Die zweite Generation Biosprit ist nachhaltig und kompatibel

06.11.2009 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Aus Mais lässt sich Bioethanol herstellen. (Quelle: © Janeela / pixelio.de)

Aus Mais lässt sich Bioethanol herstellen. (Quelle: © Janeela / pixelio.de)

Durchwachsene Umwelt- und Sozialbilanzen sowie Probleme mit so manchem Motor haben Kraftstoffe aus Biomasse zu einem Streitthema gemacht. Die zweite Generation Biokraftstoffe konkurriert nicht mit Nahrungsmitteln, lässt sich ohne Umrüstung des Motors nutzen – und könnte so den Streit beenden. 

Biodiesel aus Raps, Bioethanol aus Mais oder Zuckerrohr: Seit den 1970er Jahren gibt es Fahrzeuge, die mit Treibstoffen aus Biomasse angetrieben werden. Weil das Kohlendioxid, das bei der Verbrennung freigesetzt wird, schon die Raps- oder Maispflanzen der nächsten Saison wieder binden, gelten Biokraftstoffe als klimaneutral – im Gegensatz zu Erdöl basierten Kraftstoffen. Wie gut die Klimabilanz noch ist, wenn man berücksichtigt, dass beim Anbau Kraftstoffe verbraucht werden, dass die Ernte oft Tausende Kilometer transportiert wird und dann erst noch zu Treibstoff verarbeitet werden muss, darüber gehen die Meinungen auseinander. Ebenso monieren Kritiker, dass die Ackerflächen und vor allem die Ernten letztlich für Nahrungs- und Futtermittel fehlen, wenn das Getreide im Tank landet. Und längst nicht alle Tanks beziehungsweise Motoren kommen mit Biokraftstoffen klar, nicht einmal als Beimischung.

Zweite Generation Biokraftstoffe vermeidet viele Probleme

Nur wenige Menschen bestreiten, dass Kraftstoffe aus Biomasse grundsätzlich eine gute Idee sind. Noch weniger zweifeln vermutlich daran, dass die genannten Kritikpunkte berechtigt sind. Inzwischen gibt es deshalb zwei Ansätze, wie man an der Idee der Biokraftstoffe festhalten und viele der Kritikpunkte ausräumen kann. Beide beziehen sich auf die so genannten Biokraftstoffe der zweiten Generation. Eine verbindliche Definition dieser Generation ist schwer zu finden. Gemein ist diesen Biokraftstoffen aber, dass als Rohstoff nicht essbare Biomasse verwendet wird und dass am Ende hochwertige synthetische Kraftstoffe stehen, die Autofahrer ohne Umrüstung des Motors anstelle des herkömmlichen Treibstoffes tanken können.

USA setzen auf separate Prozesskette für Biokraftstoffe

Der erste Ansatz für Biokraftstoffe der zweiten Generation ist der der USA. Dort will die Politik neben den Prozessketten von Nahrungs- und Futtermitteln eine dritte Kette etablieren, die der Herstellung von Biokraftstoffen dient. Angebaut werden ausschließlich nicht essbare Pflanzen, die auch züchterisch so optimiert werden sollen, dass sie besonders gute Grundlagen für die Gewinnung von Bioenergie bieten. Besonders setzen die USA dabei auf Bioethanol aus Lignocellulose.

Bioethanol ist an sich nichts Neues. Aus pflanzlichen Zuckern oder Stärke gewinnen es vor allem Brasilien und die USA seit Jahrzehnten. Neu und damit der zweiten Generation Biokraftstoffe zugehörig ist allerdings die Möglichkeit, Lignocellulose zu verarbeiten. Lignocellulose ist ein Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände. Ganze Getreidepflanzen, Stroh oder Holzreste können über die alkoholische Gärung zu Ethanol zersetzt werden. Damit dies möglich wird, muss die Cellulose durch Säuren oder Hitze vorbehandelt werden, dann können spezielle Enzyme die Cellulose in Zucker zerlegen. In chemischen Aufreinigungsschritten aus Destillation und Rektifikation werden schließlich Nebenprodukte der Gärung abgetrennt und das Ethanol hochrein konzentriert. Das Endprodukt unterscheidet sich vom Bioethanol der ersten Generation lediglich durch die aus sozialer und ökologischer Sicht besseren Produktionsbedingungen. Bioethanol kann rein als Kraftstoff genutzt werden, wie es in Brasilien oft der Fall ist, zu hohen Anteilen Benzin zugesetzt werden, beispielsweise in Skandinavien zu 85 Prozent, oder zu niedrigen Anteilen zugesetzt werden wie bei den momentanen fünf Prozent in Deutschland.

