Edle Reben für den Wein

Tradition und Herausforderung

27.07.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Weinreben: Die Weinbeeren hängen an einer Traube - umgangssprächlich nennt man die Beeren fälschlicherweise

Weinreben: Die Weinbeeren hängen an einer Traube - umgangssprächlich nennt man die Beeren fälschlicherweise "Trauben". (Bildquelle: © Christoph Aron / pixelio.de)

Deutschland blickt auf eine rund 2.000 Jahre lange Tradition des Weinbaus zurück. Der ohnehin schwierige Anbau wird durch Schädlinge, Krankheiten und Umweltfaktoren zusätzlich erschwert. Forschung und Züchtung helfen den Winzern neue Herausforderungen anzupacken und die Tradition zu sichern.

Es gibt sie schon seit der Antike: Die Faszination für die Weinrebe. Vor langer Zeit verehrte man in Griechenland gar einen Gott des Weins, Dionysos, den die Römer Bacchus nannten. Zur Zeit der Römer startete hierzulande auch der Weinanbau – vor etwa 2.000 Jahren.

Weinreben haben hohe Ansprüche

Die bekannte Kulturrebe trägt den botanischen Namen Vitis vinifera subsp. vinifera und ist eine Art aus der Gattung der Weinreben. Aus ihr werden unsere Tafeltrauben, Rosinen und auch Wein hergestellt. Der Rebenanbau ist allerdings nicht überall möglich. Denn Weinreben sind anspruchsvolle Nutzpflanzen. Sie benötigen spezielle Standortbedingungen und ihre Produktion ist vergleichsweise arbeits- und zeitintensiv, bis heute ist man auf viel Handarbeit angewiesen. Wein zählt zu den Sonderkulturen.

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Deutschland gilt als eine der nördlichsten Weinanbauregionen weltweit. Der Anbau prägt eine ganz besondere Kulturlandschaft, denn Winzer bewirtschaften ihre Weinstöcke oft in steilen Lagen, wie hier an der Mosel.

Deutschland gilt als eine der nördlichsten Weinanbauregionen weltweit. Der Anbau prägt eine ganz besondere Kulturlandschaft, denn Winzer bewirtschaften ihre Weinstöcke oft in steilen Lagen, wie hier an der Mosel.

Bildquelle: © pics - Fotolia.com

Deutschland gilt als eine der nördlichsten Regionen weltweit, in denen der Weinanbau überhaupt möglich ist. Denn die Weinreben bevorzugen warme Standorte. Dennoch blickt der deutsche Weinanbau auf eine lange Tradition zurück.

Die Reblauskatastrophe brachte den Anbau fast zum Erliegen

Der Weinanbau in Europa erlitt im 19. Jahrhundert einen herben Rückschlag, als im Jahr 1863 die Reblaus als unerwünschter Einwanderer aus Nordamerika nach Europa gelangte. Denn die hier heimischen Sorten der Kulturrebe sind nur an den Blättern resistent, an der Wurzel aber anfällig für den Weinschädling. Das hatte katastrophale Folgen.

Die Reblaus an sich ist dabei nicht das eigentliche Problem. Sie saugt zwar an den Pflanzen, um sich zu ernähren. Die Saugschäden würden die Reben aber nicht „umbringen“. Wenn wir Menschen uns eine Wunde zufügen, dann sorgt der Körper dafür, dass die Stelle wieder geschlossen wird und sich nach einiger Zeit dort wieder intakte Haut befindet. Die Weinrebe ist dazu nicht in der Lage. Die Verletzungsstellen bleiben permanent offene Eintrittspforten für andere Schädlinge, die die Pflanze so stark beschädigen können, dass letztlich die gesamte Wurzel und damit die Pflanze abstirbt.

