Nachwachsende Energie aus Pflanzen

06.11.2009 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Verbrennung von Biomasse, um damit zu heizen, ist wohl die älteste Form ihrer Nutzung. (Quelle: © goldbany / Fotolia.com)

Die Verbrennung von Biomasse, um damit zu heizen, ist wohl die älteste Form ihrer Nutzung. (Quelle: © goldbany / Fotolia.com)

Wärme, Strom und Kraftstoffe: Aus zentralen Bereichen des menschlichen Lebens sind Pflanzen als Energiequellen nicht mehr wegzudenken. Während die Politik Leitlinien für eine nachhaltige Nutzung der Pflanzen entwickelt, arbeiten Forscher daran, die Produktion von Biomasse zu optimieren.

Wäre er nicht bloß eine Sagengestalt, hätte wohl der Titan Prometheus den Menschen beigebracht, Bioenergie zu nutzen, als er den Göttern das Feuer stahl: Brennendes Holz als Quell der Wärme, um Nahrung zu garen, um Waffen und Werkzeuge zu schmieden. Ihre Bedeutung als Heizmittel hat die pflanzliche Biomasse nie verloren, doch im 21. Jahrhundert setzt der Mensch sie weit vielfältiger ein.

Energetische Nutzung von Biomasse

Grundsätzlich versteht man unter Bioenergie jede energetische Nutzung von Biomasse. Ob Holz, Stroh, Getreide, Algen oder Bioabfälle – es lässt sich praktisch alles verwenden, um Wärme, Strom oder Kraftstoff zu erzeugen. Streng genommen sind auch Erdöl und Kohle organischen Ursprungs, doch sie entstehen über Jahrmillionen, weshalb bei ihrer Nutzung erheblich mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt, als im gleichen Zeitraum neu in Erdöl oder Kohle gebunden wird. Pflanzen hingegen wachsen so schnell, dass ihre energetische Nutzung als CO2-neutral gilt. Letztlich ist Bioenergie übrigens Sonnenenergie, denn sie ist es, die die Photosynthese antreibt, jenen Prozess, der das pflanzliche Wachstum ermöglicht.

Wärmeerzeugung ist die älteste Nutzungsform

Die eingangs erwähnt Verbrennung von Biomasse, um damit zu heizen, ist wohl die älteste Form ihrer Nutzung. An die Stelle von Lagerfeuern und Kaminen sind inzwischen Biomasseheizkraftwerke getreten. In Dampfkesseln verfeuern sie Hackschnitzel, Holzpellets, Stroh oder Bioabfälle, in manchen Fällen auch Olivenkerne oder Chinaschilf. Getreide ist als Brennstoff umstritten, weil es alternativ als Nahrungs- oder Futtermittel dienen könnte. Um Verluste zu vermeiden, nutzt man die Wärme meist, um Gebäude in der Nähe des Heizkraftwerks zu beheizen, doch auch eine Verwendung als Fernwärme ist möglich. Im Kraftwerk treibt der heiße Dampf zudem eine Turbine an und erzeugt so Strom. Ist keine Stromerzeugung vorgesehen, spricht man von Biomasseheizwerken, oder von Biomassekraftwerken, wenn die Wärme nicht genutzt wird. Die heute üblichen Kraftwerke erzeugen Heiz- und elektrische Energie im zweistelligen Megawattbereich.

Biogas aus Silage

Ebenfalls lassen sich Strom und Wärme aus Pflanzensilage oder Gülle erzeugen, allerdings nur indirekt. Beim Vergären  bildet sich Biogas, ein Gemisch, das vor allem aus Methan und Kohlendioxid besteht. Biogas kann nach wenigen Aufbereitungsschritten in Blockheizkraftwerken verfeuert werden. Es kann aber auch zu 95-prozentigem Methan aufbereitet und als Biomethan ins Erdgasnetz eingespeist sowie als Kraftstoff genutzt werden.

Brasilien ist Vorreiter bei Bioethanol

Kraftstoffe sind die zweite große Anwendung der Bioenergie. So produziert Brasilien in Folge der Erdölkrise 1973/74 seit über 30 Jahren aus Zuckerrohr Bioethanol. Per Gesetz muss Benzin eine 20- bis 25-prozentige Ethanolbeimischung haben, reines Ethanol kann flächendeckend getankt werden. Neun von zehn der 2008 in Brasilien neu zugelassenen Fahrzeuge können Benzin und Ethanol in beliebiger Mischung tanken. Auch in Europa und den USA gewinnt Bioethanol an Bedeutung.

