Im Kampf gegen Typ-2-Diabetes

Individuelle Diät statt kohlenhydratarm

24.11.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Was bei einem Menschen den Blutzuckerspiegel in die Höhe treibt, kann für einen anderen Menschen weit weniger ungesund sein, wie eine aktuelle Studie zeigte. (Bildquelle: © Julien Christ/ pixelio.de)

Was bei einem Menschen den Blutzuckerspiegel in die Höhe treibt, kann für einen anderen Menschen weit weniger ungesund sein, wie eine aktuelle Studie zeigte. (Bildquelle: © Julien Christ/ pixelio.de)

Eine aktuelle Studie bestätigt: Menschen können ein und dasselbe Nahrungsmittel höchst unterschiedlich verstoffwechseln. Ein Maß dafür ist die Höhe des Blutzuckerspiegels nach dem Essen. Ist dieser dauerhaft zu hoch, drohen Stoffwechselerkrankungen wir ein Typ-2-Diabetes. Wissenschaftler haben nun Algorithmen entwickelt, die bei der Zusammenstellung einer individuellen, gesunden Ernährung helfen. Ob diese effektiver im Kampf gegen die Ausbreitung von Diabetes ist als eine kohlenhydratarme Ernährung, muss sich erst noch zeigen.

Wenn der Blutzuckerspiegel nach dem Essen zu weit nach oben schnellt, kann das schwerwiegende Folgen haben. Ein dauerhaft aus dem Gleichgewicht geratener Blutzuckerspiegel erhöht das Risiko, an Vorstufen eines Typ-2-Diabetes und in der Folge tatsächlich an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken. Auch kardiovaskuläre Erkrankungen, Leberzirrhosen und Übergewicht können eine Folge von einem gestörten Blutzuckerspiegel sein. Doch wie lässt sich vermeiden, dass der Blutzuckerspiegel nach dem Essen zu hoch schnellt? Dieser Frage haben sich Wissenschaftler in einer aktuellen Studie gewidmet.

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Ob eine individuelle Diät einer kohlenhydratarmen Ernährung überlegen ist, um den Blutzuckerspiegel im Zaum zu halten, muss sich erst noch zeigen.

Ob eine individuelle Diät einer kohlenhydratarmen Ernährung überlegen ist, um den Blutzuckerspiegel im Zaum zu halten, muss sich erst noch zeigen.

Bildquelle: © Austria/ pixelio.de

Stark erhöhte Blutzuckerwerte sind auf Dauer gefährlich

Da in den westlichen Industriestaaten immer mehr Menschen unter Zuckerstoffwechsel-Störungen leiden, häufen sich Ernährungstipps, die sogenannte postprandiale Blutzuckerspitzen, also stark erhöhte Blutzuckerwerte nach dem Essen, vermeiden sollen. Das Problem dabei: Die Empfehlungen sind allgemeingültig formuliert und beziehen sich meist nur auf den Kohlenhydratgehalt der aufgenommenen Nahrung. Oft stößt man in diesem Zusammenhang auf den Glykämischen Index (GI), ein Maß für die durchschnittliche Wirkung eines kohlenhydrathaltigen Lebensmittels auf den Blutzuckerspiegel. Dass der GI jedoch individuell höchst variabel ist, ist bereits seit mehreren Jahren bekannt.

Stoffwechsel von 800 Probanden untersucht

Eine aktuelle Studie bestärkt die Vermutung, dass Menschen höchst individuell auf ein und dasselbe Nahrungsmittel reagieren. Wissenschaftler nahmen dabei den Stoffwechsel von 800 Probanden unter die Lupe, sammelten Blutwerte, Körperparameter, Lebensgewohnheiten und Daten über die Zusammensetzung des Darmmikrobioms. Über einen Zeitraum von einer Woche beobachteten die Forscher außerdem, wie der Blutzuckerspiegel ihrer Studienteilnehmer auf einfache, standardisierte Mahlzeiten und auf von den Probanden selbst gekochte Gerichte reagierte.

Sushi ungesünder als Eis?

Die Ergebnisse erstaunten und ernüchterten die Forscher gleichermaßen: Die Blutzuckerspiegel zweier Menschen konnten auf ein und dasselbe Gericht so unterschiedlich reagieren wie auf zwei gänzlich unterschiedliche Mahlzeiten – und das, obwohl die Veränderung des Blutzuckerspiegels eines Probanden auf die jeweilige Nahrung über die Zeit konstant blieb. So trieb beispielsweise Sushi den Blutzuckerspiegel eines Probanden höher als Speiseeis bei einem anderen Probanden - wie konnte das sein?

