisshaar: Genau. Auch die reine Grundlagenforschung leidet sehr unter dem Finanzmangel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Aber besonders stark trifft es natürlich die von einigen Politikern nicht gewünschten Bereiche wie die grüne Biotechnologie.

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Genome sequenzieren ist Teamwork. Arbeitsgruppen an unterschiedlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen waren an der Sequenzierung der Zuckerrübe beteiligt. Hier im Bild, die Arbeitsgruppe des Projektleiters Prof. Dr. Bernd Weisshaar an der Universität Bielefeld.

Genome sequenzieren ist Teamwork. Arbeitsgruppen an unterschiedlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen waren an der Sequenzierung der Zuckerrübe beteiligt. Hier im Bild, die Arbeitsgruppe des Projektleiters Prof. Dr. Bernd Weisshaar an der Universität Bielefeld.

Bildquelle: © Björn Fischer

Dr. Léon Broers: Bis Mitte 2014 laufen fast 80 Prozent aller Projekte aus und im optimistischsten Fall starten Ende 2015 die nächsten. Da gibt es also einen Bruch und uns werden viele gute Leute verloren gehen, die sich, um nicht arbeitslos zu werden, professionell umorientieren müssen.

Prof. Bernd Weisshaar: Es steht zu befürchten, dass uns in diesem Jahr alle Wissenschaftler ohne Festanstellung, also viele PostDocs, Doktoranden und auch Mitarbeiter im technischen Bereich, wegbrechen, weil sie nicht mehr bezahlt werden können. Wenn dann wieder Geld kommt, müssen wir bei null anfangen. Ein schmerzhafter aber auch neue Projekte verzögernder Prozess.

Dr. Léon Broers: Auch im Bioökonomierat haben wir darüber gesprochen, dass wir mehr Kontinuität brauchen und auch strategische Programme für zehn Jahre oder länger ausgeschrieben werden sollten. Kontinuität plus Förderung von Exzellenz ist ein gutes System um die Forschung in Deutschland voranzutreiben. Aber irgendwie ist da auf der Seite der Geldgeber eine Hemmung, langfristig zu investieren.

Das bereits erwähnte GABI-Programm war eine Investition über mehrere Legislaturperioden der Bundesregierung hinweg. International wurde dieses Programm zum Markenzeichen der Forschung an Pflanzen in Deutschland und viele Länder, vor allem aber Frankreich, haben mit uns kooperiert.

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch.


Publikation:
Dohm, J.C., et al. (2013). The genome of the recently domesticated crop plant sugar beet (Beta vulgaris). In: Nature, (18. Dezember 2013). DOI: 10.1038/nature12817.

Zum Weiterlesen:

Titelbilder:
1) Ein internationales Forscherteam hat das Genom der Zuckerrübe (Beta vulgaris) entschlüsselt. (Quelle: © KWS SAAT AG)
2) Die Zuckerrübe gibt es seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde aus der Runkelrübe gezüchtet und dabei auf einen hohen Zuckergehalt ausgerichtet. (Quelle: © KWS SAAT AG)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationale Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie für die Zukunft“ und die Ausschreibungen des transnationalen Programms „PLANT-KBBE“, an denen sowohl Wissenschaftler aus dem akademischen Bereich als auch privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligt sind.
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030