Kohlendioxid: die gemischte Bilanz der Landwirtschaft

02.10.2009 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Klimawandel lässt Eisberge schmelzen (Quelle: © Gorkaazk / wikimedia.org; CC BY 3.0)

Der Klimawandel lässt Eisberge schmelzen (Quelle: © Gorkaazk / wikimedia.org; CC BY 3.0)

Weltweit trägt die Landwirtschaft erheblich zum Klimawandel bei. Doch Ackerpflanzen helfen dem Klima auch: In ihrem Wurzelraum gebundenes Kohlendioxid bleibt über Jahre der Atmosphäre entzogen. Züchter arbeiten zudem an Pflanzen, die CO2 besonders gut verwerten; Ertrag und Klima profitieren gleichermaßen.

Auf neun Prozent schätzt der Klimabericht der Europäischen Kommission für Europa den Anteil der Landwirtschaft am Klimawandel. Weltweit spricht der WWF von 14 Prozent, die die Landwirtschaft direkt verursachen. Pete Smith, der Autor des Landwirtschaftsteils des dritten Berichts des Weltklimarats IPCC schätzt in einer Greenpeace-Studie den vollständigen Anteil auf gut 30 Prozent aller Treibhausgase. Weitere 50 Prozent entfallen auf die Verbrennung fossiler Rohstoffe durch Kraftwerke, Fabriken, Verkehr und Haushalte, 20 Prozent auf die chemische Industrie.

Drei Gase sind dabei die wesentlichen Verursacher der Klimaerwärmung: Lachgas (N2O) zu 7 Prozent, Methan (CH4) zu 14 Prozent und Kohlendioxid (CO2) zu 78 Prozent. Die größte landwirtschaftliche CO2-Quelle ist sicherlich die Viehzucht. Zum einen, weil für sie enorme Waldflächen gerodet werden. Das ist gleich dreifach schlecht, da die Bäume fehlen, die CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen, da das bereits aufgenommene CO2 beim Verbrennen freigesetzt wird, und da aus bestimmten Bodentypen nun Methan entweichen kann, das aggressivste aller Treibhausgase. Zum anderen stoßen vor allem Rinder große Mengen klimaschädlicher Gase aus, die während der Verdauung entstehen.

Doch der Anbau von Ackerpflanzen ist nicht unbeteiligt: Allein die Stickstoffdüngung setzt Lachgas in einer Menge frei, deren Effekt jährlich 2,1 Milliarden Tonnen Kohlendioxid entspricht. Weil die verschiedenen Treibhausgase das Klima unterschiedlich stark beeinflussen, hat man sich auf die Wirkung von Kohlendioxid als Standardmessgröße geeinigt. Eine Tonne Lachgas entspricht demnach 300 Tonnen CO2-Äquivalenten. Weitere 2,9 bis 5,9 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente verursacht die Umwandlung von Land in Ackerfläche. Hinzu kommen die CO2-Emissionen der landwirtschaftlichen Fahrzeuge, die Trocknung der Ernte und auch die Verarbeitung. Insgesamt ergeben sich auf diese Weise bis zu 16,5 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente.

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Pflanzenschutz ist nicht unbedingt auch Klimaschutz.

Pflanzenschutz ist nicht unbedingt auch Klimaschutz.

Bildquelle: © iStockphoto.com/Federico Rostagno

Pflanzen als Klimakiller zu verteufeln, wäre dennoch ein Trugschluss: Die Vegetation ist maßgeblicher Bestandteil des terrestrischen Kohlenstoffkreislaufs. Pflanzen nutzen zur Energiegewinnung die Photosynthese, ein chemischer Mechanismus, der mit Sonnenenergie, Wasser und Kohlendioxid abläuft und Sauerstoff freisetzt. Allein die deutschen Wälder beinhalten etwa 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Das bedeutet, sie haben der Atmosphäre 9,5 Milliarden Tonnen CO2 für viele Jahrzehnte entzogen.

