Hygienemaßnahmen im Bienenkorb

05.10.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Eine Biene sieht den Feind: Eine Varroamilbe (links unten) ist im Bienenstock. (Quelle: © Claude Calcagno / Fotolia.com)

Eine Biene sieht den Feind: Eine Varroamilbe (links unten) ist im Bienenstock. (Quelle: © Claude Calcagno / Fotolia.com)

Ergebnisse einer Proteomuntersuchung bei Honigbienen eröffnen neue Wege im Kampf gegen die gefürchtete Varroamilbe. Unterstützt durch die molekularen Erkenntnisse könnten bald resistentere Bienenvölker gezüchtet werden. Um die Honigproduktion und die Ökosystemleistung der Bienen zu sichern, müssten jedoch bisherigen Züchtungsziele für Honigbienen überdacht werden.

Das Bienensterben erhitzt seit Jahren die Gemüter von Imkern, Umweltschützern und Landwirten. Vor allem aber ist es ein Problem, welches mit gravierenden ökologischen und hohen ökonomischen Kosten verbunden ist. Viele Pflanzen, darunter einige der wichtigsten Kulturpflanzen (Äpfel, Birne, Pfirsich, Pflaume, Kirsche, Johannisbeere, Erdbeere, Baumwolle, Raps oder Sonnenblume, um nur einige zu nennen), sind von einer Insektenbestäubung abhängig. Aber auch Pflanzen, die nicht zwingend von einer Insektenbestäubung abhängen, steigern bekanntermaßen ihre Erträge, wenn diese von bestäubenden Insekten besucht werden. Insgesamt profitieren ca. 80% der europäischen Nutzpflanzen von Bestäuberinsekten.

Die Leistung von Honigbienen für die Landwirtschaft wurde von Experten 2009 auf 153 Milliarden Euro geschätzt, 22 Milliarden Euro allein in Europa. Hinzu kommt der Honig. Die Deutschen sind mit 1,3 kg pro Kopf und Jahr Weltmeister im Verzehr von Honig. Ungefähr 20% werden in Deutschland produziert, der Rest wird importiert.

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Tote Bienen durch starken Varroamilben-Befall.

Tote Bienen durch starken Varroamilben-Befall.

Bildquelle: © Maja Dumat / pixelio.de

Staatenbildung versus Immunsystem

Der Parasit Varroa destructor, die Varroamilbe, saugt das Blut (Hämolymphe) von Bienenlarven und erwachsenen Bienen. Durch diesen Primärbefall wird das Immunsystem der Bienen geschwächt. Ein Einfallstor für andere Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren wird geöffnet. Neben der Schwächung der Wirtsinsekten, werden durch die blutsaugenden Milben auch Viren im Bienenvolk zwischen den Insekten verbreitet. Das Ergebnis: Die Varroamilben avancierten zu einer der Hauptursachen für das massenhafte Bienensterben der letzten Jahre weltweit.

Als staatenbildende Insekten besitzen Bienen ein weniger stark ausgeprägtes Set an Genen für eine Immunantwort. Damit stehen ihnen vergleichsweise wenige Gene zur Abwehr von Krankheitserregern zur Verfügung. Im Vergleich zu den Honigbienen besitzen solitär lebende  Insekten wie Fliegen, Mücken oder Motten, deutlich mehr Gene für eine ausgeprägte Immunantwort. Evolutionär, so die Vermutung der Forscher, macht diese Reduktion durchaus Sinn. Denn zahlreiche Gene im Genom haben eine staatenbildende Funktion übernommen bzw. werden mit Verhaltensweisen zur Arbeitsteilung assoziiert. Durch das gezielte kollektive Handeln, konnten andere Abwehrmechanismen entwickelt werden.

Komplexe Verhaltensänderungen sichern Überleben

Dass die Bienen beim Kampf gegen die Milben nicht auf verlorenen Posten stehen, haben die neuen Proteomuntersuchungen bei einer Vielzahl (40) kommerziell gebräuchlicher Linien ergeben. Insgesamt 1.200 Eiweiße von zwei Gewebetypen nahmen die Forscher genauer unter die Lupe. Dabei verglichen sie Kolonien, die mit der Varroamilben befallen waren und nichtbefallene Völker in einer natürlichen Versuchsanordnung.

