Neuartiges Enzym macht Schadinsekten resistent

19.09.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Eine ausge-wachsenen männliche Motte der Baumwoll-Kapseleule (Helicoverpa armigera). (Quelle: © Nicole Joußen / MPI chem. Ökol.)

Eine ausge-wachsenen männliche Motte der Baumwoll-Kapseleule (Helicoverpa armigera). (Quelle: © Nicole Joußen / MPI chem. Ökol.)

Ein australischer Stamm eines weltweit verbreiteten Schädlings, der Baumwoll-Kapseleule, ist in der Lage das Insektizid Fenvalerat unschädlich zu machen. Deutsche Forscher entdeckten, dass dieser Resistenzmechanismus durch ein neuartiges Enzym ausgelöst wird, welches durch die Neukombination zweier elterlicher Gene entstanden ist.

Insektizide werden in der Landwirtschaft zur Bekämpfung von Schadinsekten eingesetzt. Ein zunehmendes Problem ist jedoch die Bildung von Resistenzen: Immer mehr Schädlinge sind gegen Insektizide unempfindlich. Forscher des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena haben nun einen Resistenzmechanismus genauer erforscht: Die Gegenwehr eines australischen Stammes der Baumwoll-Kapseleule (Helicoverpa armigera) gegen das Insektizid Fenvalerat.

Einer der am weitesten verbreiteten Schädlinge

Die Baumwoll-Kapseleule ist ein weltweit gefürchteter Pflanzenschädling, der durch sein breites Wirtsspektrum etwa 200 verschiedene Pflanzenarten befällt. Rund 30% aller weltweit eingesetzten Insektizide werden jährlich zu dessen Bekämpfung eingesetzt. Darunter auch Pyrethroide. Pyrethroide basieren auf dem natürlich vorkommenden Insektengift Pyrethrum. Kostengünstiger und reiner werden diese jedoch synthetisch hergestellt, so auch der Wirkstoff Fenvalerat. 

Woher kommt die Resistenz des australischen Stammes?

Durch die Neukombination zweier elterlicher Gene entsteht bei einem australischen Stamm der Baumwoll-Kapseleule ein neuartiges Enzym (CYP337B3), das in der Lage ist Fenvalerat abzubauen und das Insektizid damit unschädlich zu machen. Das Enzym CYP337B3 entstand durch einen rekombinatorischen Vorgang im Zellkern, der „inäquales Crossing-over“ genannt wird. 

Unter Crossing-over versteht man einen Stückaustausch zwischen väterlichen und mütterlichen Chromosomen während der Meiose. Bei der Zellkernteilung entstand in diesem Fall in dem für die Resistenzausbildung wichtigen Genomabschnitt eine ungleiche Verteilung der elterlichen Erbanlagen, was zu einer neuen Merkmalskombination führte: Dabei ging auf einem DNA-Strang genetische Informationen verloren, auf dem anderen kam es zu einer Neueinfügung oder Verdopplung der genetischen Informationen. Durch das so entstandene neue Gen bildet der Schmetterling ein Enzym, das Fenvalerat verstoffwechseln kann, wodurch dies keine toxische Wirkung mehr auf die Larven hat. Die elterlichen Gene codieren jedoch Enzyme, die im Gegensatz zu ihren Nachkommen zu diesem Stoffwechselvorgang nachweislich nicht imstande sind. „Mit diesem Ergebnis wurde erstmals eine gegen ein Insektizid resistenzvermittelnde Mutation aufgedeckt, die durch ein solches Crossing Over-Ereignis entstanden ist", erklärt David Heckel, einer der beteiligten Wissenschaftler. 

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Raupe der Baumwoll-Kapseleule, ein weltweit gefährlicher Schädling. (Quelle: © Nicole Joußen / MPI chem. Ökol.)

Raupe der Baumwoll-Kapseleule, ein weltweit gefährlicher Schädling. (Quelle: © Nicole Joußen / MPI chem. Ökol.)

Die Insekten des australischen Stammes haben eine 42-fache Resistenz gegenüber Fenvalerat, d.h. sie können 42 Mal soviel Fenvalerat vertragen wie nichtresistente Insekten. Die Forscher entdeckten, dass ebenfalls Esfenvalerat - ein Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln, der im Gegensatz zu Fenvalerat auch in Deutschland zugelassen ist  - von dem neuartigen Insektenenzym abgebaut werden kann.  

Verbreitung von Resistenzen 

Werden Insektizide durch die Verbreitung von Resistenzen unwirksam, ist die Eingrenzung der Schadinsekten und somit der Schutz der Nutzpflanzen nicht mehr möglich. Eine weitere Ausbreitung der Resistenzgene stellt daher eine Gefahr für die Landwirtschaft dar. Durch einen begrenzten Einsatz von Insektiziden und die Kombination mit anderen pflanzenschützenden Maßnahmen können solche Resistenzausbildungen jedoch eingegrenzt werden, so die Forscher. Durch den massiven Einsatz eines Insektizids entwickelt sich ein Selektionsdruck. In dessen Folge vermehren sich die resistenten Insekten, da diese einen Vorteil gegenüber ihren Artgenossen haben. Die Insektenpopulation wird geschützt.

Aber auch agronomische Maßnahmen können helfen, die Widerstandsfähigkeit der Schadinsekten zu reduzieren. Eine wechselnde Fruchtfolge wäre eine Maßnahme die dazu beitragen könnte, die resistenten Schädlinge einzudämmen. Durch das breite Wirtsspektrum der Baumwoll-Kapseleule muss bei der Fruchtfolgegestaltung natürlich das Nahrungsspektrum des Schädlings bedacht werden, was entsprechendes Basiswissen oder eine gute Beratung voraussetzt. 


Quelle:
Joußen, N. et al. (2012): Resistance of Australian Helicoverpa armigera to fenvalerate is due to the chimeric P450 enzyme CYP337B3. In: PNAS, Early Edition, 4. September 2012, doi: 10.1073/pnas.1202047109.

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