Die richtige Balance finden

Die „Wetterfühligkeit“ hochgezüchteter Maissorten bereitet Sorgen

06.12.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mais in Zeiten des Klimawandels: Können hochertragreiche Sorten sich an schnell ändernde Klimabedingungen anpassen? (Bildquelle: © phant / Fotolia.com)

Mais in Zeiten des Klimawandels: Können hochertragreiche Sorten sich an schnell ändernde Klimabedingungen anpassen? (Bildquelle: © phant / Fotolia.com)

Es scheint ein Dilemma zu sein: Werden Maissorten bei der Züchtung stark auf bestimmte Ertragseigenschaften selektiert, bleibt ihre Fähigkeit zur Anpassung an klimatische Veränderungen auf der Strecke. Wird mehr Wert auf Anpassungsfähigkeit gelegt, leidet der Ertrag.

Pflanzen besitzen von Natur als die Fähigkeit, sich an Klimaveränderungen innerhalb eines bestimmten Rahmens anzupassen. Das ist auch notwendig, da eine Pflanze nicht mal eben die Umgebung wechseln kann, wenn ihr das Klima nicht mehr behagt. Um es salopp zu sagen: Sie muss mit dem zurechtkommen, was da ist. Es stellt sich aber die Frage, ob auch hochgezüchtete Nutzpflanzen diese Fähigkeit noch besitzen. In einer neuen Studie befasst sich ein Forschungsteam genau mit diesem Thema. Sie haben untersucht, wie weit sich moderne Maispflanzen in Nordamerika nach über 100 Jahre Züchtung noch auf veränderte Umweltbedingungen einstellen können.

Spezialisten in Zeiten des Klimawandels

Der Phänotyp einer Pflanze ist das Ergebnis der genetischen Anlagen (Genotyp) und der die Pflanze beeinflussenden Umweltfaktoren, auch bezeichnet als G x E (genotype by environment interaction). Diese Interaktion ermöglicht es der Pflanze, flexibel auf sich ändernde Umwelteinflüsse zu reagieren, indem sie etwa ihr Wachstum anpasst oder ihren Metabolismus ändert. Die artspezifischen Mechanismen zur Anpassung sind erblich und erhöhen die Überlebenschancen (genetische Fitness). Die Anpassungsfähigkeit einer Population an neue Umweltbedingungen ist umso höher, je größer ihr Genpool ist.

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Die Zunahme von Dürren ist eine befürchtete Folge des Klimawandels.

Die Zunahme von Dürren ist eine befürchtete Folge des Klimawandels.

Bildquelle: © iStock.com/Marccophoto

Werden Pflanzen allerdings züchterisch vor allem auf Ertrag und Standort-Klima getrimmt, könnten andere natürliche Fähigkeiten verloren gehen. Sprich: Diese Sorten sind Spezialisten und Spezialisten sind aufgrund ihres begrenzten Genpools vielleicht deutlich weniger anpassungsfähig. Das Forschungsteam stellte sich daher die Frage, inwieweit hochgezüchtete amerikanische Maissorten noch in der Lage sind, mit den sich immer schneller verändernden Klimabedingungen Schritt zu halten.

Einschränkung durch Selektion

Um Anpassungsfähigkeit und die Veränderungen im Mais-Genom festzustellen, untersuchte das Forschungsteam 858 unterschiedliche Maiskultivare. Sie wurden in 21 unterschiedlichen Umgebungen in 14 US-Bundesstaaten sowie in einer Provinz in Kanada gepflanzt (insgesamt 12.678 Versuchsfelder) und regelmäßig auf elf verschiedene phänotypische Parameter (zum Beispiel Wuchshöhe, Ertrag, Blütezeit) untersucht.

Parallel wurden die Wetterbedingungen notiert. Jeweils 30 an gemäßigte Klimate angepasste Hochleistungssorten und 30 Hochleistungssorten aus tropischen Regionen wurden zusätzlich auf genetischer Ebene untersucht. Das Forschungsteam wollte auf diesem Wege herausfinden, inwieweit die genetischen Regionen, die für hohe Erträge beim Wachstum in gemäßigten Zonen zuständig sind (und daher stark von der züchterischen Selektion beeinflusst wurden), Einfluss auf die Anpassungsfähigkeit der Pflanzen an sich ändernde Umweltbedingungen haben.

Ungünstige Entwicklung

Das Ergebnis war eindeutig: Je stärker eine Maissorte auf Hochleistung und Ertrag getrimmt war, desto geringer war ihre Anpassungsfähigkeit. Und es sind insbesondere die züchterisch stark beeinflussten Genregionen, die weniger zur Anpassung der Pflanze an neue Umweltbedingungen beitragen konnten. Die hochspezialisierten Maissorten sind also nur für die Umweltbedingungen geschaffen, für die sie gezüchtet wurden. In Zeiten des Klimawandels also eine sehr beunruhigende Entdeckung.

Kompromiss zwischen Produktivität und Anpassungsfähigkeit

Das Forschungsteam betont, dass diese Aussagen sich nur auf in Nordamerika gezüchtete Maiskultivare beziehen, die seit über 100 Jahren auf hohe Erträge in bestimmten klimatischen Regionen selektiert wurden. Wie sich in anderen Kontinenten gezüchtete Maissorten oder auch andere Getreidearten verhalten, ist bisher unbekannt.

Für die nordamerikanischen Sorten aber sei es nun wichtig, das richtige Maß zwischen Ertragssteigerung und Anpassungsfähigkeit zu finden, erklären die Forscher. Denn nur auf höhere Produktivität zu züchten und damit bei Wetterextremen Missernten in Kauf zu nehmen, würde langfristig ebenso in eine Sackgasse führen wie die Züchtung anpassungsfähiger und gleichzeitig weniger produktiver Sorten. Da beide Effekte miteinander verknüpft sind, muss hier ein gut ausgewogener Kompromiss gefunden werden.


Quelle:
Gage, J.L. et al. (2017): The effect of artificial selection on phenotypic plasticity in maize. In: Nature Communications 8:1348, (online: 7. November 2017), doi: 10.1038/s41467-017-01450-2.

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Titelbild: Mais in Zeiten des Klimawandels: Können hochertragreiche Sorten sich an schnell ändernde Klimabedingungen anpassen? (Bildquelle: © phant / Fotolia.com)