Keine Pause für gestresste Pflanzen

05.05.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Trockenheit (Quelle: © iStockphoto.com/Matt Niebuhr)

Trockenheit (Quelle: © iStockphoto.com/Matt Niebuhr)

Stehen Pflanzen durch Umwelteinflüsse unter Stress, dann sorgt ein interner Mechanismus dafür, dass sie ihr Wachstum reduzieren um Kraft zu sparen. Was für Wildpflanzen sinnvoll ist, führt in der Landwirtschaft zu Ertragsausfällen. Neue Forschungsergebnisse zeigen Wege auf, wie dieser Mechanismus umgangen werden kann.

Menschen die gestresst sind können Sport machen, eine Pause einlegen oder ihr Problem besprechen. Pflanzen müssen Belastungen durch negative Umwelteinflüsse anders lösen. Generell unterscheiden die Forscher dabei zwischen biotischem und abiotischem Stress. Letzterer beeinträchtigt die Erträge in der Landwirtschaft mehr als Schädlinge oder Pflanzenkrankheiten, da die Landwirte nichts gegen solche Stressfaktoren tun können. Pflanzenforscher haben daher ein Interesse daran, die Mechanismen besser zu verstehen, die Pflanzen dabei helfen mit Stress umzugehen. Vor allem in Zeiten eines sich schnell verändernden Klimas ist die Ertragssicherung unter abiotischen Stress, wie z.B. Hitze, Trockenheit, Überflutungen oder versalzene Böden, eines der vordringlichsten Ziele der Pflanzenforschung. 

Universelle Systeme

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Die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana).

Die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana).

Bildquelle: © Geschäftsstelle Pflanzenforschung

Ungünstige Umweltbedingungen erzeugen Stress auf zellulärer Ebene. Unter normalen Bedingungen werden Proteine, in definierte dreidimensionale Strukturen gefaltet. Steht ein Organismus unter Stress, dann produzieren seine Zellen Proteine die schlecht oder gar nicht gefaltet sind. Diese Proteine werden in der Zelle durch das endoplasmatische Retikulum (ER) als fehlerhaft erkannt. Die sogenannte "Unfolded Protein Response" (UPR) ist somit eine zelluläre Reaktion auf Stress. Diese Stress-Antwort ist konserviert, d.h. sie findet sich bei unterschiedlichen Organismengruppen wieder. Säugetiere, Würmer oder Mikroorganismen wie Hefen, verfügen über UPR. Biologisch ist diese Reaktion bedeutsam, da die Faltung von Proteinen deren dreidimensionale Konformation bestimmt. Damit ist die Faltung entscheidend für die Aktivität der Eiweiße. Die UPR hat zwei Ziele. Zunächst ist dies die Wiederherstellung der normalen Funktion der Proteine in einer Zelle. Ist diese normale Funktion nicht realisierbar, führt sie zur Apoptose, dem gezielten Absterben von Zellen.

Unterschiede zwischen den Organismenklasse existieren in der Anzahl der an diesen Schutzreaktionen beteiligten Komponenten. So sind bei Säugetieren drei Klassen von Sensormolekülen bekannt. Hefen verfügen hingegen nur über ein Stresswandlersystem im ER. Dieses Gen kodiert wie beim Menschen ein durch Muskelzucker (Inosit) angeregtes Enzym (IRE1 – inositol requiring enzyme 1). Dieses einzelne Gen verfügt jedoch in Hefe über eine beachtliche Wirkung. Mehr als fünf Prozent aller Gene der Hefe können durch dieses System in ihrer Expression verändert werden. Dabei ist die Funktion von IRE1 in Säugern und Hefen ebenfalls konserviert. Es führt zum spleißen einer Boten-RNA (mRNA), welche einen Transkriptionsfaktor aktiviert. Dieser Transkriptionsfaktor ist eine Art Hauptschalter im Genom. Dieser "Schalter" aktiviert ganze Kaskaden von "Stress Response" Genen. Unkonventionell an diesem Vorgang ist der Ort, an dem gespleißt wird. In diesem Fall ist dies im Cytoplasma der Zelle. Üblich ist hingegen das Spleißen im Zellkern. 

Pflanzenzellen im Brennpunkt des Geschehens

Auch Pflanzenzellen verfügen über IRE1 Gene. Die Modellpflanze Arabidopsis thaliana besitzt zwei Kopien dieses Gens. Während die Phosphorylierungsaktivität dieses Genes bereits bekannt war, konnte das Spleißen der Boten-RNA und damit die UPR-Funktion als Reaktion auf Stress bisher nicht nachgewiesen werden. Die bei Menschen und Hefen bekannte Funktion von IRE1, konnte nun erstmals bei Pflanzen nachgewiesen werden. Auch hier wird im Rahmen der "Qualitätskontrolle" am endoplasmatischen Retikulum eine Reaktion in Gang gesetzt, bei der IRE1 eine Boten-RNA spleißt. Diese mRNA des Transkriptionsfaktors bZIP60 ist für die Regulierung eines bindenden Proteins 3 (BIP3) nötig. Hierdurch wird eine Reihe von Genen aktiviert deren Expressionen pflanzeneigene Abwehrmechanismen in Gang setzen und dadurch helfen, das Überleben der Pflanze zu sichern. 

Gewünschte Unterschiede bei Kulturpflanzen

Die bei ER-Stress ablaufenden Mechanismen, wie sie etwa durch Hitze oder auf das ER wirkende Stoffe wie Dithiothreitol aktiviert werden können, hemmen jedoch auch das Wachstum von Pflanzen. Das hilft Pflanzen in der freien Wildbahn dabei Energie einzusparen. Dadurch können Pflanzen Perioden abiotischen Stresses, wie Trockenheit oder Staunässe, besser überleben. In der landwirtschaftlichen Produktion ist eine solche unmittelbare Reaktion jedoch unerwünscht. Dort sollen die angebauten Nutzpflanzen vielmehr weiter wachsen und Erträge produzieren. Erst bei sehr starkem Stress ist eine Reaktion der Pflanze durch eine Reduzierung des Wachstum wünschenswert. Dank der neuen Erkenntnisse in Bezug auf die internen Abläufe bei Pflanzen in Stress-Situationen kann die Pflanzenforschung jetzt daran arbeiten, einige dieser Mechanismen gezielt auszuschalten bzw. deren Sensitivität zu verändern. Pflanzen die auch unter Stress gute Erträge liefern können so entwickelt werden. 


Quellen: 

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Titelbild: Trockenheit (Quelle: © iStockphoto.com/Matt Niebuhr)