Mit Herbarien auf Zeitreise

Verändert der Klimawandel die Entwicklungsprozesse von Pflanzen?

26.05.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die schätzungsweise 350 Millionen eingelagerten Herbarien sind ein wahres „Fenster in die Vergangenheit“ der Pflanzen-Phänologie, da an ihnen z. B. Blühzeitpunkte abgelesen werden können. (Bildquelle: © P. F. Siebold//wikimedia.org; CC0)

Die schätzungsweise 350 Millionen eingelagerten Herbarien sind ein wahres „Fenster in die Vergangenheit“ der Pflanzen-Phänologie, da an ihnen z. B. Blühzeitpunkte abgelesen werden können. (Bildquelle: © P. F. Siebold//wikimedia.org; CC0)

Wie Pflanzen auf klimatische Veränderungen reagieren, lies sich mangels historischer Daten bisher kaum verfolgen. Aber nun zeigt sich, dass alte Herbarien viele brauchbare Informationen z. B. über die Veränderung von Blühzeitpunkten preisgeben.

Wie kommen Pflanzen mit dem Klimawandel zurecht? Für qualifizierte Antworten auf diese Frage fehlte Forscherinnen und Forscher bislang eine valide Datengrundlage. In Wahrheit aber schlummern solche Informationen in den Magazinen der Museen oder auf Dachböden. Die schier unerschöpflichen Sammlungen konservierter Pflanzen und Pflanzenteile, auch Herbarien genannt, waren lange eine Art „ungehobener Schatz“ der Pflanzenforschung.

Ursprünglich wurden Herbarien zur Art-Bestimmung und Klassifizierung von Pflanzen (Taxonomie) angelegt. Mittlerweile sind sie etwas aus der Mode gekommen und viele Herbarien lagern seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten unbeachtet in großen Sammlungen, beispielsweise in den Royal Botanic Gardens in London oder im Botanischen Garten von Berlin (Herbarium Berolinense). Mithilfe digitaler Dokumentationstechnologien können solche Sammlungen heute weltweit genutzt werden und ermöglichen dadurch neue Forschungsansätze.

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Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte lang lagerte eine schier unerschöpfliche Anzahl von Herbarien in großen Sammlungen. Digitale Dokumentationstechnologien können solche Sammlungen heute weltweit nutzbar machen.

Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte lang lagerte eine schier unerschöpfliche Anzahl von Herbarien in großen Sammlungen. Digitale Dokumentationstechnologien können solche Sammlungen heute weltweit nutzbar machen.

Bildquelle: © Laura Clerc et Maxence Colleau - Hospices civils de Lyon/wikimedia.org; CC BY 4.0

Herbarien als „Fenster in die Vergangenheit“

Die schätzungsweise 350 Millionen weltweit eingelagerten Herbarien sind ein wahres „Fenster in die Vergangenheit“ der Pflanzen-Phänologie. Phänologie beschreibt die im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen wie Zeitpunkt von Blüte oder Austrieb. Diese sind abhängig vom Klima, also z. B. von Niederschlagsmengen oder Temperatur. Die Herbarien, in denen  Sammelzeitpunkt und -ort der Pflanzen dokumentiert sind, geben so Aufschluss über den phänologischen Status einer Pflanze oder einer ganzen Population in Abhängigkeit vom Klimawandel.

Eine Forschergruppe hat nun 40 solcher „Herbarien-Analysen“ miteinander verglichen und das Ergebnis im Fachmagazin Cell Press veröffentlicht. Betrachtet wurden u. a. der zeitliche Verlauf der Blüte, des Abwurfs der Blätter und des Ansatzes von Früchten sowie die Wachstumsdauer der Pflanzen. Diese wurden in Relation zu klimatischen Bedingungen gesetzt, um Rückschlüsse auf zukünftige Ereignisse treffen zu können.

Pflanzenentwicklung verändert sich

Das Team fand heraus, dass sich der Zeitpunkt der Blüte und des Blattabwurfes über das letzte Jahrhundert aufgrund klimatischer Veränderungen teilweise stark veränderte. Außerdem wurde deutlich, dass Pflanzen in wärmeren Jahren deutlich früher Blüten tragen und Blätter abwerfen. Jedoch widersprechen einige Ergebnisse dieser These. Dies könnte damit erklärt werden, dass Pflanzen in zu warmen Jahren ihren Abkühlungsbedarf im Winter nicht decken konnten. Als drittes Ergebnis fand die Gruppe heraus, dass die gesammelten Daten ein ausführlicheres und variationsreicheres Bild ergaben als vergleichbare Erhebungsmethoden.

Alternative Forschungsansätze sind gefragt

Der Übersichtsbeitrag über die Analyse von Herbarien zeigt, dass auch - im wahrsten Sinne des Wortes - angestaubte Ressourcen mithilfe von digitalen Methoden für aktuelle Forschungsfragen genutzt und dadurch neue Erkenntnisse generiert werden können. Die Ergebnisse sind wichtig für den Artenschutz und für die Züchtung von klimaangepassten Nutzpflanzen. Zwei neuere Studien haben gezeigt, dass die Temperaturen sich schneller ändern als viele Pflanzenarten sich daran anpassen können.


Quelle:
Willis, C. G. et al. (2017): Old Plants, New Tricks: Phenological Research Using Herbarium Specimens. In: Cell (Publication stage: In Press Corrected Proof), doi: 10.1016/j.tree.2017.03.015.

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Titelbild: Die schätzungsweise 350 Millionen eingelagerten Herbarien sind ein wahres „Fenster in die Vergangenheit“ der Pflanzen-Phänologie, da an ihnen z. B. Blühzeitpunkte abgelesen werden können. (Bildquelle: © P. F. Siebold/wikimedia.org; CC0)