Genügsamer Gänsefuß aus den Anden

Das Genom von Quinoa ist sequenziert

15.02.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Peru, Bolivien und Ecuador sind die Hauptanbauländer für Quinoa. In Südamerika wurde die Pflanze einst auch domestiziert. (Bildquelle: © Jai79/pixabay, CCO)

Peru, Bolivien und Ecuador sind die Hauptanbauländer für Quinoa. In Südamerika wurde die Pflanze einst auch domestiziert. (Bildquelle: © Jai79/pixabay, CCO)

Sie fühlt sich im Flachland genauso wohl wie in dünner Höhenluft. Temperaturen zwischen -8° und 38° Celsius machen ihr nichts aus. Mit salzhaltigen Böden oder Trockenheit arrangiert sie sich ebenfalls. Ohne viel Übertreibung kann man Quinoa (Chenopodium quinoa) den Spitznamen Wunderkorn verleihen. Jetzt wurde das Genom der Pflanze entschlüsselt.

Bis vor wenigen Jahren musste man im Bioladen oder im Reformhaus suchen, wenn man eine Packung Quinoa kaufen wollte. Inzwischen führt fast jeder Supermarkt das Pseudogetreide in seinem Sortiment. Die kleinen oft gelblichen oder roten Körner schmecken leicht nussig und werden von immer mehr Menschen als Zutat in Salaten, Suppen oder Müslis eingesetzt. So wie die Pflanze ihre Beliebtheit in den Kochtöpfen gesteigert hat, so zeigen auch Forscher vermehrt Interesse an ihr.  

Einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Mark Tester von der King Abdullah Universität für Wissenschaft und Technik ist es jetzt gelungen, das Genom von Quinoa zu entschlüsseln. Es ist etwa 1,5 Gigabasenpaare lang, also etwa halb so groß wie das des Menschen. Von den 956 bereits bekannten Quinoa-Genen fanden die Forscher 97,3 Prozent in ihrer Probe. Es scheint also, als sei ihnen die Sequenzierung nahezu vollständig gelungen. Die Ergebnisse wurden vor kurzem in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.  

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Quinoa ist eine immer beliebter werdene Zutat, beispielsweise in Salaten, Suppen oder Müslis.

Quinoa ist eine immer beliebter werdene Zutat, beispielsweise in Salaten, Suppen oder Müslis.

Bildquelle: © Brent Hofacker/Fotolia.com

Ein schwieriges Puzzle  

Das Quinoa-Genom enthält auffallend viele repetitive DNA-Sequenzen. Das erschwerte die Sequenzierung. Denn dabei werden immer nur Bruchstücke der DNA entschlüsselt. Die einzelnen Teile müssen am Ende wieder zusammengepuzzelt werden. Je mehr Wiederholungen es im Genom gibt, desto schwieriger wird dieses „Puzzlespiel“.  

Wie viele andere Pflanzen auch ist Quinoa polyploid, genauer gesagt tetraploid. Von jedem ihrer neun Chromosomen besitzt sie somit vier Kopien. Zwei Pflanzen, eine aus der neuen Welt und eine aus Eurasien, haben jeweils ihr gesamtes, diploides Genom eingebracht. Vermutlich fand diese Hybridisierung vor etwa 3,3 bis 6,3 Millionen Jahren statt. Es entstand Chenopodium berlandieri, ein Vorfahr von Quinoa.  

Quinoa ernährte frühe Hochkulturen  

Kultiviert wurde Quinoa dann vor etwa 7.000 Jahren in den Hochebenen der südamerikanischen Anden rund um den Titicaca-See. Von dort aus breitete sich die Pflanze über große Teile des südamerikanischen Kontinents aus und entwickelte sich schnell zu einem Grundnahrungsmittel für die lokale Bevölkerung. In einigen Andengebieten ist Quinoa gar die einzige Kulturpflanze, die sich den widrigen Umweltbedingungen entgegenstellt. Diese Anpassungsfähigkeit macht Quinoa so interessant für andere unwirtliche Gegenden, auf denen mit anderen Feldfrüchten keine Landwirtschaft möglich ist.  

Doch als die spanischen Eroberer Südamerika erreichten, wollten sie von Quinoa nichts wissen. „Das bedeutet, dass Quinoa nie vollständig domestiziert wurde und ihr genetisches Potenzial trotz des ausgewogenen Verhältnisses an positiven Inhaltsstoffen bis heute nicht ausgeschöpft wurde”, sagt Mark Tester. Bisher gab es nur sehr wenige Forschungs- und Züchtungsaktivitäten, die sich gezielt mit der Verbesserung von Quinoa beschäftigt haben.  

