Freundschaft, die sich auszahlt

Bäume fördern Ameisen in Notzeiten und damit den eigenen Schutz

17.12.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ameisen mit Schildläusen: Die Läuse werden vom Baum mit Kohlenhydraten versorgt, die Ameisen profitieren ebenfalls davon. (Quelle: © iStockphoto.com/jeridu)

Ameisen mit Schildläusen: Die Läuse werden vom Baum mit Kohlenhydraten versorgt, die Ameisen profitieren ebenfalls davon. (Quelle: © iStockphoto.com/jeridu)

In Trockenzeiten wird die Symbiose zwischen Baum und Ameise vom Baum zusätzlich gefördert. Die Ameisen werden versorgt, obwohl es an Nahrung mangelt. Dafür sichern sie die Pflanze besser vor Schädlingen, indem sich mehr Arbeiterinnen entsenden.

Symbiosen von Ameisen mit Pflanzen oder Tieren (Myrmekophilie) sind in der Natur häufig anzutreffen. Pflanzen bieten beispielsweise den Ameisen geschützte Nistplätze und die Ameisen beseitigen dafür potentielle Fressfeinde der Pflanzen (mutualistische Symbiose). Die mittelamerikanische Baumart Cordia alliodora geht noch einen Schritt weiter: Sie füttert ganzjährig Schildläuse mit ihren eigenen Kohlenhydraten an, so dass sich die Ameisen der Art Azteca pittieri, die sich von den Ausscheidungen der Läuse („Honigtau“) ernähren, erfolgreich vermehren können. Dieser Vorgang verstärkt sich bei geringen Niederschlägen, wenn die Pflanzen unter Trockenstress stehen. Jetzt haben Wissenschaftler untersucht, welchen Nutzen der Baum davon hat, wenn er unter Stress trotzdem lebenswichtige Kohlenhydrate für die Ameisen opfert.

Kohlenstoff als Grundnahrungsmittel

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Cordia alliodora: Ameisenpflege als Lebensversicherung.

Cordia alliodora: Ameisenpflege als Lebensversicherung.

Bildquelle: © treesftf/Urrao - Zona Pabon - Juan Escobar/wikimedia.org; CC BY 2.0

Kohlenstoff (C) ist für die Pflanzen ein überlebenswichtiges Gut. In Form von Kohlenhydraten, die in der Photosynthese gebildet werden, dient er den Pflanzen als Energiespeicher sowie als Baumaterial. Sie erhalten Kohlenstoff in Form von CO2 über die Spaltöffnungen (Stomata) der Blätter, aus denen parallel Wasserdampf entweicht. Wassermangel beeinflusst den Kohlenstoffgehalt gleich mehrfach: Die Pflanzen halten ihre Stomata tagsüber weitgehend geschlossen, um den Wasserverlust zu minimieren, können dadurch aber nur wenig CO2 aufnehmen. Trockenstress führt zudem zur Verkleinerung der Blattoberfläche, wodurch weniger Wasser verdunstet wird. Das grenzt aber auch die Photosyntheseausbeute ein. Pflanzen unter Trockenstress geraten daher schneller in Gefahr des Kohlenhydratmangels.

Eine Möglichkeit, Trockenzeiten zu überstehen, ist das Abwerfen von Laub. Allerdings verkürzt sich damit auch die Zeit, in der die Pflanzen neue Kohlenhydratvorräte anlegen können. Denn in der Ruhephase laufen die kohlenhydratabbauenden Stoffwechselvorgänge (Dissimilation) weiter. Auch bei dieser Strategie laufen die Pflanzen also Gefahr, am Ende der Trockenphase in einen Kohlenhydratmangel zu geraten. Um herauszufinden, warum die Bäume trotzdem vermehrt in die Ameisenkolonien investieren, untersuchten die Wissenschaftler die Baumart Cordia alliodora an 26 verschiedenen Standorten entlang der mittelamerikanischen Westküste (Mexiko bis Guatemala). Die Plätze unterschieden sich in der Menge des jährlichen Niederschlags, so dass unterschiedliche Intensitäten des Wassermangels beobachtet werden konnten.

Je trockener, desto mehr Ameisen

Die Wissenschaftler entdeckten, dass auf den Bäumen an den trockeneren Standorten die Zahl der Schildläuse anstieg. Parallel dazu wurden die Ameisenkolonien noch größer. Dabei war auffällig, dass in den vergrößerten Kolonien statt fruchtbarer Weibchen vermehrt Ameisenarbeiter auftauchten, die Jagd auf Schädlinge machten. In der Folge konnten die Ameisen an den trockeneren Standorten den Schädlingsbefall effektiver eindämmen als an den feuchteren Standorten.

