Inderinnen profitieren von Gentech-Baumwolle

11.06.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Anbau von Bt-Baumwolle kann positive und negative Auswirkungen haben. (Quelle: © Manfred Rose / PIXELIO - www.pixelio.de)

Der Anbau von Bt-Baumwolle kann positive und negative Auswirkungen haben. (Quelle: © Manfred Rose / PIXELIO - www.pixelio.de)

Armut und Arbeitslosigkeit sind große Probleme vor allem der ländlichen Bevölkerung in Entwicklungsländern. Ob die Gentechnik helfen kann, die Lebenssituation der ländlichen Bevölkerung zu verbessern, haben Wissenschaftler der Universität Göttingen untersucht.

Der Anteil gentechnisch veränderter Nutzpflanzen ist in den letzten Jahren in vielen Ländern der Erde stark angestiegen. Im Jahr 2009 wurden weltweit 33 Mio. ha Baumwolle angebaut. Knapp die Hälfte der Pflanzen war gentechnisch verändert. In Indien wurde im selben Jahr auf einer Fläche von 8,4 Mio. ha Bt-Baumwolle angebaut, dies entspricht ca. 90% der gesamten indischen Baumwollproduktion. Die Bt-Baumwollpflanzen produzieren durch ein eingeschleustes Gen eine auf einige Insektenarten toxisch wirkende Substanz der Bakterienart Bacillus thuringiensis (Bt) und sind so gegen drei Spezies des Baumwollkapselbohrers resistent.

Die Vor- und Nachteile der Gentechnik werden kontrovers und häufig emotional diskutiert. Hauptargument der Kritiker ist, dass sich gentechnisch verändertes Saatgut unkontrolliert verbreiten könnte, zudem seien die langfristigen Effekte der Gentechnik nicht einzuschätzen. Der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft kann im Vergleich zur Nutzung herkömmlicher Sorten jedoch Vorteile haben, wie eine in der Zeitschrift Nature Biotechnology publizierte Meta-Analyse von 168 wissenschaftlichen Studien ergab. 

Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzensorten verspricht vor allem gesicherte und teilweise auch gesteigerte Erträge und damit verbunden stabilere bzw. höhere Einnahmen im Haushaltseinkommen der Farmer. Zudem kann der Einsatz von Insektiziden bei diesen Sorten erheblich reduziert werden. Hieraus ergeben sich einerseits Kostenersparnisse und andererseits positive Effekte für die Umwelt und die Gesundheit der Landarbeiter. Davon profitieren insbesondere die Kleinbauern.

Zwar ist die Größe der positiven Effekte je nach Pflanze, Land und Jahr verschieden, dennoch konnten mehr als 70 % der analysierten Studien Vorteile der gentechnisch modifizierten Pflanzen gegenüber den konventionellen Sorten nachweisen. 20 % der Studien stellten keinen Unterschied zwischen gentechnisch veränderten und konventionellen Sorten fest, 10 % identifizierten nachteilige Effekte der Gentechnik (vgl. Jane Carpenter, Nature Biotechnology 28, Nr. 4 (April 2010). 

Wissenschaftler der Universität Göttingen haben nun herausgefunden, dass der Anbau von gentechnisch veränderter Bt-Baumwolle auch positive Effekte auf die Beschäftigung haben kann und so die Lebenssituation der ländlichen Bevölkerung verbessert. Die Forscher untersuchten die sozialen und ökonomischen Effekte des Anbaus gentechnisch veränderter Baumwolle im indischen Dorf Kansara im Maharastra-District. Sie fanden heraus, dass insbesondere Frauen von der Bt-Baumwolle profitieren. Meist ernten die Frauen die Baumwolle in Handarbeit. Um die gesteigerten Erträge der Bt-Baumwolle abzuernten, werden mehr weibliche Erntehelfer eingestellt.

