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Interview zum TTN-Essay-Preis 2013

25.04.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der TTN-Essay-Preis 2013 hatte das Thema:

Der TTN-Essay-Preis 2013 hatte das Thema: "Natur verbessern": Grüne Biotechnologie im Zeitalter des Anthropozäns. (Quelle: © TTN)

Das Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften (TTN) an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München schrieb 2013 einen Essay-Preis zum Thema „Natur verbessern“: Grüne Biotechnologie im Zeitalter des Anthropozäns aus. Wir sprachen mit Dr. Stephan Schleissing, dem Geschäftsführer des Instituts TTN, über den Essay-Wettbewerb, die Gründe für den Preis und die Rolle von Interdisziplinarität. 

Pflanzenforschung.de: Das Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der LMU München (TTN) schrieb letztes Jahr einen Essay-Preis aus. Was war die Intention und was das Ziel dieses Preises? Warum gerade ein Essay-Preis?

Dr. Schleissing: Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Förderung des interdisziplinären Dialogs zwischen jungen Wissenschaftlern aller Disziplinen. Darum haben wir den Essay-Preis in Höhe von insgesamt 2.000 € sowohl für Studierende als auch für Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler ausgeschrieben. Die Aufgabe bestand darin, sich mit einem Wissenschaftsthema von hoher gesellschaftlicher Relevanz sowohl kompetent als auch pointiert in einem kurzen Essay auseinanderzusetzen.

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Dr. Stephan Schleissing. Er ist Geschäftsführer des Instituts TTN an der LMU München, Kirchenrat und Beauftragter für Naturwissenschaft und Technik der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern.

Dr. Stephan Schleissing. Er ist Geschäftsführer des Instituts TTN an der LMU München, Kirchenrat und Beauftragter für Naturwissenschaft und Technik der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern.

Bildquelle: © Rüdiger Niemz

Pflanzenforschung.de: Es gab bereits 2011 einen TTN Essay-Preis. Ist der Preis ursprünglich als einmalige Auszeichnung geplant gewesen oder soll dieser Wettbewerb in regelmäßigen Abständen stattfinden? Was sind die Unterschiede zwischen den Jahren 2011 und 2013?

Dr. Schleissing: 2011 lautete das Thema „Auf der Suche nach der Formel des Lebens - Theologie im Gespräch mit den Naturwissenschaften“. Der Sponsor damals war die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und er richtete sich ausdrücklich an junge Theologen. Für den Essay-Preis 2013 hat das TTN-Mitglied Professor Gerhard Wenske das Preisgeld gestiftet. Bewerben konnten sich Studierende und Nachwuchswissenschaftler aller Fakultäten. Beiden Essay-Preisen gemeinsam ist die Beschäftigung mit ethischen bzw. kulturbezogenen Fragen  aktueller Entwicklungen in Naturwissenschaft und Technik. Weil es hier um Interpretation geht, reichen natürlich vor allem Geistes- und Sozialwissenschaftler einen Essay ein.

Pflanzenforschung.de: Das Thema des Essay-Preises war „Natur verbessern“: Grüne Biotechnologie im Zeitalter des Anthropozäns. Warum dieses Thema?

Dr. Schleissing: Unsere Vorstellung von der Natur scheint überholt. Darauf weisen jüngere ökologische Debatten ebenso hin wie die Anthropozän-These: Das Bild von Natur als unberührte Wildnis ist als Illusion entlarvt. Sind wir darum schon in ein neues Erdzeitalter eingetreten, in dem zwischen Natürlichem und Künstlichem nicht mehr klar unterschieden werden kann? Uns hat vor allem interessiert, welchen Stellenwert die Autoren diesen Fragen im Kontext der Diskussion über Grüne Biotechnologie zumessen. Also: Kann die Optimierung von Nutzpflanzen ein Weg sein, um „grüne“ Werte und moderne Technologie zu versöhnen? Wie wirkt sich ein neues Naturbild auf einen verantwortlichen Umgang mit der Natur aus?

Pflanzenforschung.de: Wie war die Resonanz (Einreichungen) auf den Preis? War die Resonanz wie erhofft?