Pfropfrebenanbau: Aus der Not geboren

Die Lösung kam Anfang des 20. Jahrhunderts, als in Deutschland im Rebenanbau das Pfropfen von Pflanzen zugelassen wurde. Dabei macht man sich zugute, dass die Weinreben aus Nordamerika an die kleine Laus besser angepasst sind – sie gelten als tolerant gegenüber dem Schädling. Weinrebensorten werden seither auf amerikanische Unterlagsreben gepfropft: Die Unterlage im Boden wird mit dem sogenannten Edelreis zusammengeführt. Der obere Teil (Edelreis) wird dann von den Wurzeln der Unterlage mit Nährstoffen versorgt und bildet die edlen Trauben. Die Unterlage kann die Wunden des Schädlings abriegeln und dadurch mit der Reblaus leben ohne zu Schaden zu kommen.

Diese Art des Anbaus wäre ohne die Reblaus nie eingeführt worden, erklärt Prof. Dr. Reinhard Töpfer, Leiter des Julius-Kühn-Institut (JKI) für Rebenzüchtung Geilweilerhof: „Niemals hätte diese Entwicklung freiwillig stattgefunden. Denn es war eine problematische Umstellung, bis man die geeigneten Unterlagen fand, die auch in den europäischen Gebieten geeignet waren. Die Veredelung bedeutet Mehraufwand. Das sind Zusatzkosten, die sich der Weinbauer natürlich gern sparen würde. Pfropfreben sind in jedweder Hinsicht ein Kostenfaktor. Wurzelechte Weinreben sind mittlerweile weltweit sehr selten zu finden. In Deutschland ist der Pfropfrebenanbau sogar gesetzlich vorgeschrieben.“

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Echter Mehltau: Eine Bedrohung für den Weinbau.

Echter Mehltau: Eine Bedrohung für den Weinbau.

Bildquelle: © Bauer Karl/wikimedia.org; CC BY 3.0

Die Umstellung der Anbauweise hat die Reblaus unter Kontrolle gebracht. Doch es lauern weitere Gefahren: Pilze sind dabei eine permanente Bedrohung. Zu den größten Feinden der Weinreben zählen der Echte und der Falsche Mehltau, die ebenfalls aus Nordamerika eingeschleppt wurden und zu bedeutenden wirtschaftlichen Schäden führen. Der Echte Mehltau kam wahrscheinlich als blinder Passagier mit Wildarten, die als Zierreben eingeführt worden sind. Der Falsche Mehltau, wurde vermutlich mit resistenten Wildreben verschleppt, die man zur Bekämpfung der Reblaus nach Europa brachte. So hat die Lösung eines Problems zu einem neuen geführt, das auch heute noch bekämpft wird. Fungizide sind hier das Mittel der Wahl. Doch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist nicht die idealste Lösung.

Bessere Reben durch Forschung und Züchtung

Ein Ziel der Züchtung ist es daher, die Reben widerstandsfähiger zu machen, so dass sie ihren Feinden besser trotzen und dadurch Pflanzenschutzmittel eingespart werden können. Kennen Sie die Weinsorte „Regent“? Falls ja, dann kennen Sie eine Sorte, die im Institut für Rebenzüchtung genau vor diesem Hintergrund entwickelt wurde. Sie ist seit 1996 in Europa zugelassen und entstand aus einer Kreuzung der Rebsorten Silvaner und Müller-Thurgau mit der Rebsorte Chambourcin. Ihr Vorteil: Sie ist sehr widerstandsfähig gegen Pilze.

Die langfristigen Ziele der Rebenforschung und -züchtung sind es, bekannte Sorten zu verbessern und neue Sorten zu entwickeln, die toleranter gegen Stress und schädigende Organismen sind und zugleich eine hohe Qualität haben. Denn hohe Erträge bedeuten im Weinbau oft auch schlechtere Qualitäten und was nützt die toleranteste Rebe, wenn die Beeren nicht den Geschmack der Verbraucher treffen! Ideal sind eine Balance aus möglichst hohen Erträgen und bester Qualität. Und das nicht nur in einem Jahr mit besten Voraussetzungen, sondern auch wenn das Wetter mal nicht das Beste ist. Andererseits genießen wir nicht umsonst gute Jahrgangsweine und sind von den unterschiedlichen Ausprägungen fasziniert.  

