Die Vielfalt macht´s

Epigenetische Vielfalt macht produktiver

11.12.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Über 600 Populationen der Ackerschmalwand mit teilweise gleichen und teilweise sehr unterschiedlichen epigenetischen Mustern wurden untersucht. Epigenetische Vielfalt hatte deutlich positive Effekte. (Quelle: © iStockphoto.com/ pkujiahe)

Über 600 Populationen der Ackerschmalwand mit teilweise gleichen und teilweise sehr unterschiedlichen epigenetischen Mustern wurden untersucht. Epigenetische Vielfalt hatte deutlich positive Effekte. (Quelle: © iStockphoto.com/ pkujiahe)

Biologische Vielfalt ist ein wichtiger Faktor, damit pflanzliche Ökosysteme produktiv und stabil bleiben. Das gilt sowohl für die Artenvielfalt innerhalb eines Ökosystems, als auch für die genetische Vielfalt innerhalb einer Population. Anscheinend gibt es aber noch eine weitere Biodiversitätsebene, die bisher weitestgehend unberücksichtigt blieb: Auch die Vielfalt von genregulatorischen Prozessen, die unter dem Fachbegriff „Epigenetik“ zusammengefasst werden, beeinflusst die Produktivität von Pflanzengemeinschaften. Pflanzenpopulationen mit vielfältigen epigenetischen Mustern sind dabei eindeutig im Vorteil.

Der Schlüssel zu den Eigenschaften von Pflanzen liegt nicht allein in ihren Genen, auch Umwelteinflüsse haben ein Wörtchen mitzureden. Pflanzen können sich vielfältig an eine wechselnde Umwelt anpassen. Sie können sogar das „Erlernte“ weitervererben. Ein sehr verbreiteter Mechanismus ist die DNA-Methylierung. Dabei hängen sich chemische Gruppen an die DNA-Bausteine und regulieren die Aktivität der Gene, ohne dabei jedoch die Erbinformation als solche zu verändern. Dieser und andere epigenetische Veränderungen rücken mehr und mehr in den Fokus der Forschung.   

Ein europäisches Forscherteam ging nun der Frage nach, ob unterschiedliche epigenetische Muster innerhalb einer Population einen positiven Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der Pflanzengemeinschaft haben können. Bietet die Vielfalt an epigenetischen Modifikationen, die Genfunktionen ab- und anschalten können, Pflanzenpopulationen einen Vorteil?

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Das Gewöhnliche Greiskraut (Senecio vulgaris) wurde in den Experimenten als Konkurrent angepflanzt. Epigenetisch vielfältige Populationen konnten sich gut gegen ihre Konkurrenten behaupten.

Das Gewöhnliche Greiskraut (Senecio vulgaris) wurde in den Experimenten als Konkurrent angepflanzt. Epigenetisch vielfältige Populationen konnten sich gut gegen ihre Konkurrenten behaupten.

Bildquelle: © EugeneZelenko/ Identified by Rasbak/ wikimedi.org; CC BY-SA 3.0

Epigenetische Diversität führt zu mehr Produktivität

Die Forscher pflanzten für ihre Untersuchung fast 30.000 Samen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) und fassten sie zu mehreren Hundert Populationen zusammen. Diese hatten teilweise gleiche und teilweise sehr unterschiedliche epigenetische Muster. Dies äußerte sich in einem gleichen oder mitunter sehr unterschiedlichen Muster an DNA-Methylierungen. Nach sechs Wochen verglichen die Forscher wie viele Pflanzen in jeder Population aus den gepflanzten Samen gewachsen waren und wogen die überirdischen Pflanzenteile, um daraus die produzierte Biomasse zu ermitteln.

Die Populationen mit heterogenen epigenetischen Mustern produzierten bis zu 40 Prozent mehr Biomasse als die Populationen mit einheitlichen Mustern. Dabei zeigten Populationen, die epigenetisch vielfältig und zudem mit Konkurrenten und Schädlingen konfrontiert waren, die höchste Produktivität. Hohe epigenetische Vielfalt wirkte sich auch auf die Konkurrenten aus, diese begannen später zu blühen und waren weniger fruchtbar. Die epigenetisch diversen Arabidopsis-Populationen waren demnach nicht nur produktiver, sondern auch resistenter gegenüber schädlichen Bakterien und konkurrierenden Pflanzen.

Vorteile der Vielfalt

Die Forscher schließen daraus, dass epigenetische Vielfalt Pflanzen nicht nur schnell auf wechselnde Umwelteinflüsse reagieren lässt, sondern auch ein wichtiger Faktor für den Fortbestand der Art ist. Anders als bei Mutationen oder einem Transfer von Genen, ist das anheften chemischer Modifikationen, um Gene hoch- oder runterzuregulieren, umkehrbar und dadurch sehr flexibel. So kann die Pflanze schnell auf Umwelteinflüsse reagieren und die veränderte genetische Aktivität auch an die Nachkommen weitergeben.

Vor allem für Ökologen sind das spannende neue Fragen. Denn bisher versteht man unter biologischer Vielfalt (Biodiversität) neben der Vielfalt an Ökosystemen, die Vielfalt der Arten und die genetische Vielfalt in der Natur. Epigenetische Diversität als neuer Faktor, der das Überleben von Populationen oder ganzer Ökosysteme beeinflusst, sollte zukünftig stärker ins Auge gefasst werden. 

Im nächsten Schritt könnte man nun untersuchen, ob dies auch auf Kulturpflanzen übertragbar ist und ob mehr epigenetische Vielfalt auch deren Produktivität steigern könnte.


Quelle:
Latzel, V. et al. (2013): Epigenetic diversity increases the productivity and stability of plant populations. In: Nature Communications 4: 2875, (28. November 2013), doi: 10.1038/ncomms3875.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Über 600 Populationen der Ackerschmalwand mit teilweise gleichen und teilweise sehr unterschiedlichen epigenetischen Mustern wurden untersucht. Epigenetische Vielfalt hatte deutlich positive Effekte. (Quelle: © iStockphoto.com/ pkujiahe)