Klimawandel verringert Variation innerhalb der Arten

25.01.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pflanzen, deren Verbreitung an kühle Klimaregionen gebunden ist, werden unter genetischer Verarmung leiden. (Quelle: © Rainer Sturm / www.pixelio.de/)

Pflanzen, deren Verbreitung an kühle Klimaregionen gebunden ist, werden unter genetischer Verarmung leiden. (Quelle: © Rainer Sturm / www.pixelio.de/)

Die Erwärmung verkleinert das Verbreitungsgebiet nordischer Pflanzen. Für 27 untersuchte Arten würde das eine genetische Verarmung bedeuten.

Wer an die Auswirkungen des Klimawandels auf die Pflanzenwelt denkt, hat meist den Verlust an Artenvielfalt vor Augen. Wenig beachtet ist bislang, was mit genetischen Vielfalt innerhalb der einzelnen Arten geschehen wird. Ein internationales Forscherteam hat genau das jetzt untersucht und kommt im Fachjournal „Proceedings of the Royal Society B“ zu dem Ergebnis, dass in mindestens einem Szenario jede der betrachteten 27 Arten genetische Variation einbüßen wird – Variation, die für den Fortbestand einer Art wesentlich sein kann, da sie die Anpassungsfähigkeit bestimmt.

Indem sie sich anpasst, kann eine Art auf sich ändernde klimatische Bedingungen reagieren oder sie verschiebt oder verkleinert ihr Verbreitungsgebiet. Auch eine Kombination daraus ist möglich. Erfahrungsgemäß geht ein verkleinertes Verbreitungsgebiet stets mit einer verringerten genetischen Vielfalt innerhalb der Art einher. Speziell die an ein kühleres Klima gewöhnten nordischen Pflanzenarten könnten dieses Schicksal erleiden.

Wie sehr eine Pflanze genetisch unter einer geringeren Verbreitung leidet, hängt aber auch von den Eigenschaften der Pflanze ab, und davon, wie groß die genetische Variabilität ursprünglich ist. Dementsprechend groß waren die Unterschiede, welche die Forscher fanden. 9.581 Proben aus 1.200 Population der 27 Pflanzenarten haben sie mittels sogenannten AFLP (amplified fragment length polymorphisms, genetischen Fingerabdrücken) auf ihre genetische Variabilität untersucht. Ausgehend von unterschiedlichen Klimamodellen prognostizierten die Forscher, wie sich bis 2080 das Verbreitungsgebiet und die genetische Variabilität der Pflanzen verändern werden.

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Der Klimawandel wirkt sich auch auf die genetische Variation und das Verbreitungsgebiet von Pflanzen aus (Quelle: © Andrea Kusajda / www.pixelio.de)

Der Klimawandel wirkt sich auch auf die genetische Variation und das Verbreitungsgebiet von Pflanzen aus (Quelle: © Andrea Kusajda / www.pixelio.de)

In allen Fällen fand die Studie einen nicht-linearen Zusammenhang zwischen dem Verlust an Verbreitung und dem Verlust an genetischer Variation. Der Großteil der genetischen Marker kommt somit gleichmäßig innerhalb des Verbreitungsgebiets vor. Außerdem zeigte sich, dass für die Prognosen unwichtig war, welche Teile des Verbreitungsgebiets verloren gehen würden. Ausnahmen bildeten lediglich Arten, die im alpinen Gelände beheimatet sind, da diese sich auf der Flucht nach Norden an ganz neue Lebensräume anpassen müssten.

Im Mittel der angewandten Prognosemethoden verloren 25 der 27 Pflanzen an Vielfalt. Lediglich zwei sehr weit verbreitete Pflanzen, deren Samen von Vögeln verteilt werden, konnten sich behaupten. Doppelt so stark wie andere Pflanzen verloren Pflanzen an Vielfalt, deren Samenverbreitung nur über kurze Distanz erfolgt. Da die Anpassungsfähigkeit der Pflanzen hinsichtlich der Pollenverbreitung stark von der Wuchsform abhängt, spielt diese eine zusätzliche Rolle.

Im Szenario mit dem extremsten Verlust an Verbreitung erlitten alle 27 Arten eine deutliche Verringerung der Variabilität. Ein Drittel der Pflanzen verlor mehr als die Hälfte ihrer genetischen Vielfalt. Erwartungsgemäß war bei diesen Pflanzen auch der prognostizierte Verlust an Verbreitungsfläche besonders groß. Er allein scheint für drei Viertel des Verlusts an Vielfalt verantwortlich. Generell lässt sich aus den Untersuchungen folgern, dass jene Pflanzen hinsichtlich ihrer genetischen Vielfalt besonders unter dem Klimawandel leiden werden, deren Verbreitung an kühle Klimaregionen gebunden ist.

Vor diesem Hintergrund fordern die Autoren der Studie, die Kriterien für die Aufnahme in die Rote Liste der bedrohten Arten zu erweitern. Als „stark bedroht“ sollten demnach Arten gelistet werden, deren Verbreitungsgebiet sich voraussichtlich um 80 Prozent verringern wird. Für „bedroht“ und „gefährdet“ sollen entsprechend 50 bzw. 30 Prozent Verbreitungsverlust gelten. 26 der 27 in der Studie untersuchten Arten müssten demnach gelistet werden.


Quelle:
Alsos et al. (2011). Genetic consequences of climate change for northern plants. Proc. R. Soc. B online; DOI: 10.1098/rspb.2011.2363 [http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2011.2363]


Zum Weiterlesen:
Wie beeinflusst die Erderwärmung unsere Pflanzenwelt?
Pflanzen auf der Flucht 

Titelbild: Pflanzen, deren Verbreitung an kühle Klimaregionen gebunden ist, werden unter genetischer Verarmung leiden. (Quelle: © Rainer Sturm / www.pixelio.de/)