Iogen ist Pionier bei Cellulose-Ethanol

Die erste Pilotanlage für die Herstellung von Ethanol aus Lignocellulose betreibt die Firma Iogen seit 2004 in Kanada. Weitere Pilotanlagen gibt es in Schweden und Spanien. In Deutschland will Iogen gemeinsam mit Volkswagen und Shell Ethanol aus Lignocellulose produzieren. Hierzulande ist jedoch ein anderer Biokraftstoff der zweiten Generation populärer, dem auch ein anderer Ansatz zugrunde liegt: BtL-Kraftstoff (Biomass to Liquid, zu Deutsch: Biomasse zu Flüssigkeit).

EU favorisiert restefreie Kaskadennutzung von Biomasse

Dieser zweite Ansatz bei Biokraftstoffen ist der der Europäischen Union. Hier sollen die Kraftstoffe vor allem aus pflanzlichen Resten hergestellt werden, die bei der Nahrungs- und Futtermittelproduktion anfallen sowie bei der stofflichen Verwertung von Biomasse in Bioraffinerien. Das Resultat sind synthetische Kraftstoffe, die sogar qualitativ ihrer konventionellen Alternative überlegen sein können. Da dieser Ansatz auf die vollständige Verwertung der Pflanzen abzielt, ist die nutzbare Menge Biomasse je Hektar Anbaufläche besonders hoch und ergibt 3000 bis 4000 Liter Kraftstoff. Gleichzeitig besteht kein Nutzungskonflikt und ebenso wenig die Notwendigkeit, Rohstoffe über Tausende Kilometer zu importieren, wie es bei pflanzlichen Ölen häufig der Fall ist. Gegenüber fossilen Kraftstoffen könnten BtL-Kraftstoffe den Kohlendioxidausstoß um bis zu 90 Prozent senken.

BtL-Kraftstoffe erfordern ein aufwändiges Verfahren

BtL-Kraftstoffe herzustellen, ist aufwändig, weshalb die mangelnde Rentabilität des Verfahrens lange Zeit den kommerziellen Einsatz verhindert hat. Inzwischen lässt sich die Marktfähigkeit des BtL-Verfahrens absehen. Grundsätzlich sind von der Biomasse zum BtL-Kraftstoff fünf Schritte notwendig: Zunächst wird die Biomasse mechanisch zerkleinert. Die gemahlene oder gehäckselte Masse wird dann meist mittels Pyrolyse thermisch gespalten, bevor durch die so genannte Flugstrom- oder die Wirbelschichtvergasung ein Synthesegas erzeugt wird. Nachdem das Gas aufgereinigt worden ist, erfolgt die Erzeugung des flüssigen Kraftstoffes. Dazu dient entweder die so genannte Methanolsynthese oder die Fischer-Tropsch-Synthese. Dieser letzte Schritt ist seit Jahrzehnten im großen Maßstab etabliert, weil er auch dann angewandt wird, wenn flüssiger Kraftstoff aus Kohle oder Erdgas erzeugt werden soll. Je nach Verwendungszweck kann der BtL-Kraftstoff abschließend zu Benzin oder Diesel aufgearbeitet werden.

Vorteile gegenüber konventionellen Kraftstoffen

Gegenüber ihren herkömmlichen Pendants haben BtL-Kraftstoffe nicht nur den Vorteil der klimafreundlicheren Erzeugung. Sie sind frei von Schwefel und Aromaten, erzeugen bei der Verbrennung weniger Ruß und Kohlenmonoxid,  sind weniger zähflüssig und haben eine höhere Zündwilligkeit. Letzteres ist für Dieselmotoren von Bedeutung. Der einzige Nachteil ist der etwa sieben Prozent geringere Energiegehalt je Liter, verglichen mit normalem Dieselkraftstoff. Unter den Biokraftstoffen liegen BtL-Kraftstoffe mit etwa 138 Gigajoule pro Hektar bei der Energieausbeute dennoch auf Platz 1, ebenso wie bei den Kohlendioxideinsparungen, die rund zwölf Tonnen je Hektar betragen.