Herstellen lässt sich Bioethanol aus drei Grundstoffen: Aus Getreide, dessen Stärke von Enzymen in Zucker umgewandelt wurde, aus Stroh, dessen Zellulose von Enzymen und Säuren in Zucker aufgespalten wurde, oder direkt aus zuckerhaltigen Rohstoffen wie Melasse. Wird dieser Zucker mit Hefe versetzt, entsteht durch Gärung eine alkoholische Maische, deren Ethanol nun noch chemisch auf eine Reinheit von bis zu 99,95 Prozent aufgearbeitet wird.

In Deutschland dominiert Biodiesel

In Deutschland etablierter ist Biodiesel. Seit 2009 dürfen mineralischem Diesel bis zu sieben Prozent Biodiesel beigemischt werden, auch reiner Biodiesel ist üblich. Sein Einsatz in landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen ist in Deutschland von der Steuer befreit. Neben dem Einsatz in Fahrzeugen etabliert sich Biodiesel zunehmend in der Schifffahrt und im Schienenverkehr.

Biodiesel entsteht aus Pflanzenöl, in Europa üblicherweise aus Raps, da dessen Samen einen Ölgehalt von 40 bis 45 Prozent hat. Ölmühlen pressen das Öl heraus, der Rest wird als Rapskuchen zu Viehfutter. Unter Zugabe von etwa zehn Prozent Methanol bilden sich aus dem Öl in einer so genannten Umesterungsanlage Biodiesel und Glycerin. Das Glycerin wird gereinigt und beispielsweise in der Kosmetikindustrie genutzt.

Pflanzenöl kann direkt getankt werden

Gegenüber Pflanzenöl hat Biodiesel den Vorteil, dass seine Viskosität geringer ist, er also besser fließt. Entsprechend umgerüstete Motoren können allerdings auch direkt Pflanzenöl verbrennen, wodurch der hohe Aufwand der chemischen Veresterung entfällt. Auch hierfür ist Raps in Europa die Hauptquelle. In Deutschland fahren etwa 20.000 Fahrzeuge mit Pflanzenöl.

BtL-Kraftstoffe – die zweite Generation

An der Schwelle zur Marktreife befinden sich synthetische Kraftstoffe, so genannte BtL-Kraftstoffe (Biomass to Liquid, Biomasseverflüssigung). Hierbei werden zunächst Stroh, Restholz oder speziell angebaute Nutzpflanzen getrocknet und daraus durch thermische Spaltung Synthesegas erzeugt. Mit Hilfe der Fischer-Tropsch-Synthese entsteht aus dem Gasgemisch dann ein flüssiger Kraftstoff. Grundsätzlich ist diese Technik seit den 1920er Jahren bekannt, als Rohstoff diente lange Zeit Kohle. Doch erst seit den 1990er Jahren verfolgen Wissenschaftler das Ziel, aus Biomasse Treibstoffe für moderne Dieselmotoren zu erzeugen, die preislich mit Mineraldiesel konkurrieren können – und qualitativ oftmals überlegen sind. Aufgrund der Rohstoffe und des aufwändigen Syntheseverfahrens spricht man von BtL-Kraftstoffen als Biokraftstoffe der zweiten Generation.

Bio-Kerosin in der Entwicklung

Selbst Flugzeuge sollen mittelfristig mit Biokraftstoffen oder zumindest Beimischungen fliegen. Den ersten Testflug in der zivilen Luftfahrt veranstaltete Anfang 2009 Air New Zealand mit Biodiesel auf der Grundlage von Jatropha-Öl. Vor 2015 wird jedoch kein regulärer Einsatz von Biokraftstoffen in der Luftfahrt erwartet.

Nationaler Biomasseaktionsplan

2007 deckte Bioenergie rund fünf Prozent des deutschen Primärenergiebedarfs. 3,9 Prozent betrug der Anteil beim Strombedarf, 6,1 Prozent beim Wärmebedarf und 7,3 Prozent beim Kraftstoffbedarf. Bis 2020 soll sich der Anteil an der Primärenergie auf 20 Prozent verdoppeln. Im Frühjahr 2009 erstellte die Bundesregierung dazu einen nationalen Biomasseaktionsplan.