Parallel dazu verglichen die Wissenschaftler die Kohlenhydratvorräte der Bäume. Wie zu erwarten war, hatten die Bäume an den trockeneren Standorten weniger Kohlenhydrate zur Verfügung als an den feuchteren Standorten. Besonders zu Beginn der Regenzeit nach dem Laubaustrieb waren die Vorräte bei Bäumen an den trockeneren Standorten nahezu erschöpft. Zeitgleich entdeckten die Forscher, dass die Pflanzen in den trockensten Bereichen bereits begannen, vermehrt Saccharose freizusetzen. Saccharose verändert das osmotische Potential in den Pflanzenzellen und dient dem Aufrechterhalten der Wasserversorgung unter starkem Trockenstress. Die Bäume in diesen Bereichen befanden sich also bereits am Limit.

Ameisen als Lebensversicherung

In dem Zusammenhang erscheint es noch interessanter, warum die Bäume in so einer Situation die Ameisen noch stärker fördern. Denn für die Bäume wäre das nur dann sinnvoll, wenn die Kohlenhydrat-Kosten der Ameisenpflege niedriger liegen als die Verluste durch Fressfeinde. Die Forscher bilanzierten daher über zwei Modelle die zusätzlichen „Ausgaben“ für Ameisenpflege in Relation zur Länge der Regenzeit. Das erste Modell berechnete die Kosten, die ein Baum hätte, wenn die Ameisen – wie beobachtet – vorsorglich gefördert werden, um den Baum vor einem seltenen, aber katastrophalen Kahlfraß zu beschützen. Das zweite Modell berechnete den Nutzen, wenn eine Ameisenkolonie permanent dazu eingesetzt wird, die täglich anfallenden kleineren Schäden zu minimieren.

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Pflanzen erhalten Kohlenstoff in Form von CO2 über die Spaltöffnungen (Stomata) der Blätter, aus denen parallel Wasserdampf entweicht. Wassermangel beeinflusst jedoch den Kohlenstoffgehalt der Pflanzen. 

Pflanzen erhalten Kohlenstoff in Form von CO2 über die Spaltöffnungen (Stomata) der Blätter, aus denen parallel Wasserdampf entweicht. Wassermangel beeinflusst jedoch den Kohlenstoffgehalt der Pflanzen. 

Bildquelle: © iStockphoto.com/NNehring

Das erste Modell zeigte, dass ein Kahlfraß in der ohnehin knappen Vegetationsperiode den Baum gleich zweifach treffen würde: Zum einen durch den kurzzeitigen Totalverlust der Photosynthese und die damit verbundenen Kohlenhydrateinbußen, zum anderen durch die Kosten eines erneuten vollständigen Laubaustriebs, die die Vorräte nochmals schrumpfen lassen würden. Danach würde der Baum mit großer Sicherheit die nächste Trockenperiode nicht überstehen. Um das zu vermeiden, muss er – wie beobachtet – die Ameisen stärker fördern, wenn die Regenperiode sehr kurz war, da ihm bei einem Kahlfraß dann noch weniger Zeit bliebe, um neu auszutreiben und Kohlenhydrate zu bilden. Das zweite Modell zeigte, dass die Ameisen bei langer Regenperiode verstärkt gefördert werden müssten, da in längerer Zeit mehr Blätter „gerettet“ werden könnten, die weiter Photosynthese betreiben können. Der Baum bekäme nur auf diesem Weg seine Ausgaben wieder herein.

Investition in die Zukunft

Das erste Modell passte weitgehend zu den Beobachtungen im Feld und konnte die Phänomene hinreichend erklären: Um die Gefahr eines seltenen, aber tödlichen Kahlfraßes zu verringern, fördern die Bäume ihre Beschützer vorsorglich das ganze Jahr über. Diese Förderung steigert sich, wenn die Regenperiode kurz und die Bäume besonders anfällig für einen Massenausbruch an Schädlingen waren. Die zusätzliche Förderung der Ameisen kostet sie auf den ersten Blick zwar einiges, macht aber auf den zweiten Blick für eine langlebige Pflanze durchaus Sinn, weil einem eventuell eintretenden tödlichen Ereignis vorgebeugt wird.

Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die entscheidende Variable in dieser Symbiose der Niederschlag ist. Im Hinblick auf sich verändernde klimatische Bedingungen im Zuge der globalen Erwärmung werden Klimaextreme wie ausbleibende Niederschläge große Auswirkungen auf die Pflanzen- und Tierwelt haben. Anpassungen wie die untersuchte könnten so das Überleben von Arten sicherstellen.


Quelle:
Pringle, E. G. et al (2013): Water stress strengthens mutualism among ants, trees and scale insects. In: PLOS Biology, No 11, (05. November 2013), doi: 10.1371/journal.pbio.1001705.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Ameisen mit Schildläusen: Die Läuse werden vom Baum mit Kohlenhydraten versorgt, die Ameisen profitieren ebenfalls davon. (Quelle: © iStockphoto.com/jeridu)