Geburtsstunde der Nanobots

Forscher lassen Nanoroboter Moleküle transportieren

08.01.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Physiker haben einen großen Schritt bei der Entwicklung künftiger Nanobots getätigt, die wie im Bild zu sehen vielleicht einmal zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden könnten. (Bildquelle: © iStock.com/GuidoVrola)

Physiker haben einen großen Schritt bei der Entwicklung künftiger Nanobots getätigt, die wie im Bild zu sehen vielleicht einmal zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden könnten. (Bildquelle: © iStock.com/GuidoVrola)

Forscher entwickeln den ersten Greifarm zum kontrollierten Transport von Molekülen. Es ist der erste Schritt zur Entwicklung molekularer Maschinen und zur Produktion von maßgeschneiderten Molekülen und anderen Nano-Komponenten und darüber hinaus ein bedeutender Meilenstein – nicht nur für die Physik.

Ordnung ist mehr als nur das halbe Leben, es bildet förmlich das Fundament. Denn nur dank einer Vielzahl selbstorganisierter Mechanismen und Prozesse auf molekularer Ebene ist z.B. Photosynthese möglich, können sich Individuen fortpflanzen, wird aus unzähligen Molekülen ein Organismus. Durch die Entwicklung des ersten programmierbaren Nanoroboters, kurz Nanobot, ist es einem Physikerteam gelungen, jenes Prinzip der Selbstorganisation im Molekülmaßstab zu kopieren und der Kontrolle des Menschen zu unterwerfen. Auch wenn es sich nur um einen einfachen Greifarm handelt, markiert die Erfindung einen bahnbrechender Schritt zur Entwicklung von Nanobots, die einmal in der Lage sein könnten, Moleküle und Nano-Bauteile maßgeschneidert und in Massenanfertigung herzustellen.

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Vom Prinzip her ähnelt der Nanobot jenen Robotern auf dem Bild: Ein fest montierter, rotierender Greifarm, der ausgewählte Fracht aufnimmt und sicher von A nach B transportiert.

Vom Prinzip her ähnelt der Nanobot jenen Robotern auf dem Bild: Ein fest montierter, rotierender Greifarm, der ausgewählte Fracht aufnimmt und sicher von A nach B transportiert.

Bildquelle: © ICAPlants/ wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0

Rudimentär und trotzdem bahnbrechend

Trotz seiner rudimentären Fähigkeiten, die mit denen eines volltautomatisierten Roboters, wie wir ihn z.B. aus der Automobilherstellung von heute kennen, keineswegs vergleichbar sind, handelt es sich bei dem molekularen Greifarm um eine von Wissenschaftlern und Science-Fiction Autoren lang ersehnte Entwicklung. Es ist der Beweis der technischen Machbarkeit, die die Faszination an der Erfindung ausmacht, die von ihren Entwicklern nüchtern und sachlich beschrieben wird: „Unsere molekulare Maschine kann eine Fracht aufnehmen, sich mit dieser Fracht drehen und sie an einem zweiten Ort nur zwei Nanometer von der Startposition wieder ablegen.“ Man kann diesen Satz als Antwort auf eine Frage betrachten, die Physiker und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachgebieten knapp ein halbes Jahrhundert beschäftigte, nämlich ob Nanoroboter reine Kopfgeburten wären oder womöglich mehr dahinter stecken würde. Letzteres scheint sich nun zu bewahrheiten.

Wie ist die Nano-Maschine aufgebaut?

Die Physiker haben die Ingenieursmeisterleistung vollbracht, aus biologischen Makromolekülen einen winzigen Greifarm herzustellen, der fähig ist, einzelne Moleküle kontrolliert aufzunehmen, zu bewegen und wieder abzusetzen. Damit dieser seine Arbeit verrichten kann, sind zwei weitere Komponenten nötig, die von den Forschern parallel entwickelt worden sind: Erstens ein beweglicher und  kontrollierbarer Rotor aus Pyridingruppen, auf dem der Greifarm befestigt ist. Zweitens eine feste Plattform aus Chinolin, auf der der Rotor samt Greifarm „montiert“ ist.

Chemische Steuerung

Gesteuert wird der Nanobot nicht durch elektrische Signale, sondern durch die selektive Aufnahme von Protonen, sprich über den pH-Wert. Allein durch die kontrollierte Zugabe bestimmter Säuren und Basen dreht sich der Nanobot dank seines pH-sensitiven Rotors nach links oder rechts, nimmt Moleküle auf und legt sie wieder ab. Letzteres wird durch die vorübergehende Bildung einer Disulfid-Bindung zwischen dem zu transportierenden Molekül und dem Endstück des Greifarms bestehend aus einer Thiol-Gruppe ermöglicht, quasi die Greifzange.