Obwohl die Bundesregierung durch Effizienzsteigerung noch Potenzial bei den Anbauflächen sieht und auch noch mehr Waldrestholz als bislang genutzt werden kann, dürfte es schwierig werden, eine Verdoppelung der Bioenergie allein mit deutscher Biomasse zu bewerkstelligen; vor allem, da schon heute importierte Biomasse oft billiger ist als die einheimische. Laut Aktionsplan soll der Ausbau der Bioenergie eine ganze Reihe Kriterien berücksichtigen: Er soll die Treibhausgase verringern und die Qualität von Böden und Gewässern verbessern sowie schützenswerte Landschaften erhalten. Er soll wirtschaftlich sein und die Energieversorgung sicherer machen. Er soll vor allem im ländlichen Raum Arbeitsplätze schaffen und bei all dem Nutzungskonkurrenten wie Nahrungs- und Futtererzeugung sowie die stoffliche Nutzung der Biomasse berücksichtigen. 13 Maßnahmen, wie das erreicht werden kann, listet der Aktionsplan auf.

Die Vorgaben zum Aktionsplan hat die Europäische Union im April 2009 mit der Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen gemacht. Der Richtlinie fordert für Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe, dass sie ökologisch nachhaltig produziert werden müssen. Das bedeutet auch, dass sie nur dann sinnvoll sind, wenn durch sie gegenüber der herkömmlichen Alternative mindestens 35 Prozent Kohlendioxid eingespart werden. Kohlenstoffsenken wie Feucht- und Waldgebiete dürfen daher nicht in Produktionsflächen für Biomasse umgewandelt werden. Viel mehr sollen die EU-Staaten Anreize schaffen, degradierte und rekultivierte Flächen zu nutzen. Die neue Richtlinie knüpft an die Richtlinie zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor aus dem Jahr 2003 an. Diese schrieb als unverbindliches Ziel bis 2010 einen Biokraftstoffanteil von 5,75 Prozent vor – das nicht mehr zu erreichen ist. Stattdessen sollen nun bis 2020 europaweit zehn Prozent der Kraftstoffe aus Biomasse stammen.

Ob Biomasse oder Bioenergie tatsächlich nachhaltig produziert wurde, wie es Aktionsplan und EU-Richtlinie fordern, lässt sich nicht am Endprodukt erkennen. Im Gespräch sind deshalb Zertifizierungssysteme analog dem EU-Biosiegel. Ein Pilotprojekt dazu ist die „International Sustainability and Carbon Certification“, ein vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördertes Projekt unter der Leitung der Kölner Unternehmensberatung Meó Corporate Development GmbH.

Ökologische und soziale Bedenken

In den vorherigen Absätzen klang es schon an: Obwohl Biokraftstoffe erneuerbar und für sich betrachtet CO2-neutral sind, können sie sowohl ökologische als auch soziale Probleme mit sich bringen. Seit Jahrzehnten liegt ein Hauptaugenmerk der Pflanzenzüchtung darauf, die Erträge zu steigern, denn der Weltbedarf an Nahrungs- und Futtermitteln wächst stetig. Gleichzeitig schwinden durch Erosion und Klimawandel die fruchtbaren Ackerflächen. Werden darauf Energiepflanzen angebaut, stehen sie deshalb in Konkurrenz mit Nahrungspflanzen.

2007 sorgte Mexikos „Tortilla-Krise“ für weltweite Schlagzeilen, weil der dramatisch gestiegene Preis für Mais viele Mexikaner vor Probleme stellte, die diesen als Grundnahrungsmittel verwenden. Als eine Ursache sehen Experten die sehr ehrgeizigen Ziele der USA für den zukünftigen Anteil von Bioethanol bei Kraftstoffen. Hinzu kamen jedoch zahlreiche weitere Faktoren: ein schwacher Dollarkurs, steigenden Energie- und Düngerpreise, Ernteausfälle, Exportbeschränkungen und vor allem Spekulationsgeschäfte auf landwirtschaftliche Produkte.

Jatropha – die Energiepflanze für die Tropen und Subtropen

Aus der sich anschließenden „Tank-oder-Teller“-Diskussion entstand die Forderung, möglichst nur jene Biomasse als Rohstoff für Bioenergie zu verwenden, die nicht alternativ als Nahrungs- oder Futtermittel genutzt würde. So konzentrieren die drei BioEnergy Research Centers der USA ihre Forschung auf nicht essbare Pflanzen, während Europa vor allem auf die „Resteverwertung“ der Nahrungspflanzen setzt. Ideal für den US-amerikanischen Ansatz wäre es, nur Pflanzen zu verwenden, die für ihr Wachstum kein fruchtbares Ackerland benötigen. Die mehrjährige Jatropha-Pflanze erfüllt diese Bedingung. Sie ist so genügsam, dass sie selbst auf trockenem Savannenboden wächst. So fördert ihr Anbau gleichzeitig die Rückgewinnung verödeter Flächen. In den Tropen und Subtropen wurde sie 2008 auf rund einer Million Hektar angebaut, vornehmlich in Indien, China und Indonesien. Große Bedeutung hat ihr Öl dort als Treibstoff in der Subsistenzwirtschaft, doch auch die Exporte in Industrienationen nehmen zu.