Die äußeren Merkmale der Pflanzen müssen erfasst werden

Bei der klassischen Züchtung betrachtet man ausschließlich die äußerlich sichtbaren Merkmale – den Phänotyp. Um geeignete Kandidaten auszuwählen, muss der Pflanzenzüchter kontinuierlich den Reifeverlauf und die Erträge beobachten. Man muss auch überprüfen, ob die gewünschten Eigenschaften, wie beispielsweise eine Resistenz gegenüber Krankheiten, bei den Weinreben vorhanden sind. Eine derartige Datensammlung, vergleichbar mit einer Inventur, nennt man Bonitur.

Allerdings ist die Rebenzüchtung ein langfristiger Prozess. Gute 20-25 Jahre kann es schon dauern, bis eine neue Sorte entwickelt ist. Eine systematische Analyse vieler Merkmale über einen sehr langen Zeitraum ist schwierig, da hierfür sehr viel geschultes Personal erforderlich ist, das immer und zu allen Wetterbedingungen im Feld objektive Daten erfasst, die in jedem Jahrgang vergleichbar sein müssen. Das stellte die Züchter vor große Herausforderungen. Daher erwuchsen Überlegungen, diese Daten automatisiert erfassen zu lassen.

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Lesen Sie mehr zu dem Freilandroboter, der im Projekt „PHENOvines“ entwickelt wurde: Der PHENObot – Ein technischer Helfer in der Rebenzüchtung

Lesen Sie mehr zu dem Freilandroboter, der im Projekt „PHENOvines“ entwickelt wurde: Der PHENObot – Ein technischer Helfer in der Rebenzüchtung

Bildquelle: © Ursula Brühl, Julius Kühn-Institut Siebeldingen

Die Geburtsstunde des „PHENObots“

Vor diesem Hintergrund formierte sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte PLANT 2030-Projekt „PHENOvines“, dass 2011 mit dem Ziel startete, einen Roboter zu entwickeln, der die Phänotypisierung von Weinreben im Weinberg automatisch durchführen kann. Dafür schlossen sich das Julius-Kühn-Institut (JKI) für Rebenzüchtung Geilweilerhof – eine Forschungseinrichtung, die durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finanziert wird – und das Institut für Technik der Hochschule Geisenheim University sowie die wirtschaftlichen Partner Heinrich Mayer GmbH & Co.KG, Reichhardt Steuerungstechnik GmbH und Deutsches Weintor eG zusammen. Mit Projektende, Ende 2014, konnte das interdisziplinäre Projektteam dann den „PHENObot“ präsentieren, den Prototypen eines Phänotypisierungsroboters.

„Wir haben schon Erfahrung mit autonomen Fahrzeugen für den Weinbau. In diesem Projekt haben wir die Konstruktion des fahrbaren Untersatzes übernommen. Das Team um Herrn Töpfer vom Institut für Rebenzüchtung hat sich um das Bildanalysesystem gekümmert. Das interdisziplinäre Projekt war ein voller Erfolg“, beschriebt Prof. Dr. Hans-Peter Schwarz, Leiter des Instituts für Technik der Universität Geisenheim University.

Mit Technik zum Erfolg

Prof. Töpfer vom JKI, Projektkoordinator von „PHENOvines“, ist es auch, der nun mit dem Gerät arbeitet und weitere Tests und praktische Anwendungen durchführt. Damit das Projekt ein Erfolg werden konnte, bedurfte es jedoch auch einiger Vorarbeit. Im Agrocluster CROP.SENSe.net wurden neue Sensoren getestet und Auswerteroutinen entwickelt, die dann im Projekt PHENOvines praktisch angewendet werden konnten. Denn auch die Anforderungen im Weinbau haben beim Kompetenznetzwerk ein Teilprojekt dargestellt. Auf dieses Wissen konnte man bei der Konstruktion des PHENObots zurückgreifen, der die Technik ins Freie – in den Weinberg – brachte.

