Meeresmikroalgen machen’s vor

Forscher lassen Raps die Omega-3-Fettsäuren DPA und EPA produzieren

16.08.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ausgestattet mit den richtigen genetischen Informationen produzierten Rapspflanzen DHA und EPA. (Bildquelle: © Carl Davies/ CSIRO/ CC BY 3.0)

Ausgestattet mit den richtigen genetischen Informationen produzierten Rapspflanzen DHA und EPA. (Bildquelle: © Carl Davies/ CSIRO/ CC BY 3.0)

Forschern ist es gelungen, Raps zu züchten, der die für den Menschen so wichtigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DPA produzieren kann. Die hierfür notwendigen genetischen Informationen stammen aus der Meeresmikroalgenart Schizochytrium. Das Ergebnis lässt sich sehen, so genügt ein Esslöffel des Rapsöls, um den Tagesbedarf an EPA und DHA zu decken.

Von allen Omega-3-Fettsäuren besitzen EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) die höchste biologische Aktivität. Nach wie vor ist es fast ausnahmslos ein Privileg von Meeresmikroalgen und -bakterien, diese herzustellen, weshalb Ernährungsexperten zum regelmäßigen Verzehr von Kaltwasserfischen wie Lachs, Makrele, Hering, Thunfisch oder Sardinen raten. Zwar gelang es Forschern bereits vor über zehn Jahren erstmals, Landpflanzen zu befähigen, die wertvollen Fettsäuren in Eigenregie zu produzieren, jedoch setzten sich die Konzepte bisher nicht durch. Nun haben Forscher einen neuen Anlauf gewagt.

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In Europa werden fast ausnahmslos 00-Rapssorten angebaut. Raps ist die Ölsaat mit dem zweithöchsten Weltmarktanteil. Die globale Rapsernte lag 2015/2016 bei 67,78 Millionen Tonnen.

In Europa werden fast ausnahmslos 00-Rapssorten angebaut. Raps ist die Ölsaat mit dem zweithöchsten Weltmarktanteil. Die globale Rapsernte lag 2015/2016 bei 67,78 Millionen Tonnen.

Bildquelle: © Carl Davies/ CSIRO/ CC BY 3.0

Omega-3 ist nicht gleich Omega-3

Nach den erfolgreichen Versuchen an Arabidopsis thaliana, Braunem Senf (Brassica juncea) und Leindotter (Camelina sativa) gelang es ihnen, eine der wichtigsten Ölsaaten überhaupt zu transformieren, nämlich Raps (Brassica napus). Wer nun irritiert ist, weil er seit Jahren zu Rapsöl greift, das laut Etikett doch reich an Omega-3-Fettsäuren sei, der muss wissen, dass verschiedene Varianten existieren. Die Rede ist dort nämlich von der Omega-3-Fettsäure alpha-Linolensäure (ALA), die außerdem in Lein-, Walnuss- und Perillaöl sowie Chiasamen und Walnüssen enthalten ist. Dahinter steckt, dass der menschliche Körper ALA in EPA und diese wiederum in DHA umwandeln kann, dies jedoch nur in geringem Maß tut (ca. 5 %).

Ein Löffel und der Tagesbedarf ist gedeckt

Für Ernährungsexperten stellen diese Produkte deshalb allenfalls eine Ergänzung zu einer fischreichen Ernährung dar. Sie raten zu einer täglichen Aufnahme von 250 – 500 mg. Darauf bezogen ist es nun Wissenschaftlern gelungen, Rapspflanzen zu züchten, deren Öl so viel EPA und DHA enthält, dass ein Esslöffel (14 g) ausreicht, um den Tagesbedarf zu decken.

Sie begannen zunächst damit, sich mit der EPA- und DHA-Synthese zu beschäftigen. Bei den Mikroalgen wird diese allein von drei Polypeptiden (PFA1, PFA2 und PFA3) übernommen. Sie verfügen über die nötigen Funktionen und Eigenschaften, um ausgehend vom Ausgangstoff Malonyl-CoA, die Kurzform für Malonyl-Coenzym A, mithilfe von Nicotinsäureamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphat (NADPH) besagte Fettsäureketten herzustellen.