Palmöl auf Kosten des Regenwalds

Auch Palmöl hat eine große Bedeutung als Grundlage von Biokraftstoffen. Umweltschutzorganisationen sehen das kritisch, weil für den Anbau Millionen Hektar Regenwald vernichtet wurden und nach wie vor gerodet werden. Neben den offensichtlichen ökologischen Verlusten wird dabei auch Kohlendioxid in großer Menge freigesetzt. Die gute Öko- und Klimabilanz, die Bioenergie so attraktiv macht, ist dahin. Der Umstand, dass der Großteil des Öls über weite Strecken exportiert wird, verschlechtert die Bilanz zusätzlich.

Ein weiterer grundsätzlicher ökologischer Einwand betrifft die CO2-Neutralität. Während des Anbaus setzen sowohl die Nutzfahrzeuge als auch Düngemittel Treibhausgase frei. Berücksichtigt man dies, ist die Klimabilanz zwar noch immer günstig, von Ausgeglichenheit jedoch weit entfernt.

Ideale Rohstoffe sind deshalb biogene Abfälle. Sie entstehen vor Ort, konkurrieren nicht um Ackerflächen und fallen bei bestimmten Prozessen sowieso an – beispielsweise bei der Kaskadennutzung in Bioraffinerien. Dort ist das Ziel, Pflanzen vollständig zu verwerten: manche Teile als Rohstoff in der chemischen Industrie, andere als Nahrungs- oder Futtermittel und die Reste eben zur Energiegewinnung.

Algen als Ölquelle

Als letzte Quelle von Bioenergie sind ölhaltige Algen im Gespräch. An vielen Küsten schwemmen sie von alleine tonnenweise an. Zusätzlich ließen sich Mikroalgen züchten, ohne dass sie um Ackerflächen konkurrieren müssten. Bereits heute sind Algen als Lieferanten von Vitaminen, Farbpigmenten, Aminosäuren und Lebensmittelzusatzstoffen geschätzt. Bislang fehlen jedoch Verfahren, um Algen effizient als Energiequelle zu nutzen.

Beiträge der Pflanzenzüchtung

Mehr Bioenergie erfordert neben der Erschließung neuer Quellen auch mehr Biomasse aus den etablierten Quellen. Dazu gibt es unterschiedliche Ansätze, von denen das Projekt GABI-ENERGY gleich mehrere unter einen Dach versammelt. Gemeinsam mit der Kleinwanzlebener Saatzucht AG arbeiten beispielsweise Forscher der Universität Düsseldorf daran, Mais ein Wachstum von April bis Oktober zu ermöglichen. Dazu muss zum einen die Kältetoleranz gesteigert werden, und zum anderen müssen die Forscher sicher stellen, dass die Pflanzen durch eine verzögerte Reifung bis zuletzt wachsen. Die Trockenmasse des Mais' soll sich dadurch idealerweise verdoppeln.

An der Universität Hohenheim verfolgen Forscher das Ziel, bis zu sechs Meter hohe Maispflanzen zu züchten. Damit vollziehen sie eine Kehrtwende gegenüber dem bisherigen Ziel, die Pflanze eher klein zu halten, wodurch möglichst viel Energie in die Frucht geht.

Einen neuen Ansatz entdeckte im Juni 2009 ein deutsch-niederländisches Forscherteam. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Stärkemenge in Blättern ein Indikator für die Menge der gebildeten Biomasse ist. Geringe Stärkemengen deuten demnach auf eine hohe Biomasseproduktion hin. Da die Forscher die zuständigen Gene beim Ackerschachtelhalm identifiziert haben, könnten Züchter mittels Smart-Breeding-Technologie diese Erkenntnisse auch auf andere Pflanzen anwenden.

„BioEnergie 2021“ fördert die Nutzung von Energie aus Biomasse

Die Forschung im gesamten Bereich der Bioenergie voran bringen soll die 50 Millionen Euro umfassende nationale Fördermaßnahme „BioEnergie 2021“. Die Fördermaßnahme ist in die Module „Bioraffinerie der Zukunft“, „Energiepflanzen“ sowie den „Ideenwettbewerb BioEnergie“ gegliedert. Ziel ist es, „die Technologieführerschaft Deutschlands in den verschiedenen Wertschöpfungsketten der Bioenergie-Nutzung weiter zu entwickeln, zu erhalten und auszubauen.“