Wichtig ist auch die Fracht

Die Herausforderung für die Wissenschaftler bestand somit nicht nur darin, einen funktionsfähigen Nanobot bzw. Greifarm zu konstruieren, sondern passend dazu auch die richtige Fracht zu finden. Wäre diese anders als das im Test verwendete 3-Mercaptopropanehydrazid-Molekül nicht in der Lage gewesen, jene Disulfid-Bindung aufzubauen, wäre sie an Ort und Stelle einfach liegen bleiben. Ob sich das Prinzip daher auf andere Verbindungen übertragen lässt, muss sich erst noch zeigen.

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Richard Feynman (1918-1988) gilt als einer der großen Physiker des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche Ideen aus seinem Vortrag aus dem Jahr 1959

Richard Feynman (1918-1988) gilt als einer der großen Physiker des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche Ideen aus seinem Vortrag aus dem Jahr 1959 "There's Plenty of Room at the Bottom" gaben den Anstoß zur Entwicklung der Nanotechnologie.

Bildquelle: © Tamiko Thiel/ wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0

Fundamental neue Ansätze

Dennoch zeigt sich Hauptautorin Salma Kassem zufrieden: „Während all dieser Schritte arbeitete die Maschine mit großer Genauigkeit und auch eine Doppelladung oder ein Fallenlassen der Fracht kam kaum vor.“  Kassems Kollege David Leigh ergänzt: „Wenn wir lernen, künstliche Nanomaschinen zu bauen, ergibt sich ein fundamental neuer Ansatz zur Fertigung und Kontrolle von Materie auf der Nanoebene.“ Gemeinsam mit ihren Mitstreitern haben sie mit ihrer Arbeit quasi den ersten Spatenstich für das Legen des Fundaments getätigt.

There’s Plenty of Room at the Bottom

Im Test transportierte der Nanobot etwa 80% der Molekülfracht erfolgreich von A nach B. Eine Quote, die hochgerechnet auf Größenordnungen von Millionen oder gar Milliarden Molekülen, noch viel Luft nach oben hat.

Dennoch: Vor dem Hintergrund des berühmten Vortrags des amerikanischen Jahrhundertphysikers Richard Feynman mit dem Titel „Dort unten ist noch viel Raum“ – im Original: „There’s Plenty of Room at the Bottom“ – haben die Forscher einen richtungsweisenden Meilenstein erreicht und kommen nebenbei ziemlich nah an Feynmans Prophezeiung heran: „So weit ich es sehe, sprechen die Prinzipien der Physik nicht gegen die Möglichkeit, die Dinge Atom für Atom zu bewegen.“

Perfektion auf Nano-Ebene

Trotz des weiten Weges, den Kassem, ihr Team und viele motivierte Kollegen noch vor sich haben, zeigt sich die Wissenschaftlerin zuversichtlich: „Wir glauben, dass solche Systeme für die Entwicklung von Maschinen im Molekülmaßstab nützlich sein werden, die dann die molekulare Konstruktion ähnlich wie an einem Fabrik-Fließband kontrollieren können.“

Doch gilt nach wie vor der Grundsatz, dass es die Natur ist, die genau jene Mechanismen und Prozesse auf der molekularen Ebene zu unerreichter Präzision und Dynamik perfektioniert hat, wie u.a. die Pflanzenforschung immer wieder beweist. Forschern aus diesem Fachgebiet dürfte die Entdeckung der Physiker nicht verborgen geblieben sein. Bleib abzuwarten, zu welchen Synergien sie führen wird. So werden auch wir von Pflanzenforschung.de bisweilen angestammte Gefilde verlassen, um über derart bahnbrechende Innovationen in anderen Gebieten zu berichten, die nicht nur für Pflanzeninteressierte von Interesse sein dürften.


Quelle: Kassem, S. et al. (2015): Pick-up, transport and release of a molecular cargo using a small-molecule robotic arm. In: Nature Chemistry, (21. Dezember 2015), doi:10.1038/nchem.2410

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Titelbild: Physiker haben einen großen Schritt bei der Entwicklung künftiger Nanobots getätigt, die wie im Bild zu sehen vielleicht einmal zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden könnten. (Bildquelle: © iStock.com/GuidoVrola)