4 Gene als Werkbank

Da Malonyl-CoA und NADPH nun mal reichlich im Cytoplasma von Rapssamen vorhanden sind, konnten sich die Forscher allein darauf konzentrieren, den Synthesekomplex, sprich die zelluläre Werkbank zu übertragen. Neben den drei Gensequenzen von PFA1, PFA2 und PFA 3 gehörte hier im Wesentlichen noch Panetethein-4‘-Phosphat (PP) dazu. Ein Enzym, das bei der DHA- und EPA-Synthese, vereinfacht gesagt, für das korrekte Knüpfen und den Zusammenhalt der einzelnen Glieder der Fettsäurenkette verantwortlich ist.

Probeläufe an Arabidopsis

Die Herausforderung bestand anschließend darin, eine Mikroalgenart auszuwählen, dessen Fettsäuresynthesekomplex infrage kam, um in das Cytoplasma von Rapssamen übertragen zu werden. Dies testeten die Forscher zunächst an Arabidopsispflanzen. Für den ersten Durchlauf entschieden sie sich für eine Unterart der Meeresmikroalge Schizochytrium, die speziell darauf getrimmt ist, in Bioreaktoren DHA im kommerziellen Maßstab zu produzieren (Schizo20888). Mithilfe des Bodenbakteriums Agrobacterium tumefaciens schleusten sie den Synthesekomplex in die Pflanzen ein, nicht ohne ihm vorher einen genetischen Promotor zur Seite gestellt zu haben, der die Expression im Samen in Gang setzen sollte. Hierbei handelte es sich um den samenspezifischen Promoter Dlec2 aus der Gartenbohne (Phaseolus vulgaris).

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In Lachs sind pro 100 g Fisch zwischen 1,0 und 1,8 g EPA und DHA enthalten. Besonders viel steckt auch in Hering und Sardinen. Nun jedoch nur noch Hering zu essen, wäre natürlich falsch. Wer ab und zu Fisch greift, macht im Grunde alles richtig.

In Lachs sind pro 100 g Fisch zwischen 1,0 und 1,8 g EPA und DHA enthalten. Besonders viel steckt auch in Hering und Sardinen. Nun jedoch nur noch Hering zu essen, wäre natürlich falsch. Wer ab und zu Fisch greift, macht im Grunde alles richtig.

Bildquelle: © Peter Whyte/ CSIRO/ CC BY 3.0

In zwei Anläufen zum Ziel

Obwohl der Versuch glückte, einige Arabidopsissamen tatsächlich DHA enthielten, mussten die Forscher einen neuen Versuch unternehmen. Grund war, dass die Arabidopsispflanzen in der dritten Generation aufgehört hatten, DHA zu produzieren. Ein klarer Fall von „Gene Silencing“ (Inaktivierung von Genen), so die Forscher.

Für den zweiten Anlauf griffen sie diesmal auf den Synthesekomplex der Unterart Schizo9695 zurück, dessen Sequenzlänge kürzer war als bei Schizo20888. Ein Punkt, der im Endergebnis keine Rolle spielen sollte, jedoch das Einschleusen des genetischen Materials erleichterte. Um zu vermeiden, dass die Nachfolgegenerationen erneut aufhörten, DHA zu produzieren, fügten die Forscher zur Sicherheit noch einige genregulatorische Elemente hinzu. Diesmal lief alles zu ihrer Zufriedenheit. Nicht nur, dass die Arabidopsispflanzen mehr DHA enthielten, sie taten dies auch über mehrere Generationen hinweg. Damit stand einer Anwendung am Raps nichts mehr im Weg.

Wie zu erwarten führte die Transformation dazu, dass die Rapssamen anfingen, DHA und EPA zu bilden. Dass die Erhöhung der Produktion besagter Fettsäuren nicht zu einem Mangel an nativen Fettsäuren im Raps führte, die ebenfalls auf Malonyl-CoA und NADPH als Ausgangstoff angewiesen sind, verwunderte die Forscher.

