Klimawandel bedroht Getreidevielfalt

29.02.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mit der frühblühenden Gerstensorte Mari verbreitete sich die Gerste bis nach Island. Frühes Blühen als Anpassung an den Klimawandel geht jedoch auch mit einem Verlust der genetischen Vielfalt einher. (Quelle: © 3268zauber/wikimedia.org;CC BY-SA 3.0)

Mit der frühblühenden Gerstensorte Mari verbreitete sich die Gerste bis nach Island. Frühes Blühen als Anpassung an den Klimawandel geht jedoch auch mit einem Verlust der genetischen Vielfalt einher. (Quelle: © 3268zauber/wikimedia.org;CC BY-SA 3.0)

Steigende Temperaturen führen zu genetischen Veränderungen in wilden Getreidepflanzen und lassen diese früher blühen. Wissenschaftler fürchten um die genetische Vielfalt der Wildpflanzen als wichtige Ressource der Pflanzenzucht - und entdecken das entscheidende Blühgen der Gerste.

Rund 7000  Kulturpflanzen hat der Mensch bis heute gezähmt. Sie alle stammen von wilden Vorfahren ab, die in den vergangenen Jahrhunderten auf hohe Erträge und einfache Anbaumethoden gezüchtet wurden.

Noch heute gelten Wildpflanzen als eine der wichtigsten genetischen Ressourcen der Pflanzenzucht. Da viele dieser Arten an ihren natürlichen Standorten bedroht sind, sollen weltweite Wildpflanzen-Genbanken dafür sorgen, dass zumindest deren genetische Vielfalt erhalten bleibt. In deren sogenannten sekundären Genpools fahnden Pflanzenzüchter nach genetischem Material, mit dem sich bessere Kulturpflanzen züchten lassen. Denn während die domestizierten Kulturen besonders ertragreich sind, sind deren wilde Verwandte meist widerstandsfähiger und besser an Umweltschwankungen angepasst.

Der Klimawandel verändert den Genpool

Die genetische Vielfalt von Wildpflanzen scheint jedoch durch den Klimawandel bedroht. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich das Genom von Wildgetreidearten in den vergangenen 28 Jahren bereits verändert hat. In Israel verglichen Wissenschaftler 10 Wildweizen- (Triticum dicoccoides)  und 10 Wildgerste (Horderum vulgare subsp. spontaneum)-Populationen von 1980 mit denen von 2008.

Um die genetische Vielfalt der Populationen zu berechnen, analysierten die Forscher das Vorkommen sogenannter Mikrosatelliten-Sequenzen  (SSR, simple sequence repeats) innerhalb der Genome. Mikrosatelliten sind kurze, hypervariable DNA Motive, die in unterschiedlicher Anzahl und Abfolge wiederholt werden. Da sie kein Protein verschlüsseln, mutieren sie im Laufe der Evolution besonders schnell. Auch Pflanzen der gleichen Population tragen daher unterschiedliche Ausprägungsformen oder Allele dieser Mikrosatelliten. Die Analyse zeigte, dass einige Populationen der 2008-Pflanzen bereits über 30% ihrer genetischen Variabilität verloren haben. Besonders die Wildweizen Populationen hatten in den vergangenen 28 Jahren insgesamt ein Fünftel ihrer Allele eingebüßt. Bei der Wildgerste waren es durchschnittlich nur 4%, die verloren gingen.

In dem Verlust der genetischen Variabilität sehen die Wissenschaftler ein Zeichen für den Umweltstress durch die Klimaerwärmung. In heißen Ländern wie Israel soll die Temperatur in den nächsten 50 Jahren beispielsweise um durchschnittlich 4°C steigen, so prognostizieren Klimaforscher. Die Erderwärmung und die geringer werdenden Niederschläge erhöhen dabei den Selektionsdruck der Evolution. Pflanzen spezialisieren sich auf diese Umweltveränderungen und die genetische Variabilität nimmt ab.

Israel gehört als Teil des nahen Ostens zum Ursprungsgebiet von Weizen und Gerste. Hier wachsen noch ursprüngliche Wildgetreidearten, mit bisher ungenutzten genetischen Ressourcen, die Pflanzenzüchter in Kulturpflanzen einkreuzen können. Schrumpfen diese Genpools, so gehen dadurch wichtige Gene und Eigenschaften unwiederbringlich für die Pflanzenzucht verloren.

