Die „heiße“ Variante gibt das Signal zum Blühen

Alternatives Spleißen erzeugt bei Kälte oder Wärme unterschiedliche Blühproteine

10.10.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Schon warm genug? Ein komplexes genetisches Kontrollwerk übersetzt die Umgebungstemperatur in ein

Schon warm genug? Ein komplexes genetisches Kontrollwerk übersetzt die Umgebungstemperatur in ein "Blühen"- oder "Nicht-Blühen"-Signal. (Quelle: © iStockphoto.com / Dovkapi)

Licht und warme Temperaturen bringen Pflanzen zum Blühen, das weiß jedes Kind. Wie genau eine frühe oder späte Blüte im Inneren der Pflanze gesteuert wird, bleibt bei vielen Kulturpflanzen jedoch bis heute ein Rätsel. Deutsche Wissenschaftler entdeckten, dass Pflanzen abhängig von der Umgebungstemperatur aus einem Gen gleich mehrere Proteinvarianten herstellen, um den richtigen Zeitpunkt der Blüte zu treffen.

Vor allem die moderne Landwirtschaft hat ein großes Interesse daran, den molekularen Kontrollmechanismus des Blühens zu verstehen: Blühen Pflanzen zu früh oder zu spät kann das den Ernteerfolg einer ganzen Saison gefährden. Den Zeitpunkt der Blüte zu kontrollieren oder sogar zu verschieben ist für Pflanzen überlebenswichtig. So gelingt die Anpassung an unterschiedliche Jahresrhythmen und Temperaturen auf der Erde. Während sich in äquatornahen Ländern meist Kurztagssorten entwickelten, gibt es in Mitteleuropa vermehrt Langtagssorten einer Pflanzenart, z. B. bei der Kartoffel oder beim Mais. Diese blühen erst, wenn die Tage im Frühjahr eine bestimmte Tageslänge erreichen.

Wer sagt den Knospen, wann es Zeit zum blühen ist?

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Ob ein Maisfeld zu blühen beginnt, ist auch von der Tageslänge abhängig.

Ob ein Maisfeld zu blühen beginnt, ist auch von der Tageslänge abhängig.

Bildquelle: © Günter Havlena / pixelio.de

"Das genetische Netzwerk integriert innere Faktoren wie den Hormonstatus der Pflanze ebenso wie äußere Faktoren, etwa die Tageslänge oder die Temperatur", erklärt Markus Schmid, der das Projekt „Control of Flowering Time“ am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie leitet. Über welche molekularen Mechanismen die Umgebungstemperatur auf die Blütenbildung einwirkt, sei allerdings noch weitgehend unerforscht.

Lange versuchte man ein pflanzliches Hormon zu charakterisieren, das die Information über die Außentemperatur von den Blättern zur Sprossspitze übermitteln könnte, das sogenannte „Florigen“. Der Durchbruch gelang jedoch erst im Jahre 2004, mit der Entdeckung des Genortes „Flowering Locus T“ im Genom der Modellpflanze Arabidopsis thaliana.

Ein Gen kodiert einen Blütenblocker und einen Wärmeindikator zugleich

Wissenschaftlern haben nun die bemerkenswerte Entdeckung gemacht, wie das Gen  Flowering Locus M (FLM) gleichzeitig eine frühe oder eine späte Blüte herbeiführen kann: Anscheinend erzeugen Arabidopsis Pflanzen, je nach Temperatur, aus ein und demselben Gen gleich mehrere unterschiedliche Varianten des Blühproteins FLM.

Wie alle Tiere und Pflanzen muss A. thaliana die erste Abschrift des Gens (prä-mRNA) in reife m-RNA zurechtschneiden, bevor sie in ein funktionsfähiges Protein übersetzt werden kann. Der Vorgang wird wissenschaftlich als Spleißen bezeichnen.

Die Delta-Variante macht Pflanzen zu Frühblühern

Im Fall von FLM schnippelt sich die Pflanze aus der prä-mRNA gleich mehrere mRNA Varianten zurecht, ein Mechanismus der als „alternatives Spleißen“ bekannt ist. Neben der ursprünglichen Form des Proteins, FLM-α, entstehen zusätzlich die Varianten FLM-β und FLM-δ.

