Mit Rat und Tat für Vielfalt

Forscher im Weltbiodiversitätsrat sollen der Politik Empfehlungen zum Natur- und Artenschutz geben

05.09.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Unsere Pflanzenvielfalt schrumpft und seltene Ökosysteme gehen verloren (Quelle: © iStockphoto.com/ SaulHerrera)

Unsere Pflanzenvielfalt schrumpft und seltene Ökosysteme gehen verloren (Quelle: © iStockphoto.com/ SaulHerrera)

Die Vereinten Nationen haben mit dem Weltbiodiversitätsrat ein neues Gremium geschaffen, das politische Entscheidungsträger zur Biodiversität beraten soll. Dadurch erhält das Thema Prominenz, aber in der Umsetzung gibt es noch Probleme.

In einer zunehmend komplexen Welt ist guter Rat teuer. Wissenschaftler und andere Experten sollen hier Abhilfe schaffen und politischen Entscheidungsträgern bei Fragen zu Umwelt, Klima und Natur beratend zur Seite stehen. Da Forschung aber heutzutage internationale Teamarbeit ist, müssen neue Wege gefunden werden, um der Politik Handlungsempfehlungen für die drängendsten Probleme an die Hand zu geben. Hierfür haben sich in den letzten Jahren auf der Ebene der Vereinten Nationen zwischenstaatliche Diskussionsforen etabliert.

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Vor allem Seegras- und Mangrovengebiete gehen uns verloren. Ihr Bestand verringerte sich in den letzten 30 Jahren um circa 25 Prozent

Vor allem Seegras- und Mangrovengebiete gehen uns verloren. Ihr Bestand verringerte sich in den letzten 30 Jahren um circa 25 Prozent

Bildquelle: © Piu700 / pixelio,de

Erfolgreiche Vorbilder

Zum einen war dies das „Intergovernmental Panel on Forests“, das in den Jahren 1995-1997 über Maßnahmen zum Schutz des Waldes diskutierte und zum anderen das weitaus bekanntere „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC), in Deutschland auch als Weltklimarat bekannt. Gerade das IPCC ist ein erfolgreiches Beispiel für die wissenschaftliche Politikberatung. Denn zweifellos ist es ihm gelungen, sich seit seiner Gründung im Jahr 1988 als wichtigste Stimme in den Debatten um Klimawandel zu etablieren und politische Entscheidungsprozesse durch seine Meinungen zu beeinflussen. Keine öffentliche Diskussion zum Thema Klimawandel kommt heute ohne eine Erwähnung des IPCC aus. Für seine bahnbrechenden Berichte erhielt das IPCC zusammen mit Al Gore 2007 sogar den Friedensnobelpreis.

Natürliche Vielfalt in Gefahr

Dieses Erfolgsmodell soll mit dem „Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services“ (IPBES) auch auf die Themengebiete Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen ausgeweitet werden. Die Artenvielfalt ist in den letzten Jahren dramatisch geschrumpft und der Handlungsbedarf ist deshalb groß. Seit 1970 ging die Wirbeltierpopulation um ungefähr 30 Prozent zurück und jährlich verschwinden rund 13 Millionen Hektar Wald, was in etwa der gesamten Waldfläche Deutschlands entspricht. Auch Seegras- und Mangrovengebiete gehen verloren. Diese gelten als sehr sensible Ökosysteme und sind frühzeitige Indikatoren bei klimatische Veränderungen. Ihr Bestand verringerte sich in den letzten 30 Jahren um circa 25 Prozent. Außerdem können steigende Temperaturen laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung dazu führen, dass bis 2030 über 70 Prozent der Korallenriffe weltweit schwer geschädigt sein werden. Auch diese gelten auf Grund ihrer Komplexität und Vielfalt sehr sensible Ökosysteme, die sehr stark auf veränderte Umweltbedingungen wie Wasserverschmutzung, Temperaturveränderungen oder durch den Massentourismus ausgelöste Veränderungen reagieren.

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Klimawandel und Rodungen durch den Menschen bedrohen unsere Wälder.

Klimawandel und Rodungen durch den Menschen bedrohen unsere Wälder.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Thiroil

Forscher sollen Entscheidungsträger beraten

Um dieser Entwicklung zu begegnen, wurde im April 2012 in Panama von 270 Vertretern von Staaten, Nichtregierungsorganisationen, der Vereinten Nationen und weitere Organisationen die Gründung des IPBES beschlossen. Mit Bonn hat sich mittlerweile auch ein fester Sitz der Plattform etabliert. Das IPBES sieht sich nach eigenen Angaben als eine Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft und soll in Zukunft wie das IPCC funktionieren. Die Gebiete, auf die sich das IPBES in seiner Arbeit konzentrieren will, umfassen vier Bereiche:

  • Zunächst geht es darum, die für politische Entscheidungsträger relevanten wissenschaftlichen Informationen zu identifizieren und zu priorisieren.
  • Ein weiterer Schwerpunkt ist die frühzeitige und regelmäßige Bewertung des Wissens über Biodiversität, Ökosystemdienstleistungen und ihre Verkettung.
  • Hinzu kommt die konkrete Unterstützung bei der Politikgestaltung und -umsetzung durch das Identifizieren relevanter Instrumente und Methodologien.

