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Landnutzungskarten zeigen Potential globaler Flächen auf

22.11.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Man spricht von einer direkten Landnutzungsänderung, wenn beispielsweise aus tropischem Regenwald eine landwirtschaftliche Anbaufläche wird (hier: Bananen-Plantage in Thailand). (Quelle: © iStockphoto.com/ sirichai_raksue)

Man spricht von einer direkten Landnutzungsänderung, wenn beispielsweise aus tropischem Regenwald eine landwirtschaftliche Anbaufläche wird (hier: Bananen-Plantage in Thailand). (Quelle: © iStockphoto.com/ sirichai_raksue)

In zwei Veröffentlichungen haben Wissenschaftler aus Satellitendaten globale Karten zur Landnutzung erstellt, die zusätzlich Auskunft über die Auswirkungen von Landnutzungsänderungen geben können.

Jeder hat schon erlebt, dass aus einer Wiese plötzlich ein Maisfeld wurde. Auch wenn es auf den ersten Blick harmlos wirkt, können solche Landnutzungsänderungen weitreichende Auswirkungen haben. Das bekannteste Beispiel veränderter Landnutzung sind tropische Regenwälder, die in Ackerland umgewandelt werden, was in der Folge das globale Klima maßgeblich mit beeinflusst. Um diese Landnutzungsänderungen, die mittlerweile als wichtige Ursache für den Klimawandel gelten, zu untersuchen, gibt es viele Karten auf Basis von Satellitenaufnahmen. Die Karten gaben bis jetzt allerdings nur den Ist-Zustand wieder, nicht aber die zu erwartenden Auswirkungen für Menschen und Umwelt. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben jetzt die erste globale Karte entworfen, die auch wichtige Hintergrundinformationen liefert.

Zwölf Archetypen

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Weltkarte der globalen Archetypen zur Landnutzung.

Weltkarte der globalen Archetypen zur Landnutzung.

Bildquelle: © Tomáš Václavík/UFZ

Um einen Überblick über die verschiedenen Landnutzungen zu bekommen, teilten die Wissenschaftler sie in 12 globale Muster („Archetypen“) ein. In diese Archetypen flossen nicht nur Daten über die konkrete Nutzung der Flächen wie zum Beispiel Ackerbau oder Waldwirtschaft ein, sondern auch Daten zum vorherrschenden Klima, zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der jeweiligen Länder, zum Düngerverbrauch, zum Anteil der Landwirtschaft am BIP und zum Zugang zu möglichen Absatzmärkten. Dadurch wurde aus der „Karte“ eine interdisziplinäre Datenbank, die zum Beispiel auch Informationen zur Verbesserung der Erträge liefert, zu Klimaveränderungen und deren Auswirkungen sowie zum Einfluss der Politik auf die Landwirtschaft. Insgesamt wurden über 30 Faktoren mit mehr als einer Million Datenpunkten verarbeitet.

Kaum noch Ertragssteigerungen möglich

So gehört Deutschland beispielsweise zum Archetyp „Intensivanbau“, der sich durch einen hohen Flächenanteil der Landwirtschaft, durch hohe Düngergaben, einen guten Zugang zu Absatzmärkten, ein gemäßigtes Klima und einen geringen Anteil der Landwirtschaft am BIP auszeichnet. Zu diesem Archetyp, der einen Anteil von fünf Prozent an der weltweit untersuchten Fläche hat, gehören neben weiten Teilen Westeuropas, dem Osten der USA, dem Westen Australiens auch Teile Indiens und Chinas. Die Möglichkeiten zur Ertragssteigerung mit herkömmlichen Methoden sind hier größtenteils ausgeschöpft.

Gleichzeitig kann die Analyse der Daten aber auch auf sinnvolle Möglichkeiten der Ertragssteigerungen hinweisen. So ist zum Beispiel in drei Archetypen („degradierte Wälder und Agrarsysteme in den Tropen“ wie Lateinamerika, Südostasien, „bewässerte Anbausysteme mit einer Ertragslücke bei Reis“ wie Bangladesch, Teile von Indien, und „extensive Anbausysteme“ wie Osteuropa, Teile von China, Teile von Südamerika) die Bodenerosion sehr hoch und beeinflusst die Erträge negativ. In allen drei Archetypen ist die lokale Bevölkerung stark von den Erträgen aus der Landwirtschaft abhängig. Laut Datenanalyse wäre es hier sinnvoll, konkrete Maßnahmen gegen Bodenerosion zu ergreifen. So könnten die Erträge aus der Landwirtschaft gesichert oder sogar gesteigert werden, ohne der Umwelt zu schaden.