Wie effizient Pflanzen der Atmosphäre CO2 entnehmen, hängt von mehreren Faktoren ab. Pflanzenart und Wachstumsgeschwindigkeit spielen natürlich hinein. Aber auch der Klimawandel selbst verstärkt den Einfluss der Vegetation: Je höher die CO2-Konzentration in der Luft ist, desto mehr CO2 nehmen Pflanzen vom so genannten Typ C3 auf. Immerhin 90 Prozent aller Landpflanzen zählen zu dieser Gruppe. Ursächlich für diesen Effekt sind die Stomata, Spaltöffnungen in den Blättern, über die die Pflanzen CO2 aufnehmen, aber auch Wasser verlieren können. Deshalb öffnet eine Pflanze ihre Stomata nur so kurz wie nötig, und kann bei höherer CO2-Konzentration in der gleichen Zeit mehr Gas binden. Profitieren kann die Pflanzen von mehr Kohlendioxid also nur, wenn genügend Feuchtigkeit vorhanden ist, um die Stomata bedenkenlos zu öffnen. Vor allem in Südeuropa könnte das zu Problemen führen, da der Klimawandel dort Wärme und Trockenheit verstärkt. Sind jedoch alle Bedingungen erfüllt, steigert eine höhere CO2-Konzentration der Ertrag der Pflanzen. Stiege die Konzentration von heute 385 ppm (parts per million, Moleküle in einer Million Luftmoleküle) auf 550 ppm, stiege der Ertrag der fünf wichtigsten Nahrungspflanzen um sieben Prozent. Allerdings gelten die Folgen des Klimawandels bereits ab einer Konzentration von 450 ppm als nicht mehr beherrschbar. Voraussetzung für steigende Erträge wäre außerdem, dass der Klimawandel nicht auch andere Rahmenbedingungen verändert.

Doch die Rahmenbedingungen ändern sich durchaus: So stellt das Team von Evan DeLucia an der Universität von Illinois fest, dass sich bei Sojabohnen die Fraßschäden durch Japankäfer bei einer CO2-Konzentration von 550 ppm verdoppeln. Vermutlich bilden die Pflanzen mehr Zucker und weniger Eiweiße, was die Blätter attraktiver für den Käfer macht. Gleichzeitig fanden die Forscher in den Sojabohnen weniger natürliche Abwehrstoffe gegen Schädlinge. Positiver Nebeneffekt des Klimawandels: Die höhere Temperatur führt schon heute zu messbar längeren Vegetationsperioden – und das längere Wachstum bedeutet, dass die Pflanzen mehr CO2 in Biomasse umwandeln.

Der genaue Zusammenhang zwischen atmosphärischer CO2-Konzentration und weiteren Faktoren wie Klima oder Boden ist Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. In Deutschland untersucht dies beispielsweise das Projekt FACE der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft für die Fruchtfolge Wintergerste – Zwischenfrucht Weidelgras – Zuckerrübe – Winterweizen. Die Gendatenbank des Forschungsprogramms GABI listet bereits über 20 Gene, die mit dem CO2-Stoffwechsel zusammenhängen. Pflanzenzüchter können dadurch gezielter arbeiten.

Unabhängig von der Konzentration binden Ackerpflanzen deutlich weniger Kohlendioxid als Wälder. Anders als Bäume wachsen sie meist nur eine Saison, bevor sie geerntet und verarbeitet werden. Das gespeicherte CO2 gelangt somit schnell zurück in die Atmosphäre. Dennoch tragen die Ackerpflanzen zu einer langfristigen Kohlendioxidspeicherung bei: im Boden.

Ackerpflanzen leisten einen erheblichen Beitrag zur Humusbildung. Humus besteht zu etwa 60 Prozent aus Kohlenstoff. Ein Großteil davon gelangt als bei der Photosynthese gebundenes CO2 über die Wurzeln in den Boden und kann dort viele Jahre verweilen. Zum Tragen kommt dieser Effekt jedoch nur, wenn der Landwirt den Boden möglichst nicht pflügt und intelligente Fruchtfolgen anbaut. 400 bis 800 Millionen Tonnen Kohlenstoff könnten Ackerböden der Erde jährlich aufnehmen, schätzt Kurt-Jürgen Hülsbergen vom Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt. August Raggam von der Technischen Universität Graz vermutet sogar, dass die Ackerböden innerhalb von 30 Jahren durch den Humusaufbau die gesamten CO2-Emissionen der letzten Jahrzehnte aus der Atmosphäre holen könnten – wenn sie komplett ökologisch bewirtschaftet würden.

Weil diese Voraussetzung wenig realistisch erscheint, arbeiten Pflanzenzüchter daran, ihre Pflanzen grundsätzlich klimafreundlicher zu machen. Zum Beispiel indem die Pflanzen besser mit ungepflügten Böden klar kommen. Oder indem sie – mittels Gentechnik – auf ein bestimmtes Herbizid abgestimmt werden, dass alle unerwünschten Pflanzen auch ohne Pflügen sicher entfernt. Oder Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen und deshalb ihre Stomata länger öffnen und mehr Kohlendioxid aufnehmen.

