Die komplexe Einfachheit der Wachstumskontrolle

08.07.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ausgebildetes Pflanzenblatt. (Quelle: © iStock.com/ radoma)

Ausgebildetes Pflanzenblatt. (Quelle: © iStock.com/ radoma)

Pflanzliches Wachstum und Entwicklung gehen Hand in Hand. Eine Studie ermöglicht erste Einblicke in das komplexe und doch simple Zusammenspiel von Zellteilung und Zellentwicklung.

Dass es einen Zusammenhang zwischen Wachstum und Entwicklung geben muss, damit Pflanzen, aber auch Tiere, am Ende ihrer Wachstumsphase mit der richtigen Anzahl von Zellen an der richtigen Stelle ausgestattet sind, scheint geradezu logisch. Wie die Beziehung zwischen Wachstum und Entwicklung genau aussieht, war jedoch lange Zeit ein Rätsel. 

Die komplexe Einfachheit der Natur

Forschern ist nun ein erster Einblick in die komplexen Koordinationsprozesse zwischen Wachstum und Entwicklung gelungen. Sie untersuchten die molekularen Mechanismen bei der Zellteilung, die zu einer angemessenen und korrekten Entwicklung und Größe der Zellen führen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Entwicklungsprotein Short-root die Aktivität anderer an der Zellteilung beteiligter Gene direkt kontrolliert. Das so komplex anmutende Zusammenspiel von Wachstum und Entwicklung scheint demnach vom einem relativ einfachen Regulationsmechanismus gesteuert zu werden.

Bisherige Forschungsprojekte untersuchten, welche Faktoren die Entwicklung bestimmter Zellen im Wurzelfasergewebe von Arabidopsis-Pflanzen auf molekularer Ebene beeinflussen. Als relevant wurden die Entwicklungsproteine Short-root (SHR) und Scarebow (SCR) ausgemacht, ebenso eine Reihe von microRNAs, das sind kurze, hoch konservierte Nucleotid-Ketten (Ribonukleinsäure bzw. RNA), die eine spezifische Funktion bei der Genregulation übernehmen. Auch die zellinternen Faktoren, die der Zelle die Teilung in zwei Tochterzellen ermöglichen, sind bereits gut erforscht. Was bislang fehlte, war die Verbindung beider Perspektiven. 

Die Regulation von Entwicklungsprozessen

Diese Lücke versuchen die Forscher nun zu schließen. Hierzu kombinierten sie verschiedene Experimentaltechniken und Technologien, um einen dynamischen, genom-weiten Blick auf die genetischen Vorgänge zu erhalten, die das Protein Short-root (SHR) und sein Partner Scarecrow (SCR) in einzelnen Zelltypen in Gang setzen. Die Forscher beobachten, dass die beiden Entwicklungsproteine SHR und SCR im selben Moment, in dem sich eine Zelle teilte, das Gen Cyclin D6 aktivierten. Cyclin nimmt eine Schlüsselrolle in der Steuerung des Zellzyklus ein. Wurde die Genexpression von Cyclin D6 verändert, führte dies zu Fehlbildungen der Pflanzenorgane. 

Die Forscher schlussfolgern daraus: Eine korrekte Form und Anordnung der Zellen ist das Resultat eines spezifischen Regulationsmechanismus, der durch zellzyklusspezifische Gene initiiert wird und in einem zelltyp- und entwicklungsphasenspezifischem Kontext abläuft. Man könne daher von einer direkten Verbindung zwischen Entwicklungsregulatoren, bestimmten Komponenten des Zellzyklus und der Organmuster ausgehen.

Evolutionäre Zusammenhänge und ihre praktische Relevanz

Pflanzen spielen als Nahrungs- und Futtermittel, als Energieträger und Rohstoff eine zentrale Rolle im Leben des Menschen. Die Entdeckung von Cyclin D6 bei Pflanzen hätte daher eine direkte praktische Relevanz, so die Forscher. 

Die Architektur von Kulturpflanzen gezielt zu beeinflussen, wäre eine Möglichkeit der Anwendung. Dies schafft die Basis für höhere aber auch sichere Erträge. Und auch die gesamte Agronomie, also die Art und Weise des Anbaus von Kulturpflanzen, ließe sich so gezielt beeinflussen. Über Cyclin D6 lassen sich zudem die Biomasseerträge steigern. Damit wird deutlich, dass es den Forschern nicht nur um Moleküle und das bessere Verständnis evolutionärer Zusammenhänge geht, sondern auch um die Umsetzung dieses Wissens.  

Das die an Pflanzen gewonnenen Erkenntnisse Einfluss auf andere Bereiche in der Biologie haben, liegt auf der Hand. Haben sich fundamentale Prozesse, wie Entwicklung und Wachstum, erst einmal in bestimmter Weise herausgebildet, blieben sie vermutlich auch so oder zumindest sehr ähnlich erhalten. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass sich die gefundene „Logik hinter dem Wachstum und der Entwicklung von Pflanzen“ auch auf andere Spezies übertragen lässt, so die Wissenschaftler. Der Nachweis von Cyclin D6 bei Tieren und dem Menschen wurde bereits erbracht. 


Quelle: 

R. Sozzani et al. (2010): Spatiotemporal regulation of cell-cycle genes by SHORTROOT links patterning and growth. In: Nature, 2010; 466 (7302): 128 DOI:10.1038/nature09143 (link).