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Auch die Kulturgerste wurde ursprünglich aus einer Wildform gezüchtet. (Quelle: © Rolf Handke/ pixelio.de)

Auch die Kulturgerste wurde ursprünglich aus einer Wildform gezüchtet. (Quelle: © Rolf Handke/ pixelio.de)

Die Erderwärmung macht Pflanzen zu Frühblühern

Auch das Blühverhalten der Getreidepflanzen, so stellten die Wissenschaftler fest, hat sich in den vergangenen 30 Jahren drastisch verändert. Weizen- und Gerstenpflanzen aus dem Jahre 2008 blühten durchschnittlich 10 Tage früher als Pflanzen aus Samen, die in den 80er Jahren gesammelt wurden. „Die Pflanzen beginnen jetzt früher zu blühen, um der Hitze zu entfliehen“, sagt der Autor der Studie Eviatar Nevo. Das führt wiederum zu Ernteeinbußen. Denn Getreide, das in heißen Regionen zu früh blüht, nutzt die Wachstumsperiode nicht effizient aus und durchläuft wichtige Wachstumsprozesse zu schnell. Eine entscheidende Entwicklungsperiode ist beispielsweise die Kornfüllungsphase.  Ist es in diesem Stadium zu heiß und zu trocken bilden sich nur kleine minderwertige Körner in den Ähren. Ein Grund warum Forscher für viele Regionen in den kommenden Jahrzehnte geringere Getreideernten vorhersagen.

Auch für Ökosysteme kann eine zeitliche Verschiebung der Blütezeit schädliche Folgen haben, wenn beispielsweise das  Zusammenspiel zwischen Pflanzen und Tieren gestört wird. Wichtige Bestäuber fallen möglichweise aus oder es entstehen neue Schädlingsplagen.

Mutationen im Blühgen führten zur Ausbreitung der Gerste

Es gibt jedoch auch Klimazonen, in denen Frühblüher von Vorteil sind. Erst kürzlich wurde der genetische Hintergrund bekannt, der die Ausbreitung der Gerste nach Nordskandinavien und Island möglich machte. Eine genetische Mutation ist dafür verantwortlich, dass die Kulturgerstensorte Mari nur kurze Vegetationsperioden benötigt.

Die Gerste Mari wird bereits seit den 60er Jahren in Russland und Skandinavien angebaut. Eine Mutation des Uhrengens, Mat-a,  führt bei Mari auch in kurzen Sommern zu guten Erträgen. Das Gen Mat-a wurde in der Studie erstmals als Homolog eines Gens der Ackerschmalwand, Early Flowering 3 (Elf3) identifiziert. Dort steuert Elf3 den Zeitpunkt der Blüte, indem es die Gene wichtiger Blühfaktoren aktiviert.  Wie die Studie zeigt erfüllt das Mat-a Gen genau diese Funktion in der Gerste. Die Mari-Gerste stellt jedoch nur eine verkürzte Version des Mat-a Proteins her, was die Regulation der molekularen Blühfaktoren verändert. Die Gerstensorte blüht früher und die Blütenbildung wird zudem unabhängig von der Tageslänge eingeleitet. Durch diese Unempfindlichkeit gegenüber der Tageslänge hat die Mari-Gerste einen entscheidenden Vorteil. Sie kann sowohl in der Nähe des Polarkreises, als auch in tropischen Regionen nahe dem Äquator angebaut werden.

Genetische Vielfalt nutzen

Das Beispiel der Mari-Gerste zeigt, dass Eigenschaften, die durch induzierte Mutation entstehen gezielt für die Zucht auswählen lassen. Im Zuge der Erderwärmung werden jedoch immer neue Krankheits- und Trockenresistenzen benötigt, um Kulturpflanzen an unterschiedliche Umweltbedingungen anzupassen. Wildpflanzen liefern dabei wichtiges genetisches Material, um neue Eigenschaften zu entdecken und in kurzer Zeit in Hochleistungssorten einzukreuzen. Im Genom der Wildgerste  Horderum vulgare subsp. spontaneum haben Wissenschaftler beispielsweise neue Resistenzgene entdeckt, die die Kulturgerste widerstandsfähiger machen sollen.


Quellen:

  • E. Nevo et al. (2012): Evolution of wild cereals during 28 years of global warming in Israel. In: PNAS. Online Publikation, Februar 2012, DOI: 10.1073/pnas.1121411109
  • S. Zakhrabekova (2012): Induced mutations in circadian clock regulator Mat-a facilitated short-season adaptation and range extension in cultivated barley. In: PNAS. Online Publikation, Februar 2012, DOI: 10.1073/pnas.1113009109

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Titelbild: Mit der frühblühenden Gerstensorte Mari verbreitete sich die Gerste bis nach Island. Frühes Blühen als Anpassung an den Klimawandel geht jedoch auch mit einem Verlust der genetischen Vielfalt einher. (Quelle: © 3268zauber/wikimedia.org;CC BY-SA 3.0)