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Mit neuen Rohstoffsorten kann die Effizienz der Ethanolgewinnung gesteigert werden.

Mit neuen Rohstoffsorten kann die Effizienz der Ethanolgewinnung gesteigert werden.

Bildquelle: © istockphoto.com/svengine

Wenn die Pflanze besser als bisher CO2 verwerten kann, ist das natürlich für Züchter, Landwirte und Klimaschützer am attraktivsten. Denn das steigert den Ertrag unmittelbar. Forschern der Universität Köln ist dies bereits mit der Ackerschmalwand gelungen: Sie haben der Pflanze per Gentransfer neue Enzyme verpasst, die mehr CO2 in Biomasse umwandeln. Gemeinsam mit der Firma BASF sollen ähnliche Fortschritte bei Getreidesorten folgen.

Auch nach dem Anbau kann die Züchtung noch eine Rolle spielen: Die Firma Syngenta entwickelt beispielsweise eine Maissorte, die die Effizienz der Ethanolgewinnung steigert. Aus weniger Anbaufläche wird so mehr Biotreibstoff, und das bei weniger Energiebedarf während der Verarbeitung.Die klimarelevanten Züchtungsziele gewinnen seit Jahren an Bedeutung, weil Pflanzen immer vielseitiger genutzt werden: Neben ihrer klassischen Funktion als Nahrung sind sie als Biomasse erneuerbare Energiequellen und umweltfreundlicher Rohstoff vieler Industriematerialien. Für Landwirte könnten klimafreundliche Pflanzen und Anbaumethoden an Reiz gewinnen, wenn die Landwirtschaft in den Handel mit CO2-Zertifikaten einbezogen werden würde. Mehrkosten für besonderes Saatgut oder Humuswirtschaft würden sich leichter rechnen. Das bei der Stickstoffdüngung entstehende Lachgas wäre dann jedoch ein Kostenfaktor – der aber ebenfalls durch die Pflanzenzüchtung verringert werden könnte.

Terrestrischer Kohlenstoffkreislauf

Zwischen der Atmosphäre und der Erde wird kontinuierlich Kohlenstoff ausgetauscht. In der Luft ist liegt das Element größtenteils in Form von Kohlendioxid (CO2) vor. An Land ist es in Form diverser Kohlenstoffverbindungen in Biomasse gebunden.

Das CO2 der Atmosphäre gelangt durch die Photosynthese in die Pflanzen, die es mit Sonnenenergie und Wasser zu Biomasse und Sauerstoff umwandeln. Die Hälfte der gesamten jährlich auf diese Weise gebundenen rund 120* Gigatonnen Kohlenstoff (Bruttoprimärproduktion) atmen die Pflanzen als CO2 direkt zurück in die Atmosphäre. Die andere Hälfte verweilt unterschiedlich lang am Boden als Biomasse (Nettoprimärproduktion).

Der Großteil der Biomasse fällt als Streu aus Blättern und Zweigen zu Boden und dient dort Bodenorganismen als Nahrung. Dabei gelangen etwa 55 der 60 Gigatonnen Kohlenstoff als CO2 zurück in die Atmosphäre. Die übrigen fünf Gigatonnen verbleiben in Stämmen und Wurzeln (Nettoökosystemproduktion). Von ihnen gelangen mittelfristig vier Gigatonnen durch Holznutzung und Verbrennung zurück in Atmosphäre, lediglich eine Gigatonne verbleibt langfristig als Holzkohle oder schwer abbaubarer Humus (Nettobiomproduktion).

Da die einzelnen Teilprozesse in unterschiedlicher Intensität ablaufen können, ist die jährliche Bilanz des Austausches zwischen Atmosphäre und Biosphäre selten ausgeglichen. In den 1990er Jahren hat die Landbiomasse jährlich schätzungsweise 1,9 Gigatonnen mehr Kohlenstoff gebunden als abgegeben und damit das Klima entlastet.

*: Die Zahlen spiegeln den globalen Durchschnitt, regional können sie deutlich abweichen.


Titelbild: Der Klimawandel lässt Eisberge schmelzen (Quelle: © Gorkaazk / wikimedia.org; CC BY 3.0)