CROP.SENSe.net ist eins von fünf Kompetenznetzen in der Agrar- und Ernährungsforschung, die vom BMBF über fünf Jahre hinweg gefördert wurden. Koordiniert wird das Netzwerk von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Ziel des Netzwerks ist die Weiterentwicklung komplexer Sensorik für Nutzpflanzenforschung, Züchtung und Bestandssteuerung.

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Video: Weniger mühsam und zeitaufwendig: Um die Erfassung von Traubengröße, Farbe oder Gesundheitszustand der Pflanze kann sich jetzt auch der PHENObot kümmern. (Quelle: Pflanzenforschung.de/ youtube.com)

Äußere und innere Werte vereinen

Doch nicht nur die äußerlich sichtbaren Merkmale sind für die Forschung und Züchtung entscheidend. Der Blick ins Erbgut der Pflanzen ist heute nicht mehr wegzudenken. Moderne Züchtung integriert molekulare Marker, mit denen gewünschte Eigenschaften der Reben schon sehr früh identifiziert werden können. Dies setzt die Analyse des Genoms voraus. Die Kombination von phänotypischen und genotypischen Daten beschleunigt die Züchtung und hilft die Pflanzen besser zu verstehen. Hier wird die Entwicklung, auch in der Rebenzüchtung, in Zukunft noch weiter gehen.

Der Blick nach vorn

Auch wenn zukünftig mit Hilfe der Forschung widerstandsfähigere Weinreben gezüchtet werden, wird es jedoch eine Herausforderung sein, den Weinkonsumenten von neuen Sorten zu überzeugen. Traditionelle Rebsorten wie „Riesling“ oder „Spätburgunder“ machen es neuen, noch unbekannten Sorten schwer. Denn wer im Weinregal die Qual der Wahl hat, greift doch eher zum Altbekannten. Als Tipp für die Zukunft nennt Prof. Töpfer die Rebsorte „Calardis  blanc“: „Wir erwarten bis spätestens 2017 den Sortenschutz. Es ist die erste Sorte, bei der zwei Resistenzgene gegen den Falschen Mehltau verankert sind und weltweit das erste Beispiel, das auf den Markt kommt.“

Doch das sind nicht die einzigen Sorgen, die sich Winzer und Wissenschaftler machen. Der Klimawandel verändert die Anbaubedingungen und hat es nötig gemacht, Zuchtziele zu verändern. „Früher war ein Ziel, dass die Reben früher reifen, damit sich mehr Zucker – der Kraftstoff für die Hefen aber auch Bakterien bei der alkoholischen Gärung – in den Beeren bilden kann. Allerdings gibt es derzeit, bedingt durch den Klimawandel, eine messbare Verfrühung der Vegetationsperiode um circa zwei bis drei Wochen. Unter diesen Bedingungen ist eine frühere Reife kontraproduktiv. Daher haben wir seit etwa 10-15 Jahren das neue Zuchtziel, die Reben später zur Reife zu führen“, erklärt Prof. Töpfer den Einfluss des Klimawandels auf die Züchtung.

Darüber hinaus führt der Weg hin zu mehr automatisierten Prozessen, wie beim PHENObot, zu einer wahren Datenflut. Daten, die nicht nur erhoben, sondern auch strukturiert, kombiniert, analysiert, archiviert und ausgewertet werden müssen. Was unter dem Stichwort „Big Data“ derzeit verstärkt diskutiert wird, führt in der Praxis dazu, dass die Forschungseinrichtungen immer neuen Speicherplatz einrichten müssen. Doch auch die sinnvolle Bearbeitung und Verknüpfung der Daten wird in den kommenden Jahren ein Thema sein.


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Titelbild: Weinreben: Die Weinbeeren hängen an einer Traube - umgangssprächlich nennt man die Beeren fälschlicherweise "Trauben". (Bildquelle: © Christoph Aron / pixelio.de)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationale Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie für die Zukunft“ und die Ausschreibungen des transnationalen Programms „PLANT-KBBE“, an denen sowohl Wissenschaftler aus dem akademischen Bereich als auch privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligt sind.
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030