FLM-β und FLM-δ scheinen den Blühzeitpunkt in komplett gegensätzlicher Weise zu beeinflussen: FLM-β unterdrückt durch Komplexbildung mit dem Repressor „Short Vegetative Phase“ (SVP) die Blühinduktion, indem er die Aktivierung bestimmter Blühgene verhindert. FLM-δ bezeichnen die Wissenschaftler dagegen als "Wärmeindikator", weil er hauptsächlich produziert wird, wenn die Temperatur steigt. Bindet er an SVP, ist der Komplex jedoch nicht mehr  in der Lage, sich an die DNA anzulagern und dort regulatorisch zu wirken. Die Pflanze beginnt mit der Blütenbildung. Sogar wenn die Forscher den Anteil der einen oder der anderen FLM-Variante in Mutanten-Linien künstlich erhöhten, zeigte sich dieser Effekt. Pflanzen, in denen die Wissenschaftler die Produktion von FLM-δ steigerten, blühten früher. Regulierten die Wissenschaftler die FLM-Produktion zugunsten der Variante FLM-β wurde die Blüte verzögert.

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Durch alternatives Spleißen können aus einem Typ prä-RNA ganz unterschiedliche mRNAs und Proteine entstehen.

Durch alternatives Spleißen können aus einem Typ prä-RNA ganz unterschiedliche mRNAs und Proteine entstehen.

Bildquelle: © Jan Medenbach / wikimedia.org; CC BY-SA 2.0 DE

Die Umgebungstemperatur bestimmt was zusammen gespleißt wird

Das  FLM-β /FLM-δ Verhältnis wird dabei eindeutig von der Außentemperatur bestimmt: Bei niedrigen Temperaturen von 16 °C werden vor allem FLM-β Varianten gespleißt. Bei steigenden Temperaturen geht dieser Anteil immer mehr zugunsten von FLM-δ zurück, zeigte die Studie. Der Blütenblocker FLM-β wird demnach nicht nur seltener hergestellt wenn es warm wird - er muss zusätzlich mit seinem eigenen Schwesterprotein um die SVP-Bindung konkurrieren. „Die Pflanzen haben damit einen sehr effizienten und eleganten Regulationsmechanismus gefunden", erläutert Markus Schmid.

Alternatives Spleißen als Anpassungsmechanismus?

Alternatives Spleißen als Mechanismus, um temperaturabhängige Prozesse zu steuern ist bisher im Tier- und Pflanzenreich noch kaum erforscht. Verschiedene Arabidopsis-Stämme blühen zum Teil zu recht unterschiedlichen Zeitpunkten und ein Teil dieses Unterschieds beruht vermutlich auf der natürlichen Variation des FLM-Gens.

Der Mechanismus könnte demnach eine wichtige und bislang kaum beachtete Rolle bei der Anpassung von Pflanzen an unterschiedliche Klimaregionen spielen und neue Möglichkeiten aufzeigen, dem Einfluss des Klimawandels auf die Wachstumsperioden von Kulturpflanzen entgegen zu wirken.

Aber auch für andere Nutzungsrichtungen kann z. B. eine Verzögerung der Blüte vorteilhaft sein. Blühen Pflanzen, wandern sämtliche Ressourcen in die Samenproduktion zur Sicherung der Nachkommenschaft. Ist der Bauer oder Gärtner weniger an den Samen als an der Nutzung der Biomasse einer Pflanze interessiert, ist dagegen die Verhinderung der Blüte von Vorteil. 


Quellen:

Pose´, D. et al. (2013): Temperature-dependent regulation of flowering by antagonistic FLM variants. In: Nature (Online Veröffentlichung: 25. September 2013), Doi:10.1038/nature12633.

Lee, J. H. et al. (2013): Regulation of Temperature-Responsive Flowering by MADS-Box Transcription Factor Repressors. In: Science (Online Veröffentlichung: 12. September 2013), DOI: 10.1126/science.1241097.

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Titelbild: Schon warm genug? Ein komplexes genetisches Kontrollwerk übersetzt die Umgebungstemperatur in ein "Blühen"- oder "Nicht-Blühen"-Signal. (Quelle: © iStockphoto.com / Dovkapi)