Schließlich soll das IPBES dazu beitragen, den wichtigsten Bedarf zu priorisieren, um die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik zu verbessern. Hierzu zählt auch die Einwerbung und Bereitstellung finanzieller und anderweitiger Unterstützung für die Arbeit des IPBES.

Um über die Grundlinien und die wissenschaftliche Zusammensetzung zu diskutieren, trafen sich Ende Januar 2013 die Mitglieder des IPBES zur ersten Plenarsitzung in Bonn. Hierbei wurde Zakri Abdul Hamid, wissenschaftlicher Berater des Malaysischen Ministerpräsidenten, von den insgesamt knapp 500 Delegierten zum ersten Vorsitzenden gewählt. Zukünftig wird der Vorsitz alle drei Jahre zwischen Entwicklungs- und Industrieländern wechseln. Als Nachfolger für Hamid steht bereits der renommierte britische Umweltforscher Robert Watson fest. Ferner vereinbarten die Mitgliedsstaaten, dass die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen UNESCO, UNEP, FAO und UNDP eine gemeinsame Schnittestelle zur IPBES bilden sollen und das Sekretariat der IPBES vom UNEP getragen wird.

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Bis 2030 werden dreiviertel unserer Korralenriffe geschädigt sein, prognostizieren Experten. Aber welchen Wert haben solche Ökosysteme für uns? Der IPBES soll zukünftig politische Entscheider zur Bewertung von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen beraten.

Bis 2030 werden dreiviertel unserer Korralenriffe geschädigt sein, prognostizieren Experten. Aber welchen Wert haben solche Ökosysteme für uns? Der IPBES soll zukünftig politische Entscheider zur Bewertung von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen beraten.

Bildquelle: © Frantisek Hojdysz / Fotolia.com

Unambitionierte Finanzierung

Die Plenarsitzung offenbarte aber auch einige grundlegende Probleme. Das betrifft zum einen die Finanzierung des Panels. Die gegenwärtigen Beiträge der Mitgliedsstaaten belaufen sich für das Jahr 2013 auf gerade einmal 2.74 Millionen Euro, von denen knapp 1.5 Millionen Euro durch Deutschland finanziert werden. Zum Vergleich: Das Budget des Weltklimarats betrug im Jahr 2011 mit umgerechnet 6.96 Millionen Euro fast zweieinhalb Mal so viel. Die momentane Summe deckt lediglich die Verwaltungskosten und erlaubt es nicht, weitreichende Projekte zu initiieren. Dementsprechend entfallen in diesem Jahr mehr als die Hälfte des Budgets ausschließlich auf die Kosten für die Plenarsitzungen und Treffen des IPBES. Um ernsthaft dem Artensterben entgegenwirken zu wollen, müssten die Mitgliedstaaten ihre Beiträge deutlich aufstocken.

Regionalproporz wichtiger als wissenschaftliche Vielfalt

Kritik wurde zudem an der Wahl und der Zusammensetzung des sogenannten Multidisciplinary Expert Panel (MEP) geäußert. Das MEP ist das zentrale Organ des IPBES, das die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit sicherstellen soll. Es setzt sich aus jeweils fünf Experten unterschiedlicher Fachdisziplinen aus den fünf Regionalgruppen der Vereinten Nationen zusammen, die für zwei Jahre gewählt sind. Die französische Biologin und Geschäftsführerin von DIVERSITAS, Anne Larigauderie, räumte im Anschluss an die Wahl gegenüber dem Wissenschaftsblog Science and Development Network (SciDevNet) ein, dass der Regionalproporz wichtiger gewesen sei als eine wissenschaftlich ausgewogene Zusammensetzung. Das sieht auch Dr. Carsten Neßhöver, Koordinator des Netzwerk-Forums zur Biodiversitätsforschung Deutschland, so. Aufgrund der Dominanz von Männern und  Naturwissenschaftler werde das MEP seinem angestrebten Anspruch auf ausgeglichene Verteilung von Expertise und Geschlecht nur in geringem Maße gerecht.

Große Herausforderungen

Trotz dieser Startschwierigkeiten ist ein wichtiger Anfang gemacht. Für die kommende Generalversammlung, die Anfang Dezember im türkischen Antalya stattfinden wird, sind vor allem die ersten wissenschaftlichen Berichte und Empfehlungen entscheidend. Daran wird sich zeigen, ob das IPBES ein wirkungsvolles Instrument ist, um der Bedrohung der Biodiversität zu begegnen. Die Herausforderungen, vor denen die Experten und vor allem die Politik stehen, sind jedenfalls groß. Deren Lösung erlaubt keinen weiteren Aufschub.


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Titelbild: Unsere Pflanzenvielfalt schrumpft und seltene Ökosysteme gehen verloren (Quelle: © iStockphoto.com/ SaulHerrera)