Dr. Schleissing: Der TTN-Essay-Preis ist ja ein noch verhältnismäßig „junger“ Preis. Trotzdem waren wir von den insgesamt 12 Einreichungen beeindruckt. Die Teilnehmer kamen aus den Fächern Philosophie, Soziologie, Theologie und Biologie. Allerdings wurde – anders als 2011 – in der Kategorie „Studierende“ kein Essay prämiert. Dafür waren die Beiträge in der Kategorie „Examinierte bzw. (Post)doktoranden“ eindrucksvoll. Deshalb haben wir uns auch entschlossen, nicht nur den Siegertext von Sascha Dickel, sondern auch zwei weitere Essays von Martin Beckstein und David Ludwig in unserer elektronischen Schriftenreihe TTNedition zu publizieren.

Pflanzenforschung.de: Der Gewinner steht nun fest: Dr. Sascha Dickel hat mit seinem Essay „Paradoxe Natur. Plädoyer für eine postromantische Ökologie“ den Preis erhalten. Was hat die Jury an diesem Essay überzeugt?

Dr. Schleissing: Der Essay „Paradoxe Natur. Plädoyer für eine postromantische Ökologie“ ist sprachlich prägnant, jongliert klug und unangestrengt mit unseren widersprüchlichen Denkweisen über Natur und Technik und präsentiert vor allem anregende Thesen. Auch für Interessierte, die die soziologische Debatte um den Naturbegriff nicht kennen, ist der Text gut verständlich. Das empfiehlt ihn für ein breiteres Publikum und passt damit perfekt zu dem Anliegen unserer Preisausschreibung.

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Lesen Sie das Essay von Gewinner Dr. Sascha Dickel hier.

Lesen Sie das Essay von Gewinner Dr. Sascha Dickel hier.

Pflanzenforschung.de: Planen sie bereits einen nächsten Essay-Preis?

Dr. Schleissing: Auch spätestens 2015 wird es wieder einen TTN Essay-Preis geben. Gegenwärtig sammeln wir noch Ideen für das Thema. Da sind wir noch offen.

Pflanzenforschung.de: Das Motto des TTN ist: Ethik interdisziplinär. Was verstehen sie darunter? Interdisziplinär arbeiten will heute jeder - worin sehen Sie das Alleinstellungsmerkmal des TTN?

Dr. Schleissing: Sie haben ganz Recht, „interdisziplinär“ ist schon so etwas wie ein Modewort. Als würden die fachspezifischen Zugänge zu einem Thema etwas Hinderliches sein, dass es zugunsten von Akzeptanz und Ethik zu überwinden gelte. Wir sehen das am Institut TTN anders. Gerade die Vielfalt der Perspektiven auf ein Problem fördert die Erkenntnis.

Interdisziplinarität ist kein Einheitsbrei, sondern ein Weg, um sich die Komplexität eines Themas aufzuschließen. Bezeichnend für unseren Ansatz am TTN ist dabei unser Anliegen, auch die wissenschaftliche Theologie miteinzubeziehen. „Ethik“ verstehen wir dabei – mit einem Bonmot von Trutz Rendtorff – nicht als ein „Bescheidwissen“, sondern als ein „Begleitwissen“. Uns interessiert vor allem das vertiefte Verständnis von Konflikten. Wie damit angesichts vielfältiger Interessen umzugehen ist, wird in einem demokratischen Gemeinwesen nicht von der Ethik, sondern durch die Politik entschieden. Hier kann eine interdisziplinär ausgelegte Ethik dazu verhelfen, dass nicht nur populistische Argumente eine Rolle spielen.

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch!


Gewinner des Essay Preises:

Den Siegertext können Sie hier in voller Länger lesen: Dr. Sascha Dickel - Paradoxe Natur. Plädoyer für eine postromantische Ökologie

Weitere Informationen zum Preis:

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Der TTN-Essay-Preis 2013 hatte das Thema: "Natur verbessern": Grüne Biotechnologie im Zeitalter des Anthropozäns. (Quelle: © TTN)