Zwar beschäftigten die Landbesitzer aufgrund der resistenteren Sorten weniger männliche Arbeiter, um  Pflanzenschutzmittel auf die Felder auszubringen, das Familieneinkommen stieg jedoch durch die Tätigkeit der Frauen insgesamt an. In Familienunternehmen wirkten sich die erhöhten Einkommen positiv auf die Lebensqualität der Frauen aus, die nicht mehr nur im Haushalt, sondern auch auf den Feldern tätig waren. Die Männer, die nun weniger mit dem Pflanzenschutz beschäftigt waren, übernahmen Tätigkeiten im Haushalt, die zuvor allein von den Frauen erledigt wurden. Die Ergebnisse der Untersuchung sind als Correspondence in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht (vgl. Subramanian/ Kirwan/ Pink/ Qaim, Nature Biotechnology 28, Nr. 5 (Mai 2010).

Um die guten Ergebnisse gentechnisch veränderter Nutzpflanzen langfristig zu erhalten, sind effektiv aufeinander abgestimmte Anbaumethoden nötig. Dies beweist das Beispiel China. Chinesische Wissenschaftler fanden heraus, dass der langfristige Anbau von Bt-Baumwolle auch unvorhergesehene Nebenwirkungen haben kann. Sie konnten zeigen, dass sich in den letzten zehn Jahren – seitdem in China Bt-Baumwolle angebaut wird – die Weichwanzen stark ausgebreitet haben und nun zu einer Plage werden. Als Grund dafür sehen die Wissenschaftler den reduzierten Einsatz von Insektiziden durch Landwirte, die Bt-Baumwolle anbauen. Denn die bekämpft den Baumwollkapselbohrer, indem sie ein für ihn giftiges Toxin produziert.Durch die spezifische Wirkung des Bt-Toxins und die ausbleibende Anwendung von Spritzmitteln vermehren sich die Weichwanzen quasi im Windschatten der Bt-Baumwolle und wurden zu einer Hauptplage. Im Gegensatz zum Baumwollkapselbohrer befallen die Weichwanzen auch andere Kulturpflanzen und angrenzende Obst-Plantagen (vgl. Qiu, Nature, 13. Mai 2010). 

Eine Studie aus den USA konnte zeigen, dass der Bt-Mais-Anbau indirekt die Ausbreitung des Western Bean Cutworm begünstigte. Dieser fand eine Nische, in der er problemlos gedeihen konnte, weil er im Gegensatz zu seinem Feind, dem Baumwollkapselbohrer, ebenfalls nicht durch das Bt-Toxin Schaden nimmt. Es scheint also, als fänden einige Schädlinge im „Schatten“ von Bt-Pflanzen eine ökologische Nische, in der sie sich besonders gut entwickeln und ausbreiten. 

Auf lange Sicht könnte dies zu hohen Ernteausfällen durch andere Schädlinge führen. Daher wird von Wissenschaftlern empfohlen, einige nicht genetisch veränderte Pflanzen im Bt-Feld mit anzubauen. Im Falle der Baumwolle würden dann einige Baumwollkapselbohrer überleben und somit mögliche Resistenzbildungen gegen das Bt-Toxin verlangsamen. Weiterhin befürworten Experten eine landwirtschaftliche Praxis, die auf die Kombination unterschiedlicher Methoden setzt. So sollte auch beim Anbau von Bt-Pflanzen nicht völlig auf die Applikation von Spritzmitteln verzichtet werden. Die Einhaltung von Fruchtfolgen und eine erhöhte Agrobiodiverstät in Baumwollanbauregionen sind weitere wichtige Maßnahmen einer guten landwirtschaftlichen Praxis. Eine nachhaltige Landwirtschaft beruht auf einem reichhaltigen Wissen und integriert ein großes Spektrum an Methoden, Verfahren und Pflanzen. 


Quellen:

  • Jane Carpenter (2010): Peer-reviewed survey: positive impact of GM crops; Nature Biotechnology 28, Nr. 4 (April 2010). (link)
  • Subramanian/ Kirwan/ Pink/ Qaim (2010): GM crops and gender issues; Nature Biotechnology 28, Nr. 5 (Mai 2010). (link)
  • Jane Qiu (2010): GM crop use makes minor pests major problem. Pesticide use rising as Chinese farmers fight insects thriving on transgenic crop; Nature, online veröffentlicht am 13. Mai 2010. (link)

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de: 

Anbau von Bt-Baumwolle führt in China zu neuer Schädlingsplage 

Titelbild: Der Anbau von Bt-Baumwolle kann positive und negative Auswirkungen haben. (Quelle: © Manfred Rose / PIXELIO - www.pixelio.de)