Bioliq-Verfahren am Forschungszentrum Karlsruhe

Für die Herstellung von BtL-Kraftstoffen gibt es eine Reihe von Pilotanlagen. Im Forschungszentrum Karlsruhe erproben Forscher das Bioliq-Verfahren. Dabei wird die Biomasse dezentral über die Schnellpyrolyse zu einem energiereichen und transportfähigen Gemisch verarbeitet. Neben dem logistischen Vorteil erlaubt das, für die Vergasung einen Flugstromvergaser zu benutzen, der sich bereits im Großmaßstab bewährt hat. Der kritische Punkt dieses Verfahrens ist die Schnellpyrolyse verschiedener Biomassen im Großmaßstab, deren Machbarkeit erst erprobt werden muss.

Beta-Pilotanlage der Firma Choren in Freiberg

Am Standort Freiberg in Sachsen betreibt die Firma Choren bereits eine großtechnische Pilotanlage, die jährlich etwa 15.000 Tonnen vom BtL-Kraftstoff „Sunfuel“ herstellt. Dort kommt die so genannte Carbo-V-Vergasung zum Einsatz, eine Kombination aus autothermer Pyrolyse und Flugstromvergasung. Da dieses Pyrolyseverfahren sich nicht beliebig hochskalieren lässt, muss eine Produktion im Großmaßstab mehrlinig ausgeführt werden. Insgesamt ist die Firma Choren der großtechnischen Reife am nächsten. 2012 soll die erste Produktionsanlage mit einer jährlichen Leistung von 200.000 Tonnen Kraftstoff ihren Betrieb aufnehmen, dann wahrscheinlich in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern.

Ebenfalls in Freiberg erforscht die dortige Technische Universität einen weiteren Ansatz. Ihr BtL-Konzept kombiniert die Vergasung einer druckaufgeladenen Wirbelschicht mit einer Methanol-Synthese. Dieser Schritt könnte dezentral erfolgen und das Methanol abschließend in einer Großanlage zu einem BtL-Kraftstoff verarbeitet werden.

Weitere Pilotprojekte in ganz Europa

Aufgrund des politischen Engagements für BtL-Kraftstoffe gibt es noch eine Reihe weiterer Projekte. Im niedersächsischen Clausthal-Zellerfeld betreibt die Firma Cutec eine BtL-Versuchsanlage, die aus einer Vergasung in einer atmosphärischen zirkulierenden Wirbelschicht mit Sauerstoff und Dampf besteht sowie aus einer Fischer-Tropsch-Synthese. Im schwedischen Värnamo wurde eine der ersten Großanlagen zur Vergasung von Biomasse unlängst für die Produktion von BtL-Kraftstoffen umgebaut.

Cellulose-Butanol als dritte Generation?

Am Horizont ist bereits die dritte Generation Biokraftstoffe zu sehen. Vor allem an Biobutanol aus Cellulose wird aktiv geforscht, da Butanol gegenüber Ethanol besser Kraftstoffeigenschaften hat. Sollte die biotechnologische Forschung an Biobutanol einmal praxisreif sein, wäre es mit wenig Aufwand möglich, Bioethanolanlagen entsprechend umzurüsten.

Welche Verfahren sich langfristig als praktikabel und wirtschaftlich erweisen werden, ist heute schwierig vorherzusagen. Aktuelle Studien halten BtL-Preise ab Raffinerie für unter 80 Cent für möglich. Auch das Ziel der Europäischen Union, im Jahr 2020 zehn Prozent des Kraftstoffbedarfs durch Biomasse zu decken, scheint realistisch – allerdings nicht allein mit Biokraftstoffen der zweiten Generation. Aufgrund der zahlreichen Vorteile gegenüber der ersten Generation ist dennoch zu erwarten, dass Lignocellulose-Ethanol und BtL-Kraftstoffe langfristig ihre Vorgänger komplett ersetzen werden – zumindest in den Industrieländern. 20 bis 25 Prozent des gesamten Kraftstoffbedarfs in Deutschland könnten nach Schätzungen der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe BtL-Kraftstoffe einst abdecken.


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Bioraffinerien ersetzen die Petrochemie Nachwachsende Energie aus Pflanzen

Titelbild: Aus Mais lässt sich Bioethanol herstellen. (Quelle: © Janeela / pixelio.de)