Die Situation der Wälder

In einer zweiten Veröffentlichung untersuchten Wissenschaftler aus den USA die aktuelle globale Waldfläche über einen Zeitraum von zwölf Jahren, um den Waldverlust sowie aufgeforstete Flächen zu quantifizieren. Laut ihrer Berechnungen gingen innerhalb der untersuchten Zeitspanne 2,3 Millionen Quadratkilometer Wald verloren, größtenteils durch Rodungen in den Tropen (2101 km² pro Jahr). Obwohl Brasilien die Waldverluste durch Abholzung im eigenen Land eindämmen konnte, wird dieser positive Trend durch die steigenden Verluste unter anderem in Indonesien, Malaysia und Paraguay wieder zunichte gemacht. Gleichzeitig konnte aber auch eine Zunahme der Waldfläche in bestimmten Bereichen beobachtet werden (0,8 Millionen km² pro Jahr), den größten Zuwachs hatten hier die borealen Nadelwälder Eurasiens. Der Zuwachs kam unter anderem durch Aufforstung und aufgegebenes Ackerland zustande.

Untersucht wurden auch die stark durchforsteten Bereiche mit kurzen Wachstumszyklen, die vor allem im Süden der USA und im atlantisch geprägten Europa vorkommen. Dabei zeigte sich, dass besonders die subtropischen Wälder in den USA aufgrund der dort vorherrschenden Plantagenwirtschaft mit ihren kurzen Umbruchszeiten viermal so stark beeinträchtigt sind wie die tropischen Wälder Südamerikas.

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Die Ausmaße der Waldzerstörung können über regelmäßig gesammelte Satellitendaten kontrolliert werden.

Die Ausmaße der Waldzerstörung können über regelmäßig gesammelte Satellitendaten kontrolliert werden.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Brasil2

In den gewonnenen Daten sehen die Forscher eine Möglichkeit für die Regierungen waldreicher Staaten, einen jährlichen, genauen Überblick über die tatsächliche Waldentwicklung zu bekommen und entsprechende Maßnahmen schneller und zielgerichteter einzuleiten. Von den Staaten mit hohem Waldanteil ist Brasilien bisher das einzige Land, das den starken Waldverlust durch Kahlschlag einzudämmen versucht. Bei der Umsetzung der Schutzmaßnahmen nutzt die Regierung auch Satellitendaten, mit deren Hilfe die Ausmaße der Verluste abgeschätzt und Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Bis heute ist Brasilien das einzige Land, das auf diesem Weg jährlich Daten über die Ausmaße der Veränderungen seiner Waldfläche erhebt.

Detaillierter Blick in die Zukunft

Durch die Analyse von Satellitendaten wird es Forschern möglich, Veränderungen in der Landnutzung zu verfolgen und konkrete Empfehlungen für die Politik auszusprechen. Die heutzutage leicht zugänglichen Satellitenaufnahmen bieten eine kostengünstige Möglichkeit, um zum Beispiel die gespeicherte Kohlenstoffmenge abzuschätzen, unberührte Wälder zu überwachen und den Zusammenhang zwischen Waldveränderungen und sozioökonomischen Faktoren zu untersuchen.

Auch die Politik selbst kann diese Technologie nutzen, um die Folgen von Landnutzungsänderungen zu kalkulieren. So kann zum Beispiel auf diesem Weg beurteilt werden, ob eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Erträge durch die Ausdehnung der Ackerfläche oder durch die Intensivierung der Landwirtschaft sinnvoller ist. Ebenso können Satellitendaten für Erhebungen zur landesweiten Waldfläche oder zur Abschätzung des Waldzustandes herangezogen werden. Auf globaler Ebene kann der Einfluss auf die biologische Vielfalt sowie auf Ökosystemdienstleistungen und mögliche Rückkopplungseffekte untersucht werden.

Entscheidungshilfe für die Politik

Moderne, globale Karten sind somit eine wichtige Entscheidungshilfe für Wissenschaft und Politik, die in Zukunft stärker genutzt werden soll. Die vorgestellten Arbeiten gewinnen beispielsweise durch die Schaffung gesetzlicher Regelungen zur Produktion von Biokraftstoffen in der EU an Bedeutung. Landnutzungsänderungen sollen, nach dem Willen der Europäischen Kommission zur Bewertung unterschiedlicher Biokraftstoffe herangezogen werden. Bis es soweit ist, besteht jedoch noch erheblicher Forschungsbedarf.

Das zeigt eine weitere aktuelle Studie deutscher Forscher. In ihrer vergleichenden Analyse politikrelevanter Studien zu Landnutzungsänderungen bemängeln die Wissenschaftler neben den großen Schwankungsbreiten der Ergebnisse (teilweise bis zu 500%), große Defizite bei der Transparenz der Methodenwahl und einen Mangel bei der Zugänglichkeit der Ergebnisse. Das Fazit der Forscher: Die Erforschung von Landnutzungsänderungen befindet sich derzeit noch im Stadium der Grundlagenforschung und Methodenentwicklung. Fernerkundungssysteme via Satellit sind dazu jedoch ein wichtiges und zuverlässiges Instrumentarium.


Quellen:

Weiterführende Informationen:

  • Karte zur globalen Waldfläche und der Waldentwicklung (Hansen, M. C. et al. (2013): Global forest change

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Man spricht von einer direkten Landnutzungsänderung, wenn beispielsweise aus tropischem Regenwald eine landwirtschaftliche Anbaufläche wird (hier: Bananen-Plantage in Thailand). (Quelle: © iStockphoto.com/ sirichai_raksue)