Ein Relikt aus früheren Zeiten

Ursache für das Nebeneinander der Fettsäuren war, dass sowohl Malonyl-CoA als auch NADPH ausreichend vorhanden waren. Zwar ist in der Natur vieles möglich, doch Überfluss eher selten. Die Forscher erklärten sich dies mit Verweis auf die Züchtungserfolge ihrer Vorgänger in den 1960er. Damals bestand der Durchbruch bei der Kommerzialisierung von Raps darin, die Samen frei von Erucasäure zu machen. Hierbei handelte es sich um eine ungesättigte Fettsäure, die die Nutzung von Raps als Lebens- oder Futtermittel lange unmöglich machte, da sie nachweislich Organschäden und Herzprobleme bei Mensch und Tier verursachte. Erst die Züchtung sogenannter Null- und Doppelnull-Rapssorten, 0-Raps bzw. 00-Raps, leitete die Trendwende ein. Die Forscher vermuten, dass der erhöhte Gehalt an Malonyl-CoA und NADPH aus der Zeit davor herrührte, als ein Großteil dessen noch zur Produktion von Erucasäure benötigt wurde.

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In Netzgehegen im freien Meer oder in Buchten wachsen Lachse unter kontrollierten Bedingungen auf. Leider ist diese Form der Fischzucht mit negativen Folgen für das Ökosystem Meer verbunden. Ein Problem ist die Überdüngung u. a. aufgrund von überschüssiger Nahrung und Ausscheidungen der Tiere.

In Netzgehegen im freien Meer oder in Buchten wachsen Lachse unter kontrollierten Bedingungen auf. Leider ist diese Form der Fischzucht mit negativen Folgen für das Ökosystem Meer verbunden. Ein Problem ist die Überdüngung u. a. aufgrund von überschüssiger Nahrung und Ausscheidungen der Tiere.

Bildquelle: © Asc1733/ Wikimedia.org/ CC BY-SA 4.0

Ein weiteres Kuriosum

Bemerkenswert war zudem, dass die besten Ergebnisse, sprich die höchsten DHA- und EPA-Werte dann erzielt wurden, wenn der Synthesekomplex aus der Mikroalgenart nahezu unverändert übernommen wurde. Normalerweise werden bei der Übertragung von Gensequenzen aus einer Spezies in eine andere Änderungen und Anpassungen vorgenommen, insbesondere in Bezug auf die Aminosäuresequenzen. Hintergrund ist, dass mehrere Codons für die gleiche Aminosäure codieren. Sprich verschiedene Abfolgen von Nukleotidbasen ein und dieselbe Aminosäure ergeben. Dass diese spezielle Anpassung in diesem Fall unnötig bzw. sogar kontraproduktiv war, überraschte die Forscher abermals. Für das Endergebnis sollte dieses Kuriosum jedoch keine Rolle spielen.

Eine Alternative zur Fischzucht und zum Bioraktor?

Die Forscher sind überzeugt, dass ihr Ansatz eine ernst zu nehmende Alternative als DHA- und EPA-Quelle darstellt. Nicht nur in Bezug auf die empfohlene Tageszufuhr für uns Menschen, sondern auch die Produktion. So wäre die Gewinnung von DHA und EPA aus Raps aus ihrer Sicht nachhaltiger als aus Aquakulturen und verglichen mit der Produktion im Bioreaktor sogar günstiger.

Die Frage, ob und wann mit einer Zulassung von DPA und EPA aus Raps als Lebensmittel gerechnet werden kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwierig. Zum einen gelten im Lebensmittelbereich zurecht extrem strenge Regularien, die langwierige und kostenintensive Zulassungsprozesse beinhalten. Zum anderen spielt das öffentliche Meinungsbild zur klassischen Gentechnik, und darum handelt es sich beim hier gewählten Ansatz, eine wichtige Rolle.


Quelle: Walsh, T. et al. (2016): Canola engineered with a microalgal polyketide synthase-like system produces oil enriched in docosahexaenoic acid. In: Nature Biotechnology, Vol. 34 (8), (11. Juli 2016), doi:10.1038/nbt.3585

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Titelbild: Ausgestattet mit den richtigen genetischen Informationen produzierten Rapspflanzen DHA und EPA. (Bildquelle: © Carl Davies/ CSIRO/ CC BY 3.0)