Neue Funktionen für alte Gene

Die Evolution des Maises profitiert von regulatorischer Neufunktionalisierung

19.08.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Beim Mais kam es zu einer Verdopplung des Genoms. Viele der doppelten Gene gingen jedoch bald wieder verloren. (Bildquelle: © Petra Bork / pixelio.de)

Beim Mais kam es zu einer Verdopplung des Genoms. Viele der doppelten Gene gingen jedoch bald wieder verloren. (Bildquelle: © Petra Bork / pixelio.de)

Genomverdoppelungen sind bei Pflanzen keine Seltenheit und verhelfen oft zu neuen Eigenschaften. Laubblätter der Maispflanze haben sich dank doppelter Gene auf Photosynthese spezialisiert, während die Hüllblätter besser Stress abwehren können.

Vor 5 bis 12 Millionen Jahren kam es beim Mais zu einer Verdoppelung des Genoms. Viele der doppelten Gene gingen bald wieder verloren und durch zahlreiche Brüche und Neuverklebungen der Chromosomen entstand mit der Zeit wieder eine diploide Pflanze. Der Großteil der heutigen Gene stammt aus dem Subgenom 1. Das Subgenom 2 hat dagegen nur einen geringeren Anteil am Maisgenom, wie wir es kennen.

Doch immerhin liegen von mehr als einem Fünftel aller Mais-Gene noch beide Kopien vor. Diese homöologen Genpaare hatten einst die gleiche Aufgabe, haben sich aber teilweise auseinander entwickelt. Wissenschaftler interessieren sich schon lange dafür, was im Laufe der Evolution mit den doppelten Lottchen geschieht und wie viele von ihnen ganz neue Funktionen übernehmen (Neufunktionalisierung).

Falls nach einer Genomverdoppelung beide Genkopien erhalten bleiben, gibt es grundsätzlich vier Möglichkeiten:

1. beide Kopien behalten das gleiche Expressionsmuster und die gleiche Proteinfunktion;

2. die ursprüngliche Genfunktion wird zwischen beiden Genkopien aufgeteilt, jede ist dann nur noch für einen Teil der ursprünglichen Aufgabe verantwortlich (Subfunktionalisierung);

3. eine oder beide Genkopien verändern ihr Expressionsmuster, sie behalten also ihre ursprüngliche Funktion, unterscheiden sich aber dadurch, wann und wo sie abgelesen werden (regulatorische Neufunktionalisierung) oder

4. eine oder beide Genkopien verändern durch eine Mutation ihre Proteinfunktion (kodierende Neufunktionalisierung).

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In den Laub- und Hüllblättern der Maispflanze werden die verdoppelten Gene ganz unterschiedlich exprimiert. Die Laubblätter befinden sich am Halm der Pflanze. Hier ist die Effizienz der Photosynthese erhöht. Die Hüllblätter umgeben die Maiskolben und haben sich auf Stresstoleranz spezialisiert.

In den Laub- und Hüllblättern der Maispflanze werden die verdoppelten Gene ganz unterschiedlich exprimiert. Die Laubblätter befinden sich am Halm der Pflanze. Hier ist die Effizienz der Photosynthese erhöht. Die Hüllblätter umgeben die Maiskolben und haben sich auf Stresstoleranz spezialisiert.

Bildquelle: © iStock.com/ pkripper503

In Blättern der Maispflanze fallen 13 Prozent der homöologen Genpaare in die Kategorie der regulatorischen Neufunktionalisierung. Die beiden Genkopien werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Entwicklung oder in anderen Zelltypen abgelesen. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler, die beim Mais die RNA-Expressionsmuster von Laubblättern und Hüllblättern gemessen und analysiert haben. „Wir haben die Expressionslevel in zwei verschiedenen Blatttypen untersucht, weil sie die wichtigsten Blattstrukturen der reifen Maispflanze sind: Das Laubblatt ist das primäre Photosynthese-Gewebe und das Hüllblatt schützt den sich entwickelnden Kolben“, erklärt Studienautor Steven Kelly die Vorgehensweise.

Die regulatorische Neufunktionalisierung hat bei der Evolution der Maisblätter eine bedeutende Rolle gespielt. Die Laubblätter konnten dadurch die Effizienz der Photosynthese erhöhen, während sich die Hüllblätter auf Stresstoleranz spezialisiert haben.

„Wir glauben, dass unsere Ergebnisse direkt auf andere Pflanzen übertragbar sind. Sie bilden eine Grundlage für das Erforschen und Verstehen von Änderungen in der Genexpression nach Genomverdoppelungen“, sagt Kelly.

Entweder verändert sich das Genexpressionsmuster oder die Sequenz

Seit einer Studie aus dem Jahr 2011 war bekannt, dass das Subgenom, was vollständiger im heutigen Maisgenom erhalten ist, auch dominanter auftritt und viele seiner Gene überexprimiert werden. Bei den aktuellen Untersuchungen kam heraus, dass solch eine Subgenomdominanz bei homöologen Genpaaren nur im Zusammenhang mit regulatorischer Neufunktionalisierung auftritt. Es dominierte hier durchweg das weniger fraktionierte Subgenom 1.

Die Analysen zeigen außerdem, dass homöologe Genpaare, die keine regulatorische Neufunktionalisierung durchlaufen haben, weniger stark von negativer Selektion betroffen sind. Dadurch steigt die Chance, dass diese Gene eine neue Proteinfunktion entwickeln.

Denn die negative Selektion sortiert alle Gene gnadenlos aus, die eine irgendwie nachteilige Mutation tragen. Sei der Fitnessverlust auch noch so klein, der Organismus möchte kein Risiko eingehen. Bei homöologen Genpaaren ist dieses Risiko naturgemäß niedriger. Denn auch wenn eine Genkopie mutiert, sichert die andere das Überleben. Die mutierte Kopie kann weitere Mutationen anhäufen und dadurch eine neue, vorteilhafte Funktion ausbilden.

Entweder findet regulatorische oder kodierende Neufunktionalisierung statt. Beides zusammen ist theoretisch möglich, aber in der Praxis sehr selten. Zurzeit untersucht Kelly andere Gewebetypen und versucht die Genevolution beim Mais in einer einzigen Zelle zu detektieren.


Quelle:
Hughes TE, et al. (2014): The impact of widespread regulatory neofunctionalization on homeolog gene evolution following whole genome duplication in maize. In: Genome Research (2014), DOI: 10.1101/gr.172684.114.

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Titelbild: Beim Mais kam es zu einer Verdopplung des Genoms. Viele der doppelten Gene gingen jedoch bald wieder verloren. (Bildquelle: © Petra Bork / pixelio.de)