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Warum trieb ausgerechnet Sushi den Blutzuckerspiegel der Probanden in die Höhe? Und zwar stärker als eine Portion Speiseeis?

Warum trieb ausgerechnet Sushi den Blutzuckerspiegel der Probanden in die Höhe? Und zwar stärker als eine Portion Speiseeis?

Bildquelle: © Paul-Georg Meister/ pixelio.de

Hauptverantwortlich dafür seien die unzähligen Bakterien, die in unserem Darm die Nahrung aufspalten und zu unterschiedlichen Metaboliten verstoffwechseln, schreiben die Wissenschaftler. Umfassende Analysen des menschlichen Mikrobioms zeigen: Kein Mikrobiom gleicht dem anderen. Die gefundenen Mikroorganismen lassen sich nur grob in Gruppen einteilen. Das "gesunde Mikrobiom“ scheint es nicht zu geben.

Algorithmen erstellen individuelle Diätpläne

Alle gesammelten Daten werteten die Forscher mit einem Computerprogramm aus, das in der Lage ist, Algorithmen zu lernen. Als genügend Daten vorhanden waren, konnten die Wissenschaftler das Programm in ein Vorhersage-Instrument umwandeln. Mit den nötigen Parametern bestückt konnte das Programm prognostizieren, wie der Blutzuckerspiegel eines Menschen auf ein bestimmtes Nahrungsmittel oder ein Gericht reagieren würde.

Diese Informationen nutzten die Wissenschaftler, um für 26 ihrer Probanden individuell entwickelte Diätpläne zu erstellen. Dazu verwendeten sie Nahrungsmittel, die den höchsten und den geringsten Blutglukoseanstieg bei der jeweiligen Testperson verursachen sollten. Die Nahrungsmittel der Diäten für die 26 Testpersonen variierten beträchtlich. Was für einen Probanden zuträglich war, konnte für den anderen fatale Folgen für den Blutzuckerspiegel haben.

Personalisierte Diät muss sich gegenüber Low-Carb behaupten

Die Analyse von Daten zum Gesundheitszustand und Lebensstil eines Menschen im Zusammenhang mit seiner Ernährung und seinem Blutzuckerspiegel könnten den Wissenschaftler helfen, zu verstehen, warum Menschen so unterschiedlich auf ein und dasselbe Nahrungsmittel reagieren.

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Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Doch wird durch den Magen vermutlich auch bestimmt, was wir lieben. Genau genommen durch den Darm.

Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Doch wird durch den Magen vermutlich auch bestimmt, was wir lieben. Genau genommen durch den Darm.

Bildquelle: © sigrid rossmann / pixelio.de

Bis aber laborintensive, individualisierte Diätpläne Einzug in Kliniken und Praxen erhalten, ist es noch ein weiter Weg. Zunächst muss klar sein, dass individuelle Ernährungspläne den allgemeinen „Low Carb“- bzw. „Low-Glycemic-Index“- Diäten tatsächlich überlegen sind, wenn es darum geht, den Blutzuckerspiegel nicht dauerhaft ansteigen zu lassen. Das wollen die Forscher im Zuge einer Langzeitstudie mit Diabetes-Risiko-Patienten herausfinden.

Ohne Magen keinen Heißhunger

Auf Zucker in der Ernährung zu verzichten, ist nicht immer einfach. Bei manchen Menschen verlangt der Körper in Form von Heißhungerattacken regelrecht nach Zucker. Doch auch diesem Phänomen sind Wissenschaftler auf der Spur. In einer aktuellen Studie konnten sie zeigen, dass das Verlangen nach Zucker nach einer Magen-Bypass-Operation deutlich abgeschwächt war. Magen und Gehirn müssen demnach miteinander verknüpft sein. Für einen gesunden, nur mäßig übergewichtigen Menschen ist eine Magen-Bypass-Operation natürlich keine Option, um den Zuckerkonsum einzuschränken. Für stark adipöse Menschen bietet sie einen Schimmer Hoffnung, den Körper vor den Folgen von zu viel Zucker und Übergewicht zu schützen.


Quelle:
David Zeevi, D. et al. (2015): Personalized Nutrition by Prediction of Glycemic Responses. In: Cell 163, (1079–1094), (19. November 2015), dx.doi.org/10.1016/j.cell.2015.11.001.

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Titelbild: Was bei einem Menschen den Blutzuckerspiegel in die Höhe treibt, kann für einen anderen Menschen weit weniger ungesund sein, wie eine aktuelle Studie zeigte. (Bildquelle: © Julien Christ/ pixelio.de)