Resistent und nährstoffreich

Dabei sind Quinoasamen wunderbare Nährstofflieferanten. Sie enthalten in etwa so viel Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett wie Haferflocken. Zudem sind sie reich an Mineralstoffen wie Magnesium, Eisen, Kalium oder Kalzium. Ein weiterer Pluspunkt: In Quinoa kommen alle essenziellen Aminosäuren vor. Und was früher weniger wichtig war, heute aber immer mehr in den Fokus rückt: Zöliakiepatienten mögen Quinoa, da die Körner kein Gluten enthalten.  

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Inzwischen führt fast jeder Supermarkt das Pseudogetreide Qunioa im Sortiment. Die Farbe der senfkorngroßen Samen unterscheidet sich je nach Anbaugebiet, Art und Sorte, hierzulande sind vor allem weiße, rote und schwarze Samen erhältlich.

Inzwischen führt fast jeder Supermarkt das Pseudogetreide Qunioa im Sortiment. Die Farbe der senfkorngroßen Samen unterscheidet sich je nach Anbaugebiet, Art und Sorte, hierzulande sind vor allem weiße, rote und schwarze Samen erhältlich.

Bildquelle: © sommai/Fotolia.com

Bisher scheitert die weite Akzeptanz der Körner jedoch vor allem daran, dass viele Sorten Bitterstoffe in den Samen ausbilden. Diese Saponine dienen den Pflanzen zur Schädlingsabwehr. Da sie auch rote Blutkörperchen zerstören, müssen sie vor dem Verzehr entfernt werden. Meist durch aufwändige Waschvorgänge, die viel Wasser und Zeit benötigen.  

Bitterstoffe stören  

In der aktuellen Studie ist es den Forschern ebenfalls gelungen, das Gen zu identifizieren, was vermutlich für die Bildung dieser Bitterstoffe verantwortlich ist. Es handelt sich um den Transkriptionsfaktor namens TSARL1. War er defekt, bildeten die Pflanzen kaum Saponine. Als nächstes muss jetzt gezeigt werden, dass andere Quinoa-Linien tatsächlich durch gezieltes Einbringen dieses Transkriptionsfaktors „entbittert“ werden können. Züchterisch interessant wäre es außerdem, die hohe Toleranz der Quinoa gegenüber abiotischen Stressfaktorenauf andere Pflanzen zu übertragen. 

An der Studie waren auch Forscherinnen und Forscher von der Christian-Albrechts Universität zu Kiel beteiligt. Sie interessieren sich besonders für den Zeitpunkt der Blüte. „Wir denken auch über den Anbau von Quinoa in Mitteleuropa nach“, sagt Nadine Dally vom Institut für Pflanzenbau und -züchtung. Dafür ist es notwendig, den Blühzeitpunkt zu verändern. Denn Quinoa ist als tropische Pflanze an kurze Tage angepasst. Um in Europa zu gedeihen, muss sie an lange Tage gewöhnt werden. „Wir haben bereits die dafür verantwortlichen Gene identifiziert und können nun damit beginnen, in einem weltweiten Quinoa-Sortiment nach vorteilhaften Genvarianten zu suchen“, erklärt Dally. Auch andere europäische Länder wie Dänemark, Frankreich und Großbritannien forschen daran, Quinoa an europäische Verhältnisse zu gewöhnen.

Das das anstrengend werden wird, darauf weisen Andrew Paterson und Alan Kolata in einem Begleitartikel zur Studie hin. „Der Transfer von Stresstoleranz oder anderen Eigenschaften ist eine interessante Möglichkeit, aber alles andere als einfach.“  

Mark Peters blickt optimistischer in die Zukunft. „Quinoa ist eine robuste Pflanze. Sie könnte Anbauflächen und Wasser nutzen, die zurzeit der Landwirtschaft nicht zur Verfügung stehen“, sagt er. „Das nun vorliegende Wissen ums Genom bringt uns dem einen Schritt näher.“


Quelle:
Jarvis, D.E. et al. (2017): The genome of Chenopodium quinoa. In: Nature Vol. 542, (8. Februar 2017), doi: 10.1038/nature2130.  

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Peru, Bolivien und Ecuador sind die Hauptanbauländer für Quinoa. In Südamerika wurde die Pflanze einst auch domestiziert. (Bildquelle: © Jai79/pixabay, CCO)