Es kristallisierten sich deutliche Unterschiede heraus. Ein Eiweiß mit noch unbekannter Funktion, jedoch mit Ähnlichkeit zu einem menschlichen Eiweiß, dem Human-Protein Apolipoprotein O (ApoO), viel besonders auf. Wurde dieses Protein in den Fühlern von Insekten nachgewiesen, deren Völker mit der Milbe befallen waren, korrelierte dieses mit einer ausgeprägten Verhaltensänderung. Brutzellen mit befallenen Larven wurden vermehrt und gezielt aufgebrochen. Die befallenen Larven wurden entsorgt. Wieder andere Eiweiße (z. B. Calcyphosin), konnten mit einem verbesserten Geruchssinn korreliert werden. Das Aufspüren befallener Larven in der Brut war dadurch effizienter möglich. Aber auch andere synaptische Proteine wurden differenziert gebildet und als Erklärung der veränderten Hygienemaßnahmen dienen.

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Die nur circe 1,6 Millimeter große Milbe befällt vor allem die Brut der Bienen.

Die nur circe 1,6 Millimeter große Milbe befällt vor allem die Brut der Bienen.

Bildquelle: © Maja Dumat / pixelio.de

In den befallenen Larven wurden ebenfalls Veränderungen beobachtet. Ganze Enzymsets wurden bei einem Befall dereguliert. Zum Beispiel eine Transglutaminase. Diese erhöht die Blutgerinnung. Das veränderte Verhalten der Bienen während der Brutpflege wird auf dieses Signal zurückgeführt. Andere Proteine unterstützen die eigenen Abwehrreaktionen der Larven. So wurden vermehrt Eiweiße gebildet, welche die Chitinbiosynthese oder andere Immunreaktionen steuern. Das Eindringen der Milben in die Hämolymphe wird dadurch erschwert als auch die Abwehr von Virus- und Bakterieninfektionen verbessert. Dieses komplexe Zusammenspiel von Larven- und Bienenreaktionen und die Verhaltensänderungen dienen dem Zweck, die eigene Population zu schützen. Gleichzeitig wird die Ausbreitung der Milben wie auch die von Sekundärinfektionen reduziert.

Zuchtziele auf dem Prüfstand 

Die neuen Untersuchungen legen nah, dass auch die Bienenzüchtung für das Massensterben der Bienenvölkern mit verantwortlich ist. Zumindest erscheint dies als wahrscheinlich, da vor allem auf ökonomische Merkmale wie Honigertrag und -farbe, eine Winterfestigkeit oder zahmes Verhalten gezüchtet wurden. Andere wichtige Eigenschaften wurden vernachlässigt oder waren mit diesen Zielen negativ korreliert.

Die beobachtete Variabilität der untersuchten Resistenzmerkmale zwischen den Völkern stimmt die Forscher optimistisch. Sie ist Voraussetzung für eine Resistenzzüchtung. Durch die identifizierten Kanditatengenen existieren Biomarker für eine gezieltere Züchtung auf Abwehr- und Überlebensstrategien, inklusive der Verhaltensänderung der Bienen bei einem Milbenbefall. Völker die eine verbesserte Resistenz gegen Varroamilben und ausgeprägter Hygienemaßnahmen bei einem Befall besitzen, können nun gezielt gezüchtet werden. Da die Varroamilben bereits Resistenzen gegenüber den zur Bekämpfung eingesetzten chemischen Insektiziden entwickeln konnten, eröffnen sich durch die Biomarker im Genom der Bienen selbst auch Möglichkeiten für eine gezielte Stärkung von natürlichen Resistenzmechanismen.


Quelle:
Parker, R. et al. (2012): Correlation of proteome-wide changes with social immunity behaviors provides insight into resistance to the parasitic mite, Varroa destructor, in the honey bee (Apis mellifera). In: Genome Biology, 2012, 13:R81, DOI: 10.1186